Sarkozys neue Provokation

Inszenierter Jubel in Paris, betretenes Schweigen in Berlin

Frankreichs Noch-Präsident Sarkozy hat mit einem Austritt aus der Schengen-Zone gedroht. Wenn die EU nicht binnen eines Jahres Fortschritte beim Schutz der Außengrenzen mache, werde Frankreich das Abkommen für den freien Grenzverkehr „suspendieren“, sagte er bei einer Wahlkampfveranstaltung in Villepinte bei Paris. Mit diesem Ultimatum blamiert der Wahlkämpfer Sarkozy Kanzlerin Merkel, die ihm einen politischen Freibrief ausgestellt hatte. Auch Außenminister Westerwelle steht dumm da.

„Ich unterstütze Nicolas Sarkozy, egal was er tut“, sagte Merkel bei einem Besuch in Paris Anfang Februar. Da er zur konservativen europäischen Parteienfamilie EVP gehöre, stehe sie im Wahlkampf selbstverständlich hinter ihm. Dass sie es ernst meinte, machte sie mit einem Boykott des sozialistischen Sarkozy-Herausforderers Hollande klar (siehe mein Beitrag „Angst vor Alternativen“). Nur inhaltlich legte sich die Kanzlerin nicht fest.

Das dürfte sie nun bitter bereuen. Denn wie schon im vergangenen Sommer, als Sarkozy mit dem damaligen italienischen Premier Berlusconi um die härteste Flüchtlingspolitik wetteiferte (siehe „Duell der Populisten“), fischt Sarkozy auch diesmal wieder am rechten Rand des franzöischen Parteienspektrums. Offenbar will er die Wähler des rechtsextremen Front National ködern – dabei hat sich der Ansturm von Flüchtlingen aus Nordafrika längst gelegt.

Wie ein begossener Pudel steht auch Bundesaußenminister Westerwelle da. Noch am Wochenende hatte er vor der Wiedereinführung von Grenzkontrollen und dem aufflammenden Nationalismus in der EU gewarnt und eine neue Integrationsdebatte gefordert (siehe „Westerwelles neue Mission“). Nun muß er hilflos mitansehen, wie Merkel wichtigster Verbündeter genau jene Debatte anzettelt, die er verhindern wollte.

Unangenehm dürfte Westerwelle und Merkel auch Sarkozys Forderung sein, eine „Buy European“-Klausel im EU-Recht einzuführen. Zwar kann man darüber angesichts der Welle von Importen aus China durchaus geteilter Meinung sein; schließlich hat ja auch die USA ihre „Buy american“-Klausel. Doch Deutschland setzt auf ungehinderten Merkelantismus, pardon Merkantilismus. Jede Art von Protektionismus kommt da äußerst ungelegen.

Man darf gespannt sein, wie Berlin reagiert, wenn Sarkozy noch mehr um sich schlägt. Bisher herrscht betretenes Schweigen. Doch angesichts der miserablen Umfragen ist Sarkozy zu allem fähig. Die Drohung mit dem Schengen-Austritt war vermutlich erst der Anfang…


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