Schuldiges Schweigen zu Israel, Streit über Asylrecht – und Europe’s Decline
Die Watchlist EUropa vom 15. Oktober 2024 – Heute mit News und Analysen zu Rechtsverstößen und Kriegsverbrechen in Nahost, zur Migrationspolitik und zur Wirtschaftskrise in der EU.
Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Im Alltag hat dieser Spruch seine Berechtigung, in der Außenpolitik nicht. Hier macht sich mitschuldig, wer zu Vergehen und Verbrechen seiner Partner schweigt.
Dies gilt auch für die EU und ihre Nahost-Politik. Bei einem Treffen in Luxemburg haben die EU-Außenminister zwar gerade noch die Kurve gekriegt und Israels Angriffe auf die Blauhelme im Libanon verurteilt.
Sie stellten eine „ernste Verletzung des internationalen Rechts“ dar und seien „völlig inakzeptabel“. Doch von Sanktionen oder anderen Konsequenzen war keine Rede. Nicht ‘mal das Freihandelsabkommen wird ausgesetzt.
Erklärung zu UNIFIL
Der Grund: Deutschland, Ungarn und Österreich stehen auf der Bremse, wenn es um Israel geht. Demgegenüber wollen Spanien, Frankreich und Italien endlich Taten sehen. Die EU-Länder blockieren sich gegenseitig.
Immerhin haben sie die UNIFIL-Mission in Schutz genommen. In einer gemeinsamen Erklärung mit Italien, Großbritannien und Frankreich betonte Deutschland deren “unentbehrliche stabilisierende Rolle” in der Region.
Doch andere empörende Vorgänge werden weiter ausgeblendet. Dazu zählt nicht nur der israelische Angriff auf ein Krankenhaus im Gazastreifen, bei dem mindestens vier Menschen getötet wurden. Es geht um mehr, viel mehr:
Empörende Vorgänge
___STEADY_PAYWALL___
- Die Regierung Netanjahu hat Gaza in Schutt und Asche gelegt und dort eine „vorsätzliche Strategie zur Zerstörung des Gesundheitssystems“ verfolgt.
- Sie will offenbar keinen Geiseldeal mit der Hamas mehr – vielmehr plant sie die Annexion des Gazastreifens.
- Die israelische Armee tötet palästinensische Kinder per Kopfschuss – manche Opfer sind erst 3 Jahre alt.
- Sie deckt und finanziert den Terror der radikalen Siedler im Westjordanland und zerstört so die Hoffnung auf eine Zweistaaten-Lösung.
- Sie bombardiert Beirut; am Montag kündigte Netanjahu weitere “erbarmungslose” Angriffe auf die libanesische Hauptstadt an.
- Last but not least bereitet sie einen “überraschenden, präzisen und tödlichen” Militärschlag gegen Iran vor.
Zu all dem schweigt die EU – und macht sich damit mitschuldig für die Folgen. Zudem führt es dazu, dass niemand mehr auf EUropa hört…
"Almost no-one listens to us anymore."
— Rosie Birchard (@RosieBirchard) October 14, 2024
Luxembourg's foreign minister Xavier Bettel says that amid deep EU divisions on the Middle East, the bloc is seen as mere "confetti" on the global stage.
"A lot of our people have questions and we don't have answers." pic.twitter.com/JmRJtAxVPb
News & Updates
- Streit übers Asylrecht weitet sich aus. Nach Ungarn und den Niederlanden will sich nun auch Polen nicht mehr an die EU-Asylregeln halten. „Der Staat muss wieder zu hundert Prozent die Kontrolle darüber zurückgewinnen, wer nach Polen kommt und einreist“, sagte Premier Tusk. Er werde die Anerkennung dieser Entscheidung in Brüssel einfordern. Migranten aus Belarus sollen abgewiesen werden, Flüchtlinge aus der Ukraine hingegen sind weiter willkommen. – Derweil kündigte Kommissionschefin von der Leyen eine Vorlage zur Schaffung von “Rückführungszentren” in Drittländern an. Bis vor kurzem galt das noch als rechtswidrig…
- Le Pen beteuert Unschuld. Die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen hat bei ihrer ersten Anhörung im Prozess um die Veruntreuung von EU-Geldern ihre Unschuld beteuert. “Ich habe absolut nicht den Eindruck, den geringsten Regelverstoß begangen zu haben”, sagte sie in Paris.
- Westbalkan muß weiter warten. Auf dem Weg zu einem EU-Beitritt der Westbalkan-Staaten ist bei einem Gipfel in Berlin ein Aktionsplan für einen gemeinsamen regionalen Markt auf den Weg gebracht worden. Von der Leyen lobte den Freihandels-Deal – doch ein Beitritts-Datum gab es nicht.
Das Letzte
Europas Niedergang. Die auf Wirtschaftsthemen spezialisierte amerikanische Nachrichtenagentur Bloomberg hat eine Serie zu “Europe’s decline” aufgelegt. Keine Pointe, der Titel sagt eigentlich alles. Die Texte (auf englisch) stehen hier.
Mehr Newsletter hier
Gabriel
16. Oktober 2024 @ 01:09
Der Anreißer aus dem Bloomberg Artikel ist eine gute Zusammenfassung der Lage, ebo.
“A combination of political paralysis, external threats and economic malaise is threatening to end the European Union’s ambitions to become a global force in its own right — pushing member states toward defending their own interests instead.”
Wenn man das kombiniert damit dass faktisch alle Afghanischen Frauen Asylanspruch in Europa haben sollen aufgrund ihres Geschlechts und der Diskriminierung durch die Taliban und wird uns werden vor einer erneuten Multi Millionen -auch Winter- Fluchtwelle aufgrund der Handlungen der Israelis stehen, kann man echt nur noch schwarz sehen. Man stelle sich einmal vor, was es für Standardverschiebungen, gerade auch für Einheimische bedeuten wird, diese Opfer aus Gaza und Libanon, neben denen aus der Ukraine hier integrieren und versorgen zu müssen.
Da ginge wieder mindestens das nächste Jahrzehnt für drauf an immer stärker begrenzten Sozialleistungen, wie es seit 2013/15 bereits -weniger schlimm- schon einmal geschah.
Kann nicht mehr, will nicht mehr.
Und dann müssen wir uns noch gegen die KI Invasion aus Kalifornien wappnen. Wie soll das alles gehen?
Das vor Ort dann mit immer weniger Mitteln, so wie Palmer dies eben für Tübingen bei Lanz beschrieb mit den Haushaltslöchern (bei ihm 40 Mill.) dürfte es so ziemlich in jeder (Groß)Stadt seien, weiß aus erster Hand dass es in meiner so ist.
Gabriel
16. Oktober 2024 @ 00:46
Der NYC Artikel ist wirklich harte Kost, wenn man es auch ahnen bzw wissen konnte aufgrund der Erschießungen durch Israel von Gaza Bewohnern, war das 2018? Wurde hier ja so gut wie nicht gezeigt im TV, konnte man nur online oder bei BBC, Channel 4 News oder sonstigen internationalen Sendern sehen.
Man fragt sich ob der IGH diese Beweisquelle die sich mit dem Artikel geradezu andient, nutzen wird und endlich einmal zu einer Entscheidung kommt oder nicht.
Michael
15. Oktober 2024 @ 09:33
Apropos Israel-UN lautet mein Mantra:
1971 wurde Taiwan zugunsten der VRChina von der UN Generalversammlung ausgeschlossen!
Nicht gänzlich ohne Parallelen oder Analogien sollte jetzt auch Israel als Kolonialstaat – nach Artikel 6, Absatz II der UN Charter – zugunsten eines souveränen Staates Palästina von der UN Generalversammlung ausgeschlossen werden! Angesichts der begangenen und andauernden Kolonialverbrechen, und nicht zuletzt eingedenk der dauernden Anwürfe und Beleidigungen des UN Generalsekretärs sowie aller UN Organisationen, der Mitgliedstaaten und der Weltöffentlichkeit durch die israelische Kolonialverwaltung, ist Israel, zumal als Kolonie und im postkolonialen Zeitalter, einer Mitgliedschaft nicht würdig!
In der Zwischenzeit erwarte ich dass alle israelischen Politiker, alle Israelis die in der IDF, einschließlich Geheimdiensten, gedient haben oder dienen, sowie alle Siedler von der EU mit strikten Einreiseverboten belegt werden, und bei Zuwiderhandlung wegen Kriegsverbrechen, einschließlich Genozid und Massenmord, angeklagt und verurteilt werden!
Arthur Dent
15. Oktober 2024 @ 09:17
Klingt nach einer weiteren Aufnahme von “Armenhäusern”, wie schon bei der EU-Osterweiterung 2004 und 2007. Polen gefällt sich in der Rolle des Nettoempfängers, hat bis heute den Euro nicht eingeführt und denkt gar nicht daran. Der deutsche Michel blecht und blecht und kommt auf keinen grünen Zweig. War schon mit dem Soli für den Wiederaufbau Ost so. In meiner Geldbörse als sozialversicherungspflichtiger Arbeitnehmer findet sich da kein Zuwachs wieder, im Gegenteil – mehr Beiträge für immer miserabler werdende Leistungen.
KK
15. Oktober 2024 @ 12:29
Apropos Polen… da wurde wohl der Teufel PiS mit dem Beelzebub Tusk ausgetrieben. An konkrete Absichten zur kompletten Aussetzung des Asylrechts durch die PiS kann ich mich jedenfalls nicht erinnern…
Aber Hauptsache, Tusk ist ein „Guter“, für den man die zurückgehaltenen Milliarden gleich nach Amtsantritt freigegeben hat… „man kennt sich“!
Gabiel
16. Oktober 2024 @ 00:41
Eben in einer Nachrichtensendung war es doch durchaus interessant zu sehen, wie eine linke pro Flüchtlingsaktivistin, letztlich das Argument der Pro Waffenlobby in den USA verwendete:”Nicht die Waffe ist das Problem, sondern die Leute die sie (falsch) benutzen” oder “Nicht die Flüchtlinge sind das Problem, die Belarussische Regierung die sie als Waffe benutzt ist es”.
Kleopatra
15. Oktober 2024 @ 09:10
Geiselnehmer, egal ob im normalen Leben als Bankräuber oder als Hamas-Terroristen, gehen immer das Risiko ein, dass die Seite, die sie erpressen wollen, stattdessen den Geiselnehmer erschießt. Israel war sonst in ungewöhnlichem Maß bereit, palästinensische Verbrecher im Austausch für israelische Geiseln freizulassen, aber darauf hat die Hamas keinen Anspruch. Da die Hamas den Gazastreifen zur Vorbereitung ihrer terroristischen Akte missbrauchte und die dortige Bevölkerung, auch soweit sie nicht der Hamas angehört, dies anscheinend auch mehrheitlich toleriert, hat sich Israel veranlasst gesehen, einzumarschieren.
Die Praxis der letzten Jahre beweist, dass es Israel nicht auf das Abschlachten von Palästinensern ankommt. H amas und Hisbollah hingegen koordinieren sich zum Ziel einer Vernichtung Israels und eines Genozids an den Juden. Was ist daran schwer zu begreifen?
Michael
15. Oktober 2024 @ 07:36
Schwer zu begreifen scheint mir nur zu sein zu verstehen wie schwer von Begriff Sie zu sein scheinen!
ebo
15. Oktober 2024 @ 09:33
Die Zahlen und Fakten sprechen eine andere Sprache.
KK
15. Oktober 2024 @ 12:31
Hält nicht der Staat Israel 2 Millionen Palästinenser seit Jahrzehnten als Geiseln, deren Wohl und Wehe allein vom goodwill Israels abhängt, im Gazastreifen?