Scholz gegen Oettinger – GroKo sucht “Ambition”

Wie ernst ist die Schuldenkrise in Italien? Nicht nur die EU-Kommission schwankt in ihrer Einschätzung, wie die monatelange, taktisch bedingte Wahlpause beim Defizit-Verfahren zeigt. Auch deutsche Politiker sind durchaus unterschiedlicher Ansicht.

“Wir hätten bei einigen Ländern in der Eurozone früher eingreifen müssen, weil die Neuverschuldung zu stark zugenommen hat”, sagte der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU). “Nun ist es bei Italien eher fünf nach zwölf als fünf vor zwölf“.

Auch der grüne Finanzexperte Sven Giegold erklärte, an einem Defizitverfahren führe „kein Weg vorbei“. Gleichzeitig räumte er ein, dass Länder wie Italien “in Krisenzeiten mehr Spielraum für Ausgaben und Investitionsanreize” brauchen.

Nachdenklichere Töne kamen aus Berlin. Wie schon im Herbst setze er auch diesmal auf Gespräche mit der Regierung Rom, sagte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD). Die Eurozone sei stabil, das Problem lasse sich durch Verhandlungen lösen.

Gegen ein Defizitverfahren sprach sich Fabio de Masi von den Linken aus. “Ein Defizitverfahren gegen Italien verschärft die wirtschaftliche Misere und stärkt Matteo Salvini. Wo soll Italien mit einem Primärüberschuss – einem Haushaltsüberschuss vor Zinszahlungen – noch kürzen?

Von 1994 bis 2007 sei die Verschuldung Italiens von 117,2 Prozent auf 99,8 Prozent des BIP gesunken – ohne jede Schuldenbremse. Als jedoch die Staatsausgaben Italiens sanken, stieg die Verschuldung von 2009 bis 2015 von 112,5 Prozent auf 131,6 Prozent.

De Masis Fazit: “Sinnvoll wäre es stattdessen, öffentliche Investitionen über eine goldene Regel der Haushaltspolitik von den Defiziten auszunehmen.“ Doch das schließt die Bundesregierung strikt auch – nicht einmal Scholz denkt darüber nach…

Siehe auch “Wahl vorbei, Knüppel aus dem Sack”

Watchlist

  • Zum 75. Jahrestag der Landung alliierter Truppen in der Normandie (D-Day) kommt es am Donnerstag zu einem heiklen Treffen zwischen US-Präsident Donald Trump und Staatschef Emmanuel Macron. Auf der Tagesordnung stehen unter anderem die Terrorbekämpfung und die Handelspolitik. Anders als vor fünf Jahren war Russlands Zar Wladimir Putin diesmal nicht zu den Feierlichkeiten eingeladen.

Was fehlt

  • Die neue GroKo im Europaparlament. Konservative, Sozialdemokraten, Liberale und sogar Grüne wollen eine Art Koalitionsprogramm ausarbeiten, wie sie am Mittwochabend ankündigten. Was darin stehen soll, blieb offen. Es gehe um einen “politischen Prozess” mit dem Ziel, eine “gemeinsame Ambition” auszuarbeiten und eine “breite und stabile Mehrheit” für den nächsten Kommissionschef zu sichern. Doch wer der neue Chef sein soll, bleibt weiter offen. Es gehe um Politik statt Personen, so die Devise – doch um welche Politik? Die Gefahr wächst, dass am Ende der Wählerauftrag vergessen wird, genau wie im Rat! – Mehr dazu hier