Scholz führt nicht mehr, Erdogan folgt nicht mehr – und Draghi rüstet auf

Die Watchlist EUropa vom 03. September 2024 – Heute mit News und Analysen zu den Folgen der Landtagswahlen in Ostdeutschland, zur EU-Erweiterung und zur militarisierten Wirtschaftspolitik.

Wer bei mir Führung bestellt, bekommt sie auch, hat Kanzler Scholz ‘mal gesagt. Das war natürlich immer schon übertrieben. Scholz konnte allenfalls als Juniorpartner der USA führen – siehe Nord Stream und die Ukraine.

Bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen wurde auch diese wenig souveräne “Führung” abbestellt. Die Kanzlerpartei SPD wurde abgestraft, Scholz’ Ampelkoalition kam kaum noch über zehn Prozent.

Was folgt daraus auf EU-Ebene? Hat Putin auf dem Umweg über die Ex-DDR die Macht im größten EU-Land übernommen, wie manche Medien allen Ernstes behaupten? Steht ein neuer Faschismus ins Haus, muss Brüssel einschreiten?

In Brüssel ändert sich erstmal nichts

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Nein, das ist völlig übertrieben. Für die EU folgt aus dieser Wahl erstmal gar nichts. Kommissionschefin von der Leyen hat, gestützt auf Scholz und Frankreichs Macron, bei der Europawahl ihre Schäflein ins Trockene gebracht.

Sie wird ihre Politik nicht ändern, höchstens hier und da nachjustieren. Bei der Asyl- und Migrationspolitik erwarte ich neue Akzente in Richtung Abschottung und Abschiebung, so wie sie 15 EU-Staaten schon seit Monaten fordern.

Deutschland war bisher dagegen, nun wird sich Berlin dem europäischen Mainstream anschließen. Der Rechtsruck geht weiter, wie bei der Europawahl. Thüringen und Sachsen schreiben den Trend nur fort, sie ändern ihn nicht.

Deutsch-französisches Vakuum

Wenn sich doch etwas ändern sollte, dann wäre es die Führungsrolle, die Scholz beansprucht hat. Die kann er nun selbst in Deutschland nicht mehr einlösen – ebensowenig wie Macron, der auch knietief in der Krise steckt.

Ist das schlimm? Für von der Leyen nicht unbedingt – sie kann sich nun ein wenig von Berlin und Paris emanzipieren. Schlimm kann es allerdings werden, wenn andere das deutsch-französische Vakuum füllen.

Man denke nur an Selenskyj, Tusk, Kallas & Co. Bisher war Scholz einer der wenigen, die sich den radikalen und brandgefährlichen Forderungen der Hardliner aus Osteuropa entgegengestellt haben – etwa beim Taurus.

Wenn er nun nicht mehr auf seine ebenso unnachahmliche wie unbeliebte Art “führt”, kann das auf der EU-Ebene am Ende doch noch Konsequenzen haben, die vielen Wählern in Sachsen und Thüringen gar nicht passen dürften…

Siehe auch Französische Verhältnisse – oder belgische? und Wahlen in EUropa: Bloß nicht weiter so!?

P.S. In der Wirtschaft führt Scholz auch nicht mehr. Volkswagen will sparen (wie die Ampel) – nun drohen Werksschließungen und Entlassungen in Deutschland. Wenn es so weit kommt, kann die SPD einpacken, und das nicht nur im Osten…

News & Updates

  • Erweiterung: Erdogan will nicht mehr. Die Türkei wird neuerdings wieder stärker von der EU umworben. Auch die USA und die Nato suchen die Nähe von Sultan Erdogan. Doch der will nicht mehr – und hat nun einen offiziellen Antrag zur Aufnahme in das neue alternative Staatenbündnis BRICS gestellt. Ob er den Glauben in die EU verloren hat – oder die Bevormundung durch die USA und ihre Sanktionen leid war? Fest steht, dass die Türkei das erste Nato-Land ist, das mit Russland und China gemeinsame Sache machen will – die geben bei den BRICS den Ton an…
  • Der Corona-Aufbaufonds bringt’s nicht mehr. Er sollte die Wirtschaft in der EU nachhaltiger, krisenfester und digitaler machen. Doch das 2020 beschlossene Reform- und Konjunktur-Programm erweist sich als Flop. Mehr als drei Jahre nach dem Start wurde nur etwa die Hälfte der 724 Mrd. Euro aus dem schuldenfinanzierten Aufbauplan ausgezahlt. Noch weniger ist in der Wirtschaft angekommen, kritisiert der Europäische Rechnungshof. Sogar Deutschland dürfte seine Ziele verfehlen
  • Selenskyj preist Militär-Invasion in Kursk. Das muss man sich mal vorstellen: Ukraines Präsident Selenskyj trifft sich mit einem EU-Regierungschef und preist den umstrittenen ukrainischen Einmarsch in die russische Region Kursk. Doch es gibt keinen Widerspruch – im Gegenteil: Der Niederländer Schoof verspricht neue Militär-Hilfen! Zuvor hatte die Nato die Invasion offiziell abgesegnet… Mehr hier und hier.

Das Letzte

Draghi will Rüstungskonzerne mit Geld fluten. Als EZB-Chef hat Mario Draghi den Euro gerettet – durch Öffnung der Geldschleusen. Mit einem ähnlichen Rezept will er nun EUropas Waffenschmieden fördern. Dies geht aus einem geleakten Reformbericht hervor, den Draghi in Brüssel vorstellen will. Demnach soll es künftig eine “Buy European”-Klausel für Rüstungsgüter geben. Außerdem soll die EU-Kommission die Rüstungsbeschaffung über eine neue “Behörde für die Verteidigungsindustrie” steuern. – Bisher hat die EU bei der Rüstung nur begrenzte Kompetenzen; das Prä haben die Mitgliedsstaaten. Doch mit dem populistischen Verweis auf Putin und Trump versuchen einflußreiche Rüstungs-Lobbyisten, Geld aus dem EU-Budget frei zu schlagen. Das Timing ist perfekt: Von der Leyen will einen “Verteidigungskommissar” nominieren – da passt ihr Draghis Empfehlung sicher gut in den Kram…

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