Schulz hinterlässt Scherbenhaufen
In Deutschland ist er schon fast so beliebt wie Kanzlerin Merkel. Doch im Europaparlament hat SPD-Mann Schulz einen Scherbenhaufen hinterlassen. Ausgerechnet ein Berlusconi-Spezi könnte ihn nun beerben.
Irgendwie ist es nicht gut gelaufen mit Schulz‘ Abgang aus Brüssel. Erst hat er seine eigenen Leute düpiert, die noch 24 Stunden vor der Entscheidung nichts von seinem Wechsel nach Berlin wußten.
Dann hat einer von Schulz‘ engsten Vertrauten, der sozialdemokratische Fraktionschef Pitella, die GroKo mit den Konservativen aufgekündigt. Und sich gleich selbst zum Kandidaten ernannt.
Und weil Schulz fast nur deutsche Kungelrunden pflegte, macht sich nun auch noch eine antideutsche Stimmung im Europaparlament breit. Schulz hat einen Scherbenhaufen hinterlassen.
Theoretisch sollen nun in dieser Woche die Aufräumarbeiten beginnen – mit der Nominierung eines konservativen Kandidaten für die Schulz-Nachfolge. Doch auch das könnte in die Hose gehen.
Denn als aussichtsreicher Anwärter gilt ausgerechnet der ehemalige Berlusconi-Vertraute Tajani, ein aalglatter Italiener. Als Favoritin wird zwar die irische Abgeordnete McGuiness gehandelt.
Die ehemalige Journalistin ist aber einigen Konservativen nicht konservativ genug. Und ob die Sozialdemokraten McGuiness am Ende mittragen würden, ist auch noch längst nicht ausgemacht.
Die Genossen wirken nach Schulz‘ Abgang ohnehin ziemlich orientierungslos. Denn der hat das Europaparlament als Alleinunterhalter geführt, immer auf „Augenhöhe“ mit Präsidenten und Premiers.
Für die einfachen Sozis und ihre Anliegen hingegen hat sich Schulz kaum interessiert. Das rächt sich nun. Nur in Deutschland hat es scheinbar noch keiner gemerkt…
Georg Korfmacher
12. Dezember 2016 @ 14:48
Die Unfähigkeit und Inkompetenz zahlreicher Politiker ist kein Mangel der Demokratie, sondern eine Schande für diejenigen, die unsere Demokratie egoistisch ausnutzen. Schulz ist da ein Paradebeispiel. Irgendwann kommen auch die Deutschen drauf und können zeigen, ob sie den aktuellen Herausforderungen gewachsen sind.
Pjotr56
12. Dezember 2016 @ 12:57
In den nächsten Wochen pfuschen unsere Brüsseler Eliten den Scherbenhaufen wieder notdürftig zusammen und verkaufen uns den dann entstandenen Schrott als das nonplusultra, die Medien plappern ihnen untertänigst nach, und schon ist alles wieder in bester Ordnung.
Realistische Darstellungen der mannigfachen Scherbenhaufen in Brüssel und anderswo muss man mit der Lupe suchen.
S.B.
12. Dezember 2016 @ 10:14
„Für die einfachen Sozis und ihre Anliegen hingegen hat sich Schulz kaum interessiert. Das rächt sich nun. Nur in Deutschland hat es scheinbar noch keiner gemerkt…“
Die einfachen Sozis sind alle abhängig von ihren Staats-Jobs, die wiederum abhängig davon sind, dass sie als Parteisoldat immer schön brav mitmachen, was von oben diktiert wird. In so einer Abhängigkeits-Situation hält man sich mit der eigenen Meinung tunlichst zurück, um nicht plötzlich als von der Partei Fallengelassener auf der Verliererseite zu landen.
In den anderen etablierten, sozialistischen Einheitsparteien, sieht es selbstverständlich auch nicht besser aus.
Peter Nemschak
12. Dezember 2016 @ 11:10
Was Sie sagen, gilt für alle Parteien. Viele Abgeordnete sind für einen Job nach ihrem Ausscheiden aus der Politik ungeeignet und auf eine Versorgung durch ihre Partei angewiesen. Karenzierte Beamte haben eine Rückkehrmöglichkeit in ihren früheren Job, Angestellte in der Wirtschaft, vor allem ältere, oder Freiberufler, welche während ihrer politischen Tätigkeit Teile ihrer Klientel verloren haben, tun sich schwerer. Außerdem macht das Licht der Öffentlichkeit manche Menschen süchtig danach. Das altrömische Prinzip vom Pflug zum Diktator und wieder zurück zum Pflug hat in der Geschichte selten funktioniert.
S.B.
12. Dezember 2016 @ 11:59
@Peter Nemschak: „Was Sie sagen, gilt für alle Parteien.“ – Sage ich doch. 😉
„Das altrömische Prinzip vom Pflug zum Diktator und wieder zurück zum Pflug hat in der Geschichte selten funktioniert.“ – Das ist ein echter Pferdefuß in der Demokratie. Die Zeitdauer des Abgeordnetendaseins müsste eben eng begrenzt sein (eine Legislaturperiode wäre im Grunde ausreichend). Hinzu kommt, dass heutzutage in den Parlamenten sehr zahlreich Parteisoldaten sitzen, die einen Lebenslauf haben, mit dem sie in der freien Wirtschaft kein Bein auf die Erde bekommen würden. Solche Leute sind extrem abhängig von ihrem Abgeordneten-Job und daher nicht in der Lage, bei Abstimmungen konsequent eine eigene Meinung zu vertreten (so sie denn überhaupt eine haben):