Schwach, schwächer, von der Leyen

Ist Ursula die Richtige? Nach der No-Show bei Schengen und beim Streit ums Europarecht wachsen die Zweifel an der deutschen Kommissionspräsidentin.

Wo war von der Leyen? Diese Frage stellten sich viele, als die EUKommission am Mittwoch ihre Pläne für den Sommerurlaub vorstellte. Bisher hat sie sich immer in die erste Reihe gedrängt, diesmal schob sie andere vor. Das muß kein schlechtes Zeichen sein, die mediale Präsenz der Kommissionschefin ist ohnehin nah an der Überdosis. Doch manch einer fragt sich, warum vdL die Gelegenheit nicht genutzt hat, den EU-Chefs die Leviten zu lesen.

Sie hätte die Öffnung der Schengen-Grenzen fordern können, so wie Ratspräsident Michel. Sie hätte ein Ultimatum formulieren können, so wie ihr Parteifreund D. Caspary. Sie hätte sogar mit EU-Verfahren drohen können.

Nichts davon hat sie gewagt. Das wird ihr nun als Schwäche ausgelegt – genau wie ihr Zögern beim EU-Budget, das schon zwei Wochen überfällig ist. Oder die No-Show beim Asylrecht, das eigentlich im April reformiert werden sollte.

Ihr Amtsvorgänger Juncker hätte nicht gezögert und auf das „Go“ der Staatschefs gewartet, unken manche. Von der Leyen sei ihrem Job nicht gewachsen, sagen andere. Zuletzt hat sogar „Bloomberg“ die Zweifel genährt.

„EU Officials Ask If They Have the Wrong Person Running the Show“ hieß die Geschichte, die am Montag lief, kurz nach dem Debakel um das Bundesverfassungsgericht, den EuGH und das Europarecht.

Auch da mußte von der Leyen zum Jagen getragen werden – der grüne Europaabgeordnete S. Giegold zwang sie mit einem offenen Brief zum Handeln und einem (möglichen) EU-Verfahren gegen Deutschland. Auch das spricht nicht für Führungsstärke.

Die große Frage ist jedoch, ob das ein Problem ist – oder genauso gewollt wurde. Von der Leyens Schwäche sei „ein Feature, kein Fehler“, schreibt Bloomberg – die EU-Chefs hätten eine schwache Kommission gewollt, um selbst den Ton anzugeben.

Da ist was dran, sie hätten ja auch die erfahrene Dänin Vestager nehmen können, um ein Beispiel zu nennen. Das Problem ist nur, dass nun auch die Chefs geschwächt sind – durch ihr kollektives Versagen in der Coronakrise.

Vor allem Frankreichs Staatschef Macron ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Dabei war er es, der von der Leyen aus dem Hut gezaubert hatte, um seine Macht zu mehren. Aber auch Kanzlerin Merkel ist nicht zu beneiden.

Merkel steht zwar vergleichsweise glänzend da. Doch bald schon muß sie, als EU-Ratspräsidentin, die Scherben zusammenkehren, die Corona und eine allzu schwache Kommission hinterlassen haben.

Dabei kann sie eigentlich nur verlieren…

Siehe auch „Eine neue Phase der Eurosklerose“ und „Jetzt wird es ernst, auch für Merkel“ sowie den Gastbeitrag „Schöne Reden sind nicht genug“

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Watchlist

Was ist eigentlich aus der Tracking-App für bzw. gegen Corona geworden? Darüber wollen am Donnerstag die Europaabgeordneten diskutieren. Sie sprechen auch über den Engpass bei Medikamenten und über über die umstrittenen Notstandsgesetze in Ungarn. Leider nur per Videokonferenz – die Parlamentarier trauen sich immer noch nicht nach Brüssel

Was fehlt

Die Warnung vor „Konsumnationalismus“. Ausgerechnet Agrarministerin Klöckner will eine Ausweitung der europäischen Corona-Hilfen für Landwirtschaft und Fischerei an die Entwicklung auf den Märkten knüpfen. Geld soll nur bekommen, wer (auch) aus deutschen Landen ißt – hat sie schon die Skandale um deutsches Fleisch und die Schlachthöfe vergessen?

Das Letzte

Ist COVID-19 doch nicht so gefährlich? Das fragen keine Verschwörungstheoretiker, sondern die EU-Staaten. Am Donnerstag wollen sie hinter verschlossenen Türen über die Einstufung des Virus beraten. Die EU-Kommisson will es nur auf die zweithöchste Warnstufe setzen, die Gewerkschaften warnen vor Gefahren für Arbeitnehmer. Mehr hier (externer Link)


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