So groß ist die soziale Krise

Was steckt hinter den gewalttätigen Protesten der „Gelbwesten“ (gilet jaunes)? Geht es den Franzosen nicht besser denn je? Das jedenfalls behauptet die EU-Kommission in ihrem Herbstgutachten. Über die Kehrseite der Medaille – die soziale Krise – redet Brüssel nicht so gern.

Dabei steht dazu einiges im „Jahreswachstumsbericht 2019“ der EU-Kommission. Man muss ihn nur genau lesen – und findet (fast) alle Probleme wieder, über die Gewerkschaften und soziale Bewegungen (bis hin zu den „gelben Westen“) klagen.

Hier eine kleine Zusammenstellung der wichtigsten Knackpunkte (alles 1:1 aus dem Kommissionsbericht entnommen, das Original steht hier, Hervorhebungen von mir):

  • Das Wirtschaftswachstum kommt nicht bei allen Bürgerinnen und Bürgern und in allen Ländern in gleichem Maße an.
  • Einige Mitgliedstaaten verzeichnen nach wie vor eine hohe Arbeitslosigkeit und unter dem Vorkrisenniveau liegende Haushaltseinkommen.
  • Dennoch ist die Erwerbstätigenarmut in mehreren Mitgliedstaaten hoch und steigt weiter. Insbesondere für Kinder, Menschen mit Behinderungen und Menschen mit Migrationshintergrund stellt das Risiko von Armut und sozialer Ausgrenzung nach wie vor ein Problem dar.
  • Zwar konnten die ärmsten Regionen seit 2010 ihren Wohlstand steigern, dennoch hat sich ihr wirtschaftlicher Rückstand zu reicheren Regionen vergrößert.
  • Wenngleich die Einkommensungleichheit in der EU niedriger ist als in anderen entwickelten Volkswirtschaften, liegt sie nach wie vor über dem Vorkrisenniveau.
  • Die Reallöhne wuchsen auch 2017 im Durchschnitt weniger stark als die Produktivität und setzten damit einen bereits seit Längerem bestehenden Trend fort.

In meinen Worten zusammengefaßt: Die Wunden der Finanz- und Eurokrisen und der von der EU vorgeschriebenen neoliberalen Austeritäts- und Arbeitsmarktpolitik sind noch lange nicht verheilt.

Von einem „sozialen Europa“ kann noch keine Rede sein, auf Junckers Nachfolger kommt verdammt viel Arbeit zu…

Siehe auch Von Konvergenz zu Divergenz – wie der Euro spaltet

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