Wo Salvini Recht hat – Aus ALD(E) macht (Re)New

Ein halbes Jahr lang war die Schuldenkrise in Italien kein Thema. Die Europawahl war wichtiger. Doch nun hat es die EU-Kommission plötzlich sehr eilig – und droht dabei das Wichtigste zu vergessen.

Die EU hat den Druck auf Italien erhöht. Kurz vor einem Treffen der Eurogruppe in Luxemburg hat die EU-Kommission in Brüssel die Regierung in Rom aufgefordert, keine Zeit mehr zu verlieren und umgehend Maßnahmen zur Sanierung der Finanzen vorzuschlagen.

„Der Ball liegt nun ganz klar im italienischen Feld“, sagte Finanzkommissar Pierre Moscovici.

Vor einer Woche hatte die Behörde den Start eines Defizit-Verfahrens empfohlen, das mit Strafen in Milliarden-Höhe enden kann. Zur Begründung verwies Moscovici auf die Schuldenquote, die 2018 mit 132 Prozent der Wirtschaftsleistung weit über der EU-Grenze von 60 Prozent lag.

Niemand sollte anzweifeln, dass die EU die Regeln durchsetzt, betonte Moscovici am Mittwoch.

Dass die Schuldenquote in die Höhe schnellt, liegt allerdings nicht nur an neuen, umstrittenen Ausgabenprogrammen der Populisten in Rom. Es liegt auch daran, dass die Wirtschaft in Italien seit Jahren kaum noch wächst; zuletzt war sie sogar kurz in die Rezession gerutscht.

„Wir hoffen, dass Europa uns die Rückkehr zum Wachstum erlaubt“, sagte der starke Mann der Rechtspopulisten in Rom, Matteo Salvini. Recht hat er: Denn nur mit Wachstum kann die Schuldenquote, die sich auf das Bruttoinlandsprodukt bezieht, wieder sinken.

Von Wachstum ist in Brüssel jedoch kaum die Rede. Dabei stützen sich mögliche Sanktionen gegen Italien auf den Stabilitäts- und Wachstumspakt. Und ohne Wachstum, das muß jedem klar sein, wird das Land seinen Schuldenberg nie und nimmer abtragen können.

Statt neue Kürzungen von Rom zu verlangen, müßte Brüssel also dringend etwas tun, um die Konjunktur anzukurbeln.

Noch wäre Zeit, noch gefährdet Italien nicht die Stabilität des Euro. Doch wenn das Land nun gezwungen werden sollte, die Konjunktur mit einem weiteren “Sparprogramm” abzuwürgen, dann könnte ein Teufelskreis in Gang kommen.

Die Eurogruppe wäre daher gut beraten, nichts zu überstürzen – und erstmal die nächste Steuerschätzung aus Rom abzuwarten…

Siehe auch “Italien: So wirken die EU-Vorgaben (nicht)”

Watchlist

  • Wie groß wird die neue Rechtsfraktion im Europaparlament? Das dürfte sich zeigen, wenn die AfD am Donnerstag in Brüssel vor die Presse tritt. Neben dem AfD-Vorsitzenden Jörg Meuthen sollen auch Marine Le Pen vom französischen Rassemblement National, Harald Vilimsky von der FPÖ in Österreich und Marco Zanni von der italienischen Lega dabei sein. Lega-Chef Matteo Salvini hat schon den Namen der neuen Fraktion verraten: Sie soll  “Identity and Democracy” heißen, meldet “Politico”. Also ID – wie ID card!?

Was fehlt

  • Die Umbenennung der liberalen ALDE-Fraktion. Auf Druck von Frankreichs Macron soll die drittgrößte Fraktion im EU-Parlament künftig “Renew Europe” heißen. Aus ALD(E) mach’ (Re)New, sozusagen. Immerhin ist der neue Name Programm: Macron will die EU umkrempeln – und die konservative EVP entmachten. Doch das erste Opfer könnte Noch-ALDE-Chef Guy Verhofstadt sein. Auch Macrons Spitzenkandidatin Loiseau muß sich Sorgen machen; seit ihrem ersten, mißglückten Auftritt in Brüssel lachen selbst Liberale über sie…
  • Die wachsenden Zweifel an EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber – nun auch in der EVP. Weber habe nicht das passende Profil (keine Regierungserfahrung) und sei daher im Rat nur schwer zu vermitteln, soll Kroatiens Regierungschef Andrej Plenković, gesagt haben. Plenković gehört zu den sechs Koordinatoren, die bis zum nächsten EU-Gipfel ein Personaltableau erarbeiten sollen. Beim ersten Treffen am vergangenen Freitag konnte man sich jedoch auf keinen einzigen Namen einigen – die “Wahl der Chefs” wird schwierig…