Geht es auch ohne Lockdown?
Deutschland will den Lockdown bis in den Mai verlängern. Dabei geht es offenbar auch ohne Ausgangssperre – wie Schweden und die Niederlande zeigen.
Alle 27 EU-Länder sind im Ausnahmezustand. Alle? Nein! Zwei kleine Staaten haben trotz Coronakrise auf den totalen Lockdown verzichtet. Und sie verzeichnen erstaunliche Ergebnisse.
So liegt in Schweden die Zahl der Infizierten pro Million Einwohner mit 1181 deutlich unter Deutschland (1581, Quelle hier). Auch die Niederlande schneiden mit 1643 Fällen besser ab als das Nachbarland Belgien (2897).
Belgien steht trotz eines strikten Lockdowns, der sich an Frankreich anlehnt und schon eine Woche länger dauert als in Deutschland, sogar noch schlechter da als Europas Krisenzentrum Italien.
Die Todesfälle pro Million liegen in Belgien bei 383, in Italien bei 348. Die Vergleichszahlen für die Niederlande und Schweden sind 183 und 119. Deutschland ist mit 42 Fällen ein “Ausreißer” nach unten.
Was lässt sich aus diesen Zahlen lernen? Zum einen, dass ein langer und strikter Lockdown wie in Belgien nicht unbedingt bessere Ergebnisse zeitigt als ein vergleichsweise kurzer und laxer wie in Deutschland.
Zum anderen sieht es so aus, als könne es auch ohne Lockdown gehen. Zu diesem – vorläufigen – Ergebnis kommt nun sogar eine belgische Studie. Sie hat einen Vergleich mit den Niederlanden angestellt.
Das Ergebnis laut “Le Soir”: Strikte Ausgangssperren hätten nur eine minimale Auswirkung auf die Ausbreitung des Coronavirus. Sie könnten sogar kontraproduktiv sein…
Siehe auch “Die Maßnahmen wirken – wirklich?”
Ute Plass
16. April 2020 @ 09:45
Zahlen ohne Kontext haben nicht die notwendige Aussagekraft hinsichtlich der Beurteilung und Gefährdungseinschätzung dieser Corona-Krise.
file:///C:/Users/Ute%20Plass/Downloads/Thesenpapier%20zur%20Pandemie%20(1).pdf
Link dazu auch hier: https://www.praxiskollektiv.de/aktuelles-zu-covid-19/
Aufschlussreiche Infos aus hier: https://swprs.org/covid-19-hinweis-ii/#latest
Warum nicht auch Stimmen von weiteren Fachmenschen von politisch Verantwortlichen gehört werden bleibt mir, angesichts der mageren Basisdaten, auf die sich politische Entscheidungen unvorstellbaren Ausmaßes gründen, schleierhaft?
ebo
16. April 2020 @ 10:03
Gute Frage. Mir ist auch unerklärlich, warum die Erfahrungen aus den Niederlanden und Schweden nicht diskutiert werden. Auch regionale Erfolgsgeschichten, die es zuhauf gibt, spielen keine Rolle. Dabei wäre ein regionaler Exit-Ansatz womöglich viel versprechender als ein nationaler…
European
16. April 2020 @ 10:18
Es wird m.E. nur europaweit gehen, weil alle von Zulieferketten und Absatzmärkten abhängen. Was nützt ein nationaler Alleingang, wenn die anderen Länder noch am Boden liegen, weder etwas liefern, noch etwas abnehmen bzw. bezahlen können.
Außerdem sind wahrscheinlich neue Autos das letzte, woran Menschen denken. Vielleicht sollte gerade Deutschland jetzt mal mit seiner Binnenwirtschaft anfangen. 10.000 kommunale Brücken müssen in den nächsten 10 Jahren ersetzt werden, weitere 25000 sind sanierungsbedürftig. Und da sind wir noch nicht bei Straßen, Schienen, öffentlichen Gebäuden – z.B. Schulen – angelangt.
European
15. April 2020 @ 17:48
Ich denke, eine saubere Analyse wird helfen wenn der Spuk vorbei ist. Jetzt ist es noch zu früh und im Prinzip stochert man im Dunkeln. Man wird sehen, ob Schweden durchhält oder die Strategie ändert. UK wollte anfangs auch die Herdenimmunität und mittlerweile haben wir auch um die 1000 Tote pro Tag und der peak ist noch nicht in Sicht.
Wichtig ist z.B. auch wo die Epizentren sind. Heinsberg ist nicht vergleichbar mit Mailand. Warum hat es Italien und Spanien so unsagbar heftig getroffen und andere Länder nicht? Hat es wirklich etwas mit den Sparauflagen der letzten 10 Jahre zu tun? Wenn nicht, womit dann? Sind die Nordländer schlauer als die Südländer oder haben sie nur ganz einfach Glück gehabt und konnten sich besser vorbereiten?
Wer will die Verantwortung übernehmen?
Holly01
15. April 2020 @ 20:02
Es gibt auch noch andere Beispiele die Hoffnung geben:
” https://www.heise.de/tp/features/Die-Corona-Katastrophe-in-Portugal-ausgefallen-4702934.html ”
Ralf Streck über Portugal und seine (noch?) nicht entsolidarisierte Gesellschaft.
vlg
Günter Predl
16. April 2020 @ 09:09
Ob Portugal mit aktuell (15.4.20) 599 Todesopfern eine “ausgefallene Katastrophe” darstellt oder eher eine eingetretene, das können Sie im Vergleich der Staaten auf https://coronavirus.jhu.edu/map.html sehen. Die Zahlen der “getesteten und als infiziert erkannten” Personen sind Zahlen, die davon abhängen, wie oft und wer in dem jeweiligen Staat getestet wird und natürlich, ob ausreichend Test-Kits verfügbar sind. Diese Zahlen sind nicht signifikant. Wichtiger wäre, die Zahl der Einwohner eines Staates mit den dortigen Todesfällen ins Verhältnis zu setzen, was Rückschlüsse auf die Politik und das Gesundheitssystem des jeweiligen Staates zulässt. Natürlich sind diese beiden nicht die einzigen Parameter …
Portugal 10,8 Mio Ew. 599 Tote => 55.5 Tote je Mio Ew.
Niederlande 17,28 Mio Ew. 3.145 Tote => 182 Tote je Mio Ew.
Schweden 10,23 Mio Ew. 1.203 Tote => 117.6 Tote je Mio Ew.
Deutschland 83,02 Mio Ew. 3.804 Tote => 45.8 Tote je Mio Ew.
Österreich 8,859 Mio Ew 393 Tote => 44.36 Tote je Mio Ew.
Israel 8,884 Mio Ew. 132 Tote => 14.58 Tote je Ew.
Italien 60,36 Mio Ew. 21.645 Tote => 358.59 Tote je Mio Ew.
Spanien 46,94 Mio Ew. 18.812 Tote => 400.77 Tote je Mio Ew.
Sie können also selbst errechnen bzw sehen, wo welche “Wunder” geschehen sind.
ebo
16. April 2020 @ 09:21
Richtig ich nehme auch die Todesfälle pro Million. Wobei auch die Todesopfer unterschiedlich gezählt werden. Gerade Deutschland scheint möglichst “wenig” Opfer in die Statistik aufzunehmen, Belgien dagegen besonders viele (was man gerade wieder ändern will)
Kleopatra
17. April 2020 @ 07:15
Die gemeldeten Zahlen sind m.W. regelmäßig diejenigen Toten, bei denen eine Infektionfestgestellt wurde. Entscheidend ist aber nicht nur, ob jemand bei seinem Tod infiziert war, sondern woran er konkret gestorben ist. Und selbst hier kann man Fragen stellen; es ist z.B. bekannt, dass in sehr hohem Alter jede lange Bettlägerigkeit (etwa nach einem Knochenbruch) lebensgefährlich ist. Für belastbare Aussagen müsste am besten ein möglichst großer Anteil der Verstorbenen obduziert werden (was sich bei einer bisher nicht bekannten Krankheit ohnehin empfiehlt). Manche Pathologen scheinen zu dem Ergebnis gekommen zu sein, dass nahezu alle Verstorbenen gravierende andere Erkrankungen hatten, teilweise mehrfache. Wie teilt man die Kausalität auf? Wie sorgfältig prüft man, ob ein Verstorbener infiziert war?
Wenn die Ausstattung der Gesundheitsdienste in verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich ist, liegt es möglicherweise eher an der Sparpolitik der letzten Jahre als an gegenwärtigen seuchenhygienischen Maßnahmen. Nach einer neuen Studie sollen fast die Hälfte der in Italien gezählten Toten aus Pflegeheimen kommen, ähnlich in Spanien, Frankreich und Irland; dementsprechend wäre die Situation in Pflegeinrichtungen zu untersuchen. Die radikalen Reaktionen in Italien sind vielleicht vor allem dem Bedürfnis geschuldet, einer Bedrohung etwas möglichst Massives entgegenzusetzen. Aber wenn man die Wirtschaft massiv abwürgt, wird man keine Reserven haben, um in den nächsten Jahren mit ähnlichen Gefahren umzugehen.
Holly01
17. April 2020 @ 10:12
@ Kleopatra:
Es scheint auch bei den “wissenschaftlichen” Beiträgen viele der Meinungsmache zu dienen.
Ich habe gestern den Hinweis gefunden “Covid-19 schädigt das Nervensystem”.
Ok dachte ich, also eine neue variante beim Krankheitsverlauf.
nach etwas suchen und Quellen ablaufen kam heraus, das man in China wohl festgestellt hat, das Covid-19 wie eben fast alle Coronaviren auch Nervenschäden hervorrufen KANN. Nichts neues, nur dramatisiert.
Die Einzigen die auf Sicht fahren sind die Bürger. Die Entscheidungen erinnern mich an “So wie ich das verstehe, gilt das ab sofort..”
So etwas wie schlüssige Informationen zu haben, ist offensichtlich unmöglich, weil es (wie es scheint) keine ordentlichen Quellen gibt.
Die Kritik am RKI ist ja überall zu lesen.
Dieser Pathologe in Hamburg ist auch ein high-light. Warum keiner qualifiziert darauf eingeht, erweckt jedenfalls stark den Eindruck, das der Herr so falsch nicht liegen kann.
Gestern habe ich auf Tagesschau gelesen, das Deutschland gerade feststellt, das man überhaupt keine belastbaren zahlen zu Infektionen bei Pflegekräften hat.
Es gibt auch keine Meldepflicht oder ein zentrales Register.
Damit habe ich zwei Probleme.
Zum Einen erklärt das die Quellen nicht, die ich lese.
Zum Anderen muss das wohl diese Wertschätzung sein, von der gerade so viel gesprochen wird.
Auf welcher Grundlage arbeiten unsere Systeme eigentlich?
Wer legt denn da einfachste Standards fest?
Ich dachte es gibt da Gesetzesgrundlagen.
Warum ist Seehofer der schweigsame eigentlich noch im Amt?
Ist der nicht Risikogruppe und gehört nach Hause?
vlg