Strategische Autonomie adé: Die EU klammert sich an die Nato
In Brüssel redet man gern von der “strategischen Autonomie”. Doch spätestens seit dem Ukrainekrieg hat die EU ihre Unabhängigkeit verloren. Sie kettet sich enger denn je an die Nato und ihre Vormacht USA – nun auch in der Wirtschaftspolitik.
Die Europäische Union und die Nato wollen ihre Zusammenarbeit auf eine neue Stufe heben und dabei auch Wirtschaft, Technologie und Medien ins Auge fassen. Dies sagten EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Mittwoch im Hauptquartier der US-geführten Militärallianz in Brüssel.
Als Zeichen der Verbundenheit unterzeichneten von der Leyen und Stoltenberg zusammen mit EU-Ratspräsident Char-les Michel eine gemeinsame Erklärung. Es ist bereits das dritte öffentliche Bekenntnis dieser Art; ursprünglich sollte es schon im Herbst unterzeichnet werden. Doch türkische Bedenken (offenbar wegen Zypern) führten immer wieder zu Verzögerungen.
In dem nun verabschiedeten 14-Punkte-Papier wird neben Russland auch China als potentielle Bedrohung ausgemacht. Das Reich der Mitte führt zwar keinen Krieg wie Russland. Wegen seiner wirtschaftlichen Macht und umstrittenen Initiativen wie der Neuen Seidenstraße, die bis nach Deutschland führt, wird es aber als Risiko gesehen.
Nord Stream als Vorwand
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Im “wachsenden geostrategischen Wettbewerb” mit Russland und China und beim “Schutz kritischer Infrastrukturen” wolle man sich enger abstimmen, heißt es in dem vierseitigen EU-Nato-Papier. Eine engere Kooperation sei auch im Weltraum, bei „disruptiven“ Technologien sowie beim Kampf gegen Desinformation und ausländische Einmischung nötig.
Eine Begründung blieben die drei EU- und Nato-Chefs schuldig. Von der Leyen verwies lediglich auf die Sprengung der Nordstream-Pipeline in der Ostsee. Allerdings ist bis heute nicht erwiesen, dass dahinter Russland steckt, wie zunächst vermutet. Einem Artikel der „Washington Post“ zufolge sind sogar in den USA Zweifel aufgekommen.
Wenn es Russland nicht war, kommen eigentlich nur Nato-Mitglieder als Täter infrage. Doch darauf gingen von der Leyen und Stoltenberg ebenso wenig ein wie auf die Frage, was die Nato eigentlich mit China zu tun hat. Bisher kümmert sich die Militärallianz nur um die Sicherheit im nordatlantischen Raum; für Asien ist sie nicht zuständig.
In Washington geschrieben?
Allerdings hat die Nato ihr Operationsgebiet unter Verweis auf den Ukrainekrieg und neue „hybride“ Gefahren immer mehr ausgeweitet. So gelten nun nicht nur Pipelines und Unterseekabel als strategisch bedeutsam. Auch Mikrochips und KI-Systeme beschäftigen die Militärplaner. Die USA haben bereits unilaterale Sanktionen gegen China verhängt, um diese Technologiebereiche zu schützen.
Das 14-Punkte-Papier erweckt auf weiten Strecken den Eindruck, als sei es in Washington geschrieben worden. Von der Leyen und Michel betonten zwar, dass die EU weiter auf „strategische Autonomie“ und „europäische Souveränität“ setze. Dabei sei man auch schon vorangekommen, so von der Leyen.
Mit der Erklärung klammern sich die EUropäer jedoch mehr denn je an die US-geführte Allianz – nun auch noch in der Wirtschafts-, Technologie- und Medienpolitik…
Mehr zur Nato hier, Update hier
P.S. Am Mittwoch darf Stoltenberg sogar an der Klausurtagung der EU-Kommission teilnehmen. Es ist eine Premiere – und sagt eigentlich alles…
is kidding itself on strategic autonomy when it comes to security/defense. ⚔️ laid bare European dependencies on the & its leadership within NATO. Spinning cooperation as part of strategic autonomy is at best sugarcoating the dynamics, at worst strategic blindness. https://t.co/isaSwrgPcT
— Emre Peker (@EPspin) January 10, 2023
KK
11. Januar 2023 @ 14:19
“Wenn es Russland nicht war, kommen eigentlich nur Nato-Mitglieder als Täter infrage.”
Ich bin inzwischen an dem Punkt, wo ich eher glaube, dass die NAhTOd dem Beitrittskandidaten Schweden, eben noch keinem NAhTOd-Mitglied, eine Art “Aufnahmeprüfung” auferlegt haben könnte (sollte doch was durchsickern, könnte die NAhTOd ihre Hände in alter Pontius-Pilatus-Manier in Unschuld waschen): Habe vor einiger Zeit eine nächtliche DOKU gesehen, wo detailliert ein Manöver mit einem US-Flugzeugträger-Verband gezeigt wurde, bei dem ein sehr altes, aber eben auch sehr leises und daher kaum ortbares U-Boot der Gotland-Klasse der schwedischen Marine unter dem Kommando einer erfahrenen weiblichen schwedischen Offizierin sich an den Verband unbemerkt soweit anschleichen konnte, dass es dem Verband erheblichen Schaden bis zur Versenkung des Flugzeugträgers hätte zufügen können (im Errnstfall wohl ein Selbstmordkommando, aber es sollte eben im Manöver die verwundbaren Stellen eines solchen Verbandes aufzeigen).
https://www.wissenschaft-x.com/tiny-swedish-sub-took-down-an-entire-us-aircraft-carrier
Ich würde nicht ausschliessen, dass ein solches U-Boot die Sprengsätze an den Pipelines angebracht haben könnte, während oben die US-Verbände im Manöver für Ablenkung sorgten… zumal es offenbar in der schwedischen Einflusszone geschehen ist, wie ja auch die “Ermittlungsführerschaft” Schwedens nahelegt. Wäre auch die sicherste Methode, die Täter selbnst ermitteln zu lassen, wenn garantiert nichts rauskommen soll…
ebo
11. Januar 2023 @ 14:21
Interessante These…
MarMo
11. Januar 2023 @ 19:16
Der US-Ökonom Jeffrey Sachs hat auch eine These: https://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft-verantwortung/nord-stream-pipelines-wohl-deswegen-zerstoert-jeffrey-sachs-hat-neue-theorien-zu-den-lecks-li.273634
„Das 14-Punkte-Papier erweckt auf weiten Strecken den Eindruck, als sei es in Washington geschrieben worden. Von der Leyen und Michel betonten zwar, dass die EU weiter auf „strategische Autonomie“ und „europäische Souveränität“ setze. Dabei sei man auch schon vorangekommen, so von der Leyen.“
Es wird dort diktiert worden sein. Es macht ja für Europa keinen Sinn, sich auch noch in eine Konfrontation gegen China reinziehen zu lassen. Das ist wirklich der Wahnsinn, der in den USA, der NATO und den EU-Institutionen herrscht. Es geht nur um den Verlust einer unipolaren Weltmachtstellung, den Washington nicht akzeptieren kann. Dafür scheint die USA bereit zu sein, den Rest der Welt zur Hölle zu schicken. Es wäre geboten, dass Europa sich dem entschieden entgegen stellt. Mir stellt sich auch immer die Legitimationsfrage. Aber die scheint obsolet geworden zu sein.
Frau von der Leyen kann alles mögliche behaupten, bezogen auf eine strategische Autonomie und europäische Souveränität ist das alles nur heiße Luft. Wie dreist, sich hinzustellen und zu behaupten, da komme man voran, wo sie doch die erste ist, die diese an die USA verraten würde, wenn es sie gäbe.
Von daher kann man Emre Peker nur zustimmen. Leider ist das alles nicht lustig …
WBD-dreineunundneunzig
11. Januar 2023 @ 09:06
Ich frage mich, wie ein (noch) näheres Heranrücken der EU an die NATO mit der österreichischen Neutralität vereinbar ist. Grundlage dieser Neutralität war ein Vertrag der 4 Besatzungsmächte (USA F GB UdSSR) von 1955 (?): Österreich wird als unabhängiger Staat wieder hergestellt, ist aber aussenpolitisch zur Neutralität verpflichtet. Gilt da das simple: Wo kein Kläger, da kein Richter…??
european
11. Januar 2023 @ 08:12
“Eine engere Kooperation sei auch im Weltraum, bei „disruptiven“ Technologien sowie beim Kampf gegen Desinformation und ausländische Einmischung nötig.”
Da schießen dem geneigten Leser doch die Lachtränen in die Augen. Der Brandstifter hat Angst vor Brandstiftung. 😀
Meiner Ansicht nach sieht die EU-Führung gerade ihre Felle davonschwimmen. Diese planlose Sanktionitis hat nicht nur nicht funktioniert, sondern sie versenkt gerade die EU wirtschaftlich und politisch. Die Chance auf eine engere Zusammenarbeit, der Souveränität Europas, ist auf lange Sicht vertan. Mit Ausnahme der Ukrainepolitik (noch) ist die EU zerstrittener denn je.