Stoltenbergs Bombe, Le Maires Warnung – und Schottland will raus bzw. rein

Die Watchlist Europa vom 29. Juni 2022

Der Nato-Gipfel beginnt mit einem Paukenschlag: Noch bevor die 30 Staats- und Regierungschefs der Militärallianz am Dienstag in Madrid eingetroffen waren, verkündete Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg eine massive Mobilmachung an der neuen Ostfront zu Russland.

Die Schnelle Eingreiftruppe der Nato soll von 40.000 Soldaten auf mehr als 300.000 verstärkt werden. Warum nicht 100.000 – oder 240.000, wie zunächst geplant? Wie kann es sein, dass Stoltenberg diese Bombe platzen lässt, noch bevor der Gipfel darüber diskutiert hat?

So ist das eben bei der Nato, alles ist schon vorher festgezurrt, sagen Insider. Tatsächlich ist es typisch für Bündnis, dass die USA und einige wenige Alliierte – in diesem Fall die Osteuropäer – die Linie im Vorfeld festlegen; Stoltenberg verkündet nur noch das Ergebnis.

Ist das noch defensiv?

Doch so darf es diesmal nicht laufen. So leicht darf es sich der Kriegsgipfel in Madrid nicht machen. Wer eine derart massive Aufstellung plant, die den defensiven Charakter der Nato infrage stellt und Russland direkt konfrontiert, muß sich der Debatte stellen.

Bisher hat Stoltenberg nicht erklären können, was er plant. Soll die Eingreiftruppe abschrecken – oder eingreifen? Soll sie als Reserve dienen, oder dauerhaft an die Front verlegt werden? Und wann soll sie überhaupt zur neuen Stärke aufwachsen?

Wenn es – wie bisher bei der Nato üblich – Jahre dauern sollte, so könnte die Truppe erst dann stehen, wenn der Krieg in der Ukraine längst vorbei ist.

Zurück in den Kalten Krieg

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Sie wäre dann keine Eingreiftruppe mehr, sondern eine Abschreckungsarmee. Sie würde den Krieg nicht beenden, sondern verlängern – in Gestalt eines neuen Kalten Krieges.

In Osteuropa würden sich dann bis an die Zähne bewaffnete Truppen gegenüberstehen. Wollen wir das? Und will Europa das? Dies wird die entscheidende Frage beim „historischen“ Gipfel in Madrid sein.

Kanzler Olaf Scholz und Präsident Emmanuel Macron müssen Stoltenberg und die Anhänger einer neuen Blockkonfrontation zur Rede stellen und voreilige Beschlüsse verhindern. Ansonsten können sie ihre Pläne für eine neue Friedensordnung in Europa vergessen.

Allzu viel dafür getan haben sie allerdings schon bisher nicht…

Siehe auch den Update hier. Mehr zur Nato hier

P.S. Am Dienstagabend hat die Türkei ihr Veto gegen den Nato-Beitritt von Finnland und Schweden zurückgezogen. Beim Gipfel wurde dies als “historisch gefeiert. Allerdings war zunächst unklar, welche Zugeständnisse die Anwärter dem türkischen Sultan Erdogan gemacht haben – und welche Hintertüren der Deal womöglich hat.

Watchlist

Rutscht nun auch Frankreich in die Schuldenkrise? Finanzminister Le Maire warnt schon mal, nachdem die Schuldenquote 114,5 Prozent erreicht hat – statt 60 Prozent wie im Maastricht-Vertrag erlaubt. Früher habe man null Prozent Zinsen auf die Schulden gezahlt, nun zwei Prozent, sagte er. Deshalb müsse Frankreich unbedingt sparen. Zunächst will Le Maire aber ein neues Ausgabenprogramm vorlegen – es soll den Bürgern gegen die schwindende Kaufkraft helfen…

Was fehlt

Die Rückkehr Schottlands in die EU. Die schottische Regierung plant ungeachtet der Ablehnung der britischen Regierung im kommenden Jahr eine neue Volksbefragung zur Unabhängigkeit. Zur Ankündigung der Ersten Ministerin Nicola Sturgeon veröffentlichte das Regionalparlament einen Gesetzentwurf mit dem Abstimmungsdatum 19. Oktober 2023. Sturgeon kündigte an, Premierminister Boris Johnson um eine formelle Genehmigung des Referendums zu bitten. Doch der ist strikt dagegen…