Russland und Türkei verschieben Grenzen – und die EU schaut zu

Erst Syrien, dann Libyen, nun Nord-Karabach: Immer wieder intervenieren Russland und die Türkei in fremden Ländern, immer wieder verschieben sie Grenzen nach ihrem Gutdünken. Die EU schaut zu, der deutsche Ratsvorsitz glänzt durch Untätigkeit.

Man könne und werde es nicht dulden, wenn in Europa wieder Grenzen verschoben würden, hieß es in Brüssel und Berlin nach der (friedlichen) Annexion der Krim durch Russland. Zur Bekräftigung verhängte die EU Sanktionen, die auch heute noch gelten.

Doch nun, da Grenzen mit militärischen Mitteln verschoben werden, da die Türkei syrische Söldner und Islamisten verschickt und sogar bei den EU-Partnern Aserbaidschan und Armenien interveniert, passiert – nichts. Der deutsche EU-Vorsitz glänzt durch Untätigkeit.

Es ist eine viel sagende, suspekte Untätigkeit. Sie steht nicht nur in scharfem Kontrast zum entschiedenen Handeln auf der Krim. Sie reiht sich auch ein in die deutsche Kumpanei mit der Türkei, wenn es um Provokationen gegen Griechenland und Zypern geht.

Doch eine offene Debatte über das Versagen der EU und das Schweigen Deutschlands findet nicht statt. Immerhin beklagen sich einige Medien und Experten über den kläglichen, wenn auch wohl nicht ganz zufälligen Zustand der europäischen Außenpolitik.

Hier ein paar Beispiele, zunächst auf “Le Temps” in der Schweiz. Am Beispiel von Bergkarabach sehe man erneut, wer geopolitisch den Ton angibt, konstatiert die Zeitung (zitiert nach Eurotopics): 

„Russland und die Türkei sind hier die Sieger und prägen die diplomatische Landschaft von morgen, zulasten des Westens. … Die beiden Länder sind praktisch unzertrennlich geworden. Zugegebenermaßen stehen sie oft auf entgegengesetzten Seiten. Aber ihre Führer haben eines gemeinsam: ihre zunehmend frontale Ablehnung des Westens. Die Vorgehensweise ist inzwischen erprobt und hat sich bewährt. Moskau und Ankara krallen sich Gebiete, die durch den Rückzug der USA und die Dysfunktionalität Europas aufgegeben wurden; sie nutzen alle verfügbaren Mittel, um sich selbst in den Mittelpunkt des Spiels zu stellen; dann sabotieren sie den ehemals multilateralen Rahmen und ersetzen ihn durch eine maßgeschneiderte diplomatische Struktur.“

Auch auf Twitter gibt es ein paar erhellende Kommentare. Sogar der Chef der Münchener (Un-)Sicherheitskonferenz, Ischinger, klagt, dass die EU “völlig irrelevant” geworden sei – trotz der in Deutschland gern bemühten “Weltpolitikfähigkeit”:

“Ask the German EU presidency”, war meine Antwort. Leider habe ich von Ischinger seitdem nichts mehr gehört…

Siehe auch “Deutscher EU-Vorsitz: Freibrief für Erdogan” sowie “Türkei feiert Erfolg in Berg-Karabach”