Schäuble, ein Missverständnis

Finanzminister Schäuble ist mit den jüngsten Entwicklungen der Eurokrise offenbar überfordert. Bei der Jahrestagung von IWF und Weltbank in Japan machte er eine schlechte Figur, wie SPON meldet. Kurz darauf, in Singapur, vollzog er einen abenteuerlichen Schwenk – und schloss eine Staatspleite in Griechenland kategorisch aus. Dabei hatte er selbst immer wieder mit dem “Grexit” gedroht. Nun ist er vom Tisch – genau, wie ich bereits vor Wochen in diesem Blog prophezeit habe.

Was ist nur mit Wolfgang Schäuble los? Auf der Jahrestagung von IWF und Weltbank in Tokio trat er noch als Hardliner auf: Griechenland müsse die Sparauflagen umsetzen, über das weitere Vorgehen werde erst nach dem Bericht der internationalen Troika entschieden, der für Ende Oktober erwartet wird. Damit verärgerte der oberste deutsche Kassenwart die  IWF-Chefin Lagarde, die sich für einen neuen Schuldenschnitt und die Streckung der umstrittenen Sparpläne ausgesprochen hatte. 

Er widersprach auch dem deutschen Vertreter in der EZB, Jörg Asmussen. Der hatte vorgeschlagen, die hohe Schuldenquote Griechenlands durch den Rückkauf von Staatsanleihen zu senken. „Ich habe mir angewöhnt, nicht jeden Vorschlag, den ich flüchtig gelesen habe, gleich zu kommentieren“, bluffte Schäuble zurück. Die EZB solle sich mit öffentlichen Vorschlägen zurückhalten, zunächst müsse man den Druck auf Athen fortsetzen.

Doch kaum war Schäuble in Singapur, der zweiten Station seiner Asienreise, angekommen, klang alles ganz anders. „There will not be a Staatsbankrott“, eine Pleite werde es nicht geben, sagte er am Sonntagmorgen in der Deutsch-Singapurischen Industrie- und Außenhandelskammer. Zudem betonte er, es habe “keinen Sinn, über den Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone zu spekulieren”. Deutschland wolle Griechenland wo immer möglich helfen.

Dabei hatte Schäuble noch im Frühjahr selbst mit einem „Grexit“ gedroht, falls die Griechen die falsche Regierung wählen sollten. Und noch vor einer Woche, beim Treffen der Eurogruppe in Luxemburg, hatte er sich für ein Ultimatum bis zum EU-Gipfel am Donnerstag dieser Woche ausgesprochen. Wenn bis dahin nicht alle 90 Spar- und Reformvorgaben umgesetzt seien, dann werde es keine weitere Finanzhilfe mehr geben, warnte Schäuble.

Wie der plötzliche Sinneswandel zustande kam, blieb zunächst offen. Vielleicht liegt es ja an der Troika: Nach einem Bericht des „Spiegel“ fordern die Experten von IWF, EU und Europäischer Zentralbank, Griechenland zwei Jahre mehr Zeit für die Umsetzung der Sparpläne zu geben. Vielleicht liegt es aber auch an Kanzlerin Merkel, die schon letzte Woche bei ihrem Besuch in Athen für einen Verbleib des Landes im Euro plädiert hatte.

Fest steht: Mit seinem Schlingerkurs hat sich Schäuble für höhere Ämter disqualifiziert. Seine Nominierung zum neuen Chef der Eurogruppe, die noch vor wenigen Monaten von der deutschen Presse gefeiert wurde, hat sich vorerst erledigt. In seiner aktuellen Form darf Schäuble schon froh sein, wenn er bis zur Bundestagswahl durchhält. Selbst die einst erwogene Rotation mit Frankreichs Finanzminister Moscovcii ist vom Tisch.

Wie weit er von der Realität entfernt ist, zeigen nicht nur seine Äußerungen zu Griechenland, sondern auch jene zu Spanien. Das jüngste Downgrading durch S&P nannte Schäuble ein “Missverständnis”. Dabei kam es angesichts der Mega-Krise in dem Land alles andere als überraschend. Das eigentliche Missverständnis ist wohl Schäuble selbst…

Siehe zu diesem Beitrag auch meine aktuelle Umfrage: Wie lange bleibt Griechenland noch im Euro?

Illustration: Face Art© Eberhard Bonse Düsseldorf