Scheitert Macrons Kandidatin? – Blame Game beim Brexit

Die französische Kandidatin für die EU-Kommission ist bei ihrer Anhörung im Europaparlament unter Beschuss geraten. Dabei ist sie eine überzeugte Europäerin. Scheitert Sylvie Goulard?

Die Frau spricht fließend deutsch, sie hat mehrere Bücher veröffentlicht und kennt die EU-Verträge auswendig. Zudem saß sie schon viele Jahre im Europaparlament.

Dennoch schlug Sylvie Goulard bei ihrem Hearing in Brüssel massives Mißtrauen entgegen. Schuld daran sind zwei Affären, die von den Abgeordneten mächtig aufgebauscht wurden.

Zum einen geht es um Vorwürfe der Scheinbeschäftigung eines Assistenten. Die EU-Antibetrugsbehörde OLAF ermittelt, das Parlament selbst hat die Sache schon für erledigt erklärt.

Zum anderen gab es bohrende Fragen zu einem Berater-Job für die Berggruen-Stiftung. Da diese in den USA sitzt und 10.000 Euro im Monat zahlte, vermuten Kritiker einen Interessenkonflikt.

Dafür wäre eigentlich der Rechtsausschuss zuständig – doch der hat Goulard durchgewunken. „Zweierlei Maß“ sei das, wetterten französische Le Pen-Anhänger, aber auch deutsche Abgeordnete.

Im Streit um die Affären, die im Vergleich zu den millionenschweren Skandalen von Kommissionschefin von der Leyen harmlos wirken, gingen die Inhalte unter. Dabei sind die viel problematischer.

Goulard soll nämlich nicht nur Binnenmarktkommissarin werden, sondern auch die erste Rüstungsbeauftragte der EU-Kommission. Nebenbei will sie sich um die Digitalisierung kümmern.

Das passt nicht zusammen – es dürfte sogar einen EU-Profi wie Goulard überfordern. Die gab sich denn auch bescheiden – sie wolle nicht alles alleine regeln, sondern eine „Moderatorin“ sein.

Doch die demonstrative Bescheidenheit verfehlte ihre Wirkung. Die konservative EVP-Fraktion erklärte nach der Anhörung, „eine Wolke des Zweifels“ hänge über Goulard.

Oder meinte sie Macron? Der französische Staatschef hatte den deutschen EVP-Spitzenkandidaten Weber nach der Europawahl blockiert. Nun könnten sich die Konservativen an seiner Kandidatin rächen…

Mehr zu den Hearings hier (Beitrag für die taz). Neben Goulard müssen sich wahrscheinlich auch Wojciechowski (Polen) und Johansson (Schweden) einer weiteren Befragung stellen.

Watchlist

  • Wie reagiert die EU auf den Johnson-Plan zum Brexit? In einer ersten Stellungnahme gab sich Kommissionschef Juncker große Mühe, die Tür nicht zuzuschlagen. Es gebe zwar Probleme, doch man könne über alles reden. Offenbar hat er Angst, bei einem Nein beschuldigt zu werden, für den „No Deal“ verantwortlich zu sein, mit dem Johnson droht. Am Donnerstag dürfte man mehr erfahren – das „Blame Game“ ist in vollem Gange. – Mehr hier
  • Planen Deutschland und Frankreich schon den nächsten Aufschub beim Brexit? Das behauptet die „Financial Times“ – freilich ohne überzeugende Belege zu nennen. Aus Berlin zitiert sie MdB Röttgen, der für eine lange Verlängerung plädiert. Doch aus Paris gibt es keine Aussagen, die in diese Richtung weisen. Im Gegenteil: Präsident Macron hat wiederholt gesagt, an Halloween müsse Schluß sein…

Was fehlt

  • Die Flüchtlingskrise in Griechenland. Nach neuen Massenankünften aus der Türkei und einem feurigen Aufstand auf Lesbos reist Bundesinnenminister Seehofer am Donnerstag nach Ankara, um über den Flüchtlings-Deal zu sprechen, den Kanzlerin Merkel mit Sultan Erdogan getroffen hatte. Ob er die türkische Regierung zur Ordnung ruft – oder mehr Geld verspricht? – Mehr dazu hier
  • Der neue Zollhammer made in USA. Er soll am 18. Oktober kommen, hieß es am Mittwochabend in Washington. Bei der Einfuhr von Flugzeugen aus der EU soll eine zusätzliche Abgabe von zehn Prozent erhoben werden, bei zahlreichen anderen Produkten wird es ein Strafzoll von 25 Prozent sein. Die USA reagieren damit auf Subventionen bei Airbus, die EU droht mitt Vergeltung.