Schulden ohne Regeln, Datensammeln ohne Grenzen – und Depression in Davos

Die Watchlist EUropa vom 24. Mai 2022 –

Erst war Corona schuld, nun muß der Ukrainekrieg herhalten: Bereits im dritten Jahr in Folge hat die EU-Kommission empfohlen, die umstrittenen strengen Schuldenregeln für die Eurozone auszusetzen. Sie sollten erst 2024 wieder gelten, sagte Kommissionsvize Valdis Dombrovskis. Gleichzeitig mahnte er Italien, Griechenland und andere Länder zum Sparen.

Der Krieg in der Ukraine, hohe Energiepreise und Probleme bei den Lieferketten schafften Unsicherheit, sagte Dombrovskis. Deshalb könnten die Regeln – Neuverschuldung unter 3 Prozent der Wirtschaftsleistung, Schuldenstand maximal 60 Prozent – auch im kommenden Jahr nicht umgesetzt werden. Das sei jedoch kein Freibrief zum Schuldenmachen.

“Wir schlagen keine Rückkehr zu unbegrenzten Ausgaben vor”, sekundierte Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni. Es sei jedoch auch nicht der Moment, den Gürtel enger zu schnallen. So empfiehlt Brüssel weiter Investitionen in den Klimaschutz und die Digitalisierung. Neu kommt auch noch die „Energie-Unabhängigkeit“ von Russland hinzu.

Dafür hatte die EU-Kommission in der vergangenen Woche einen Plan („Repower EU“) vorgelegt. Er ist mit massiven neuen Ausgaben verbunden, allein aus EU-Mitteln sind bis zu 300 Milliarden Euro vorgesehen. Gleichzeitig bricht jedoch das Wachstum ein. Statt mit 4,0 Prozent rechnet die Brüsseler Behörde in diesem Jahr nur noch mit 2,7 Prozent.

Ergebnis: Dringend benötigte Steuereinnahmen bleiben aus, die Neuverschuldung steigt, das Schulden-Problem wird immer größer.

EZB will die Zinsen erhöhen

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Dass die Europäischen Zentralbank nun auch noch die Zinsen anheben will, macht die Sache nicht besser. Im Gegenteil: Für hoch verschuldete Staaten wie Italien wird es durch den höheren Schuldendienst noch schwerer, die Vorgaben aus Brüssel zu erreichen.

Wie die EU-Kommission dieses Dilemma lösen will, ist unklar. Die Brüsseler Experten wirken ratlos und schieben das Problem vor sich her.

Selbst die versprochene Reform der Schuldenregeln kommt nicht voran. Der französische EU-Vorsitz wollte sie schon im Frühjahr eintüten. Doch nun werden erst im Sommer konkrete Vorschläge für eine Reform des Stabilitätspakts erwartet.

Die Spreads steigen wieder

Derweil häufen sich Warnungen vor einer neuen Krise. Die einen beschwören die Gefahr der Austeritätspolitik mit Sozialkürzungen herauf, andere fürchten eine neue Schuldenkrise.

„Während der Pandemie sind die Staatsschulden förmlich explodiert“, sagte der CSU-Finanzexperte und Europaabgeordnete Markus Ferber. „Nun steigen auch die Zinsen an. Das ist eine explosive Mischung.“

Denn je höher die Zinsen, desto höher der Schuldendienst, den die Staaten zahlen müssen. Für Länder wie Italien könnte das zum Problem werden. Jahrelang profitierten sie von den Nullzinsen, die “Spreads” (Risikoaufschläge) waren minimal.

Nun gehen sie langsam aber sicher wieder hoch…

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Watchlist

Was werden Nato-Generalsekretär Stoltenberg und EU-Kommissionschefin von der Leyen beim WEF in Davos sagen? Halten sie vielleicht dieselbe Rede zur Ukraine – mehr Waffen, mehr Sanktionen? Oder fällt den beiden Brüsseler Spitzen doch noch etwa Neues ein, vielleicht sogar mal was Ermutigendes? Am Dienstag werden wir es sehen, bzw. hören. Am Montag, dem ersten Tag, überwog die Depression. Ein Moderator eröffnete die Diskussion über die Lage der Weltwirtschaft mit der Frage an das Publikum, ob sie eine Rezession für möglich hielten. Die meisten der etwa 100 Zuhörer hoben die Hand…

Was fehlt

Die neue Rasterfahnung an den EU-Außengrenzen. Frontex und Europol wollen für alle Reisenden eine Datei anlegen und mit verschiedenen Datenbanken abgleichen. Die Auswertung soll mit KI erfolgen, berichtet M. Monroy auf Golem.de. Mit dem Vorab-Screening wollen die Agenturen Prognosen erstellen, ob die Reisenden womöglich gefährlich sind. Gelten künftig alle Touristen als mögliche Gefährder?