Wut auf Schäuble
Kurz vor der entscheidenden Eurogruppen-Sitzung wächst die Wut über Finanzminister Schäuble. Erst wollte er an Zypern ein Exempel statuieren, nun diktiert er Nikosia auch noch das “Geschäftsmodell”.
Luxemburgs Außenminister Asselborn findet das nicht gut. Schäuble solle aufhören, anderen Vorschriften zu machen. Schließlich habe auch sein Land einen großen Bankensektor (er ist sogar größer als in Zypern).
Deutschland solle die Warnung aus dem Großherzogtum ernst nehmen, warnt Asselborn (Quelle: dpa/Tageblatt):
“Das ist kein Humor. Das ist etwas, wo man sich in Berlin wirklich sehr gut überlegen sollte, wie man hier verschiedene Länder trifft”, sagte Asselborn. “Es gibt keinen Menschen, der sagt, die Automobilindustrie oder die Waffenindustrie ist überproportioniert in Deutschland.” Man müsse “aufpassen, vor allem aus Berlin, dass keine Töne kommen, die wirklich verletzend sind”.
Asselborn steht nicht allein. Der “Frust über die deutsche Dominanz in der Euro-Gruppe” hat nun sogar die “”Welt” aufgeschreckt, deren Korrespondenten sonst jedes Wort ihres Meisters nachbeten.
Das konservative Blatt bringt einen Bericht der Nachrichtenagentur Reuters, in dem ein langjähriger Mitarbeiter der Euro-Arbeitzsgruppe ‘mal so richtig auspackt:
Dijsselbloem sei bewusst ausgewählt worden als Nachfolger des Luxemburgers Jean-Claude Juncker an der Spitze der Euro-Gruppe, weil er noch ein politisches Leichtgewicht sei und von Schäuble gesteuert werden könne.
Als skandalös bezeichnete er die Äußerung Schäubles, wer sein Geld in Länder wie Zypern stecke, die mit hohen Zinsen und niedrigen Steuern lockten, ginge eben ein Risiko ein. “Was ist das für eine Botschaft an Investoren, die wir dringend für mehr Wachstum in Europa brauchen?”
Da muss schon ziemlich dicke Luft herrschen, dass solche Äußerungen öffentlich gemacht werden – und dass die kreuzbrave, Merkel ergebene deutsche Presse endlich einsteigt.
Bisher war so ‘was ja nur in diesem Blog zu lesen – und wurde mir als “Deutschland-Feindlichkeit” ausgelegt… Mehr zur deutschen Dominanz hier, zu Dijsselbloem hier. Zu Schäuble z.B. hier
Cristina Costa (@EJournalism)
25. März 2013 @ 01:04
Ich bin froh, dass es noch Leute gibt, die auf Deutsch so unabhängig aus Brüssel berichten. Danke
Anti-Euro
25. März 2013 @ 00:51
Wir sollen also zahlen und Maul halten ! Nicht nur, dass wir sowieso fast nichts in der EU
und der EZB zu sagen haben im Verhältnis zur Bevölkerungszahl und dem finanziellen Beitrag den wir für diesen Sauladen EU zahlen. Wir dürfen auch noch nicht einmal anmahnen, dass die Empfänger unserer sauerverdienten Steuermilliarden auch ihre Hausaufgaben machen sollen (eine funktionierende Steuerbehörde, Katasteramt, z.B. Lohn- und Rentenkürzungen, längere Lebensarbeitszeiten -wie auch in Deutschland- weniger Aufrüstung usw.).
Das wird schon als Anmaßung empfunden und der Stolz dieser Bankrotteure wird verletzt !
Ich kann nur sagen: Deutschland raus aus den Euro ! Sollen die Olivenländer weiterwursteln wie sie wollen aber ohne unser Geld. WfD wählen !
ein denkender Mensch
24. März 2013 @ 11:14
Es ist halt Krieg, die kleine Enteignungsaktion ein Kollateralschaden. Mal ehrlich, läuft doch eigentlich ganz gut für uns.
Johannes
24. März 2013 @ 04:36
Wer ein Problem mit der Dominanz von Deutschland hat braucht einfach nur den großen, deutschen Anteil an den Rettungsmillarden übernehmen und schon hat er das Wort. Ganz einfache Geschichte. Also Luxemburg, dann leg mal los. Wer das Geld nicht hat, und deutsches will, muss das hinnehmen, oder den Euro verlassen.
Johannes
24. März 2013 @ 04:31
Verkehrte Welt – Zypern hat ein kaputtes Geschäftsprinzip das auf Kosten der anderen Euroländer funktioniert, z.B. durch Steuerdumping und gigantische Zinsen. Wir erinnern uns, während wir Deutsche nicht mal 1% Zinsen wegen der Eurokrise seit Jahren bekommen, gönnten sich die Menschen auf Zypern 7% Zinsen, teilweise sogar 8%. Davon kann ich nur träumen. Jahrelang haben die Bürger gut von ihrem Steuerdumping profitiert während sich viele Firmen und Konzerne gegen Firmensitze in Deutschland, Frankreich und Co entschieden zu gunsten von Zypern. Das man das Geschäftsprinzip von Zypern nicht mehr hinnehmen will, ist doch völlig verständlich. Es funktiniert nicht und wir in Deutschland sollen das weiter dennoch weiter finanzieren??? Jeder meckert gegen die Finanzmärkte, aber bei Zypern verlange einige plötzlich eine Ausnahme??? Der Euro wird immer asozialer, egal ob Nord- oder Südeuropa.
Mainfranke
24. März 2013 @ 17:08
Na ja, das Geschäftsmodell hat schon funktioniert. Die zyprischen Banken sind ja durch den Schuldenschnitt Griechenlands in die Bredouille gekommen. Dass dieses ach so riskante Geschäftsmodell angeblich für die Probleme Zyperns verantwortlich sein soll, ist wieder mal die übliche Volksverdummung.
Die EU nutzt jetzt die Gelegenheit um die Zyprioten auf Linie zu bringen.
Wenn sie das mit sich machen lassen, bricht ihnen künftig das Einkommen weg, da die Russen ihr Geld abziehen werden.
Die orthodoxe Kirche Zyperns ist stark in der Wirtschaft eingebunden, daher verwundert es nicht, dass das religiöse Oberhaupt fordert, aus dem Euro auszutreten.
Dazu müssten sie zugleich aus der EU austreten, und könnten dann weitermachen wie zuvor.
Ich vermute mal, dass die EU-Forderungen erst mal erfüllen, um den Bankrott zu vermeiden,
und danach den Austritt vorbereiten.
ebo
24. März 2013 @ 17:21
Genau, Volksverdummung. Wird aber von FAZ bis SZ überall nachgebetet. Schuld an dem Debakel sind Schäubles idiotischen Rettungsmaßnahmen in GR. Erst tat er so, als seien die Russen schuld, nun hat er das Geschäftsmodell auf dem Kieker. Zudem verschärft er die Krise, indem er Bail-in fordert. Aber auch da wird von niemandem hinterfragt.
Melina
24. März 2013 @ 03:19
Nachtrag:
Früher hat man wenigstens noch diplomatische Mindesstandards eingehalten,
und von anderen EU-Ländern als “Partnern” und “befreundet” gesprochen. Heute diffamieren Merkel & Co diese Länder als “unbedeutend” und reduzieren sie auf Geschäftsmodelle, die ihren Interessen im Wege stehen.
Ich kann unsere europäichen Freunde verstehen, wenn sie sich von uns abwenden.
Was für eine bittere Zwischenbilanz auf dem Weg zu einer echten europäischen Union!
Melina
24. März 2013 @ 03:06
ebo,
du hast mich da auf einen interessanten Gedanken gebracht.
Man stelle sich einmal folgendes Szenario vor: Deutschland hat aufgrund seiner
desaströsen Austeritätspolitik den europäischen Binnenmarkt komplett verloren,
außereuropäsiche Märkte gehen wegen anderer Ursachen in die Knie und schließlich
geraten die Banken ins Wanken. Dann kommt der auf wundersame Weise auferstandene
EU-Club Med und diktiert den Germanen, wie sie in hundert Jahren bei Wasser und Brot
wieder auf die Füße kommen können. Was denkst du, was DAS für Schlagzeilen
produzieren würde? Erpressung, Okkupation, Versklavung wären noch die harmlosesten
Ausdrücke.
Auf einigen französischen Blogs habe ich gelesen, dass das Vorgehen der Troika im Falle Zyperns bei nicht wenigen Politikern und Wissenschaftlern als “Act of aggression” nach dem Rome Statute interpretiert wird und dass man sich darüber ernste Gedanken macht. Das muss man sich mal vorstellen! In unserem wunderbaren Europa des 21. Jahrhunderts, nach Jahrzehnten friedlicher Koexistenz, denken Menschen ernsthaft darüber nach, Deutschland wegen völkerrechtlicher Vergehen anzuklagen, weil reihenweise Verstöße gegen die Souveränität von EU-Mitgliedsländern mit offenkundigen Drohungen von massiven wirtschaftlichen Sanktionen bis hin zur Lahmlegung eines Landes stattfinden.
In Zypern wird das Bargeld knapp, können weder Gehälter noch Renten überwiesen und ausgezahlt werde, müssen Tankstellen und Supermärkte schließen und kleine Firmen ihre Leute erst mal entlassen, weil eine von niemandem demokratisch gewählte Organisation das ganze Land von seinen vitalen Wirtschaftsprozessen abschneidet. Auch wenn ich von Völkerrecht wenig bis gar nichts verstehe, das kann einen schon sprachlos machen!
Hyperlokal
23. März 2013 @ 20:01
Asselborn kann nicht im Ernst die Automobilindustrie in Deutschland vergleichen mit dem Bankensektor in Luxemburg. Natürlich geht den Luxemburgern jetzt die Flatter. Mit Zypern wird ja auch ihr Geschäftsmodell in Frage gestellt und zwar berechtigt. Daher die Polemik von Asselborn. Aber es gilt, überall die Allmacht der Banken zu brechen, egal ob in Zypern, Luxemburg oder GB (London)..Das hat mit der Größe der Länder zunächst einmal nichts zu tun.
ebo
23. März 2013 @ 20:50
@Hyperlokal Asselborn meint es wohl nicht wörtlich. Aber was wäre, wenn Deutschland in eine Schieflage käme – und die Troika würde anordnen, die Exportlastigkeit der dt. Industrie zu beschneiden? Und wieso schlägt Schäuble auf Zypern unbarmherzig zu, verschont aber Irland? Die Iren mussten kein “Bail-in” leisten…
Andres Müller
23. März 2013 @ 22:26
Wegen den USA @ebo Irland ist so etwas wie die transzendente Heimat der US-Amerikaner. Derart verbale Missgeschicke und Vorurteile gegen die Iren, da wäre der US-Finanzminister schon im nächsten Jetstream nach Europa unterwegs und würde Schäuble zurechtweisen.
ebo
23. März 2013 @ 23:10
Stimmt auf Zypern geht es ja nur um Russen, für die hat nicht mal die SPD Respekt…
Andres Müller
23. März 2013 @ 23:49
Selbst Zwergschimpansen teilen ihre Nahrung freiwillig mit fremden Artgenossen, sofern ihnen soziale Kontakte winken. Ich vermute das die EU Partei -Obersten ( wie auch der Malta Finanzminister erkannte) keinen Bedarf haben mit Zyprioten in näherem Kontakt zu verbleiben.
Hyperlokal
24. März 2013 @ 09:01
Natürlich muss auch Irland sein Geschäftsmodell ändern. Man muss halt irgendwo anfangen. Dass es die Zyprioten erwischt hat, liegt daran, dass sie gerade in der Klemme stecken. Freiwillig wird von den Ländern mit den dicken Finanzzentren keiner verzichten..
ebo
24. März 2013 @ 10:21
@Hyperlokal Das glaubst Du doch selbst nicht. Irland ist vollgepumpt mit deutschem, britischem, amerikanischem Kapital. Das muss UNBEDINGT gerettet werden. Und wo soll denn z.B. Apple bleiben, wenn Irland sein Geschäftsmodell ändert?
actro
23. März 2013 @ 20:00
Warten wir einfach, bis Mutti ihm ihr “unengeschränktes Vertrauen” ausspricht..
Melina
23. März 2013 @ 19:03
Als ich den Artikel in der Welt gelesen hatte, rieb ich mir auch verwundert die Augen. Andererseits ist es nicht ganz so verwunderlich, dass doch einmal etwas durchdringt von dem Frust über die zunehmende Arroganz und die Machtansprüche unseres Dream Teams. Das ist aber nichts gegen die absolut gerechtfertigte Empörung, die man in vielen Auslandsmedien nachlesen kann. Noch nie war das Image Deutschlands innerhalb der EU so negativ wie heute und es ist kein Wunder, dasslangsam die Angst wächst. Ein teutonisches Schreckgespenst geht um in Europa, doch der Widerstand
regt sich. Und das ist gut so.
Dass der Unmut nun sogar Schatten in Tante Friedes heile “Welt” wirft, finde ich allerdings schon erstaunlich. Aber wer weiß, vielleicht ist das ja auch nur ein taktisches Manöver, um Solidarität mit dem armen Herrn S. aufzubauen, falls ein größeres Gewitter hereinbricht. Die Zeichen stehen nämlich auf Sturm.
TR0LL
23. März 2013 @ 18:10
“Niemand hat die Absicht, eine Zwangsabgabe einuführen.” A.Merkel