Rückblick 2024: Ein EU-Präsident wird boykottiert
Im Juli hat Ungarn den sechsmonatigen EU-Ratsvorsitz übernommen, der heute (31.12.24) endet. Der amtierende Ratspräsident Orban wurde von der EU-Führung boykottiert – weil er es wagte, eine “Friedensmission” für die Ukraine zu starten.
Blogpost vom 24.07.24
Die EU ist schon wieder gespalten. Doch diesmal ist nicht Ungarns großer Zampano Viktor Orbán schuld, der mit seiner eigenwilligen „Friedensmission“ für Ärger sorgte.
Diesmal sind es die EU-Kommission und der Ministerrat, die für Verwirrung sorgen und Europa lächerlich machen. Boykottieren oder konfrontieren? Das ist die Frage, die die Brüsseler EU-Institutionen ins Chaos stürzt.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und ihr Außenbeauftragter Josep Borrell wollen den ungarischen Ratsvorsitz boykottieren. Borrell hat sogar ein Ministertreffen von Budapest nach Brüssel verlegt.
Doch die EU-Staaten spielen nicht mit. Beim letzten Treffen der Außenminister kam es deshalb zu Streit. Außenministerin Annalena Baerbock warnte vor einem Eigentor, ihr luxemburgischer Amtskollege Xavier Bettel sprach sogar von „Schwachsinn“.
Es sei besser, Orbán in Budapest zu konfrontieren, als ihn zu boykottieren. Wozu ein Boykottversuch führt, zeigte sich am Dienstag: Mehr als die Hälfte der Innenminister schwänzte ein informelles Treffen in der ungarischen Hauptstadt.
Rund zehn Minister sind aber dennoch nach Budapest gereist. Das Ergebnis: Die EU gibt ein Bild der Uneinigkeit ab. Dabei gibt es keinen vernünftigen Grund, warum die Innenminister nicht nach Budapest reisen sollten.
Borrell hat seinen Job nicht gemacht
Dort ging es schließlich um die Asyl- und Flüchtlingskrise – und nicht um die Ukraine-Politik, mit der Orbán für Wirbel sorgt. Außerdem werden bei den informellen Räten, die Ungarn organisiert, keine Beschlüsse gefasst.
Etwas anders ist die Lage in der Außenpolitik. Man kann nachvollziehen, dass Borrell sauer ist, weil Orbán von der gemeinsamen Linie zur Ukraine abweicht und ihm die Show stiehlt. Doch letztlich muss sich Borrell an die eigene Nase fassen.
Warum ist er nicht längst selbst nach Moskau, Peking, Washington gereist, um Optionen für eine Friedenslösung auszuloten? Das wäre sein Job als EU-Chefdiplomat. Er hat ihn sträflich vernachlässigt.
Orban hatte den richtigen “Riecher”
P.S. Im Rückblick zeigt sich, dass Orban den richtigen “Riecher” hatte. Er hat frühzeitig erkannt, dass die Ukraine den Krieg gegen Russland nicht gewinnen kann und eine Verhandlungslösung nötig wird. Zudem hat er auf Trump “gewettet”, während sich die Mehrzahl der EU-Politiker sich in “Wishful thinking” übten. Seine Ratspräsidentschaft ist dennoch ein Misserfolg. Denn Orban hat es nicht geschafft, die Isolierung zu überwinden und die Politik der EU zu verändern. Nach dem Machtwechsel in den USA dürfte denn auch nicht Ungarn, sondern Italien oder Polen die Aufgabe zufallen, eine Verständigung mit Trump zu suchen. Polen übernimmt am 1.1.25 den EU-Vorsitz; deshalb ist D. Tusk in der “Pole position”.
Helmut Höft
2. Januar 2025 @ 11:35
“Man kann nachvollziehen, dass Borrell sauer ist, …” NÖ! Kann ich nicht nachvollziehen, persönlich sauer sein – höchstens auf sich selbst – ist keine politische Kategorie! “Warum ist er nicht längst selbst nach Moskau, Peking, Washington gereist, um Optionen für eine Friedenslösung auszuloten?” macht das klar.
Man wünscht sich informierte, aufgeklärte, religions- und ideologiefreie Menschen statt der europaweit (weltweit) aktuell tätigen Politniki. Es gab Zeiten, da war das tlw. anders. Diplomaten und Politiker die einfach nur tun, was zu tun ist: “Eine Krise kann jeder Idiot haben. Was uns zu schaffen macht, ist der Alltag.“ (Tschechow)
Was Orbans “richtigen Riecher” angeht: Er hat einfach auf die Landkarte und die dazu gehörigen Daten geguckt … Warum hat das der Rest der €uropäischen Bande nicht getan? Sicher waren die “Damen” und “Herren” auf irgendetwas sauer – und wenn’s nur eigene, persönliche Komplexe sind/waren –, von den USA brauchen wir an dieser Stelle nicht zu reden.
Reykjavik
31. Dezember 2024 @ 14:09
Man sollte den exzellenten Kontakt, den Orban zu Trump bereits zu einem Zeitpunkt aufgebaut hat, als Trump von den anderen EU-Leadern noch öffentlich lächerlich gemacht oder arrogant und belehrend behandelt wurde, nicht unterschätzen. Trump scheint ein gutes Gedächtnis zu besitzen – wie man es z.B. auch an der Muskschen Kommunikation Richtung Bundesregierung ablesen kann.
Karl
1. Januar 2025 @ 10:24
@ Reykjavik: Die sich anbahnende Oligarchen-Herrschaft des Westens wird seinen Niedergang auch wirtschaftlich nicht aufhalten, wahrscheinlich eher beschleunigen. Orban und Musk leben von der Lohndrückerei, Trump ist Immohai, alle drei sind lupenreine Oligarchen. Ungarn als ein Land der Fides Einparteien-Herrschaft, basierend auf dem Niedermachen alles Abweichenden, kann nur an der Peripherie als verlängerte Werkbank Deutschlands und Westeuropas existieren. Bei diesen Oligarchen ist falsch, wer eine Zukunft in Wohlstand und Frieden erreichen will!
european
31. Dezember 2024 @ 13:55
„Denn Orban hat es nicht geschafft, die Isolierung zu überwinden und die Politik der EU zu verändern.“
Das nicht. Waere vielleicht bei der Stimmung im Leyen-Parlament durch die Leyen-Kommission auch zuviel erwartet gewesen. Dennoch kann man auf einmal weitere Auflehnung gegen diese Politik in diversen Laendern beobachten: Oesterreich, Georgien, Rumaenien, Serbien, Slowakei, nun auch noch Kroatien. In Deutschland und Frankreich sind die Regierungen kollabiert. Die Tuerkei hatte vorher schon gegen diese Politik gestimmt, knapp zwar, aber immerhin.
Die neu bzw wieder verhaengte Austeritaet und die Verfahren gegen die „Suenderlaender“, insgesamt wohl 7, machen die Lage nicht einfacher und werden den Rechtsdrall weiter verschaerfen. Zumal gerade die EUCO-Praesidentin im gleichen Atemzug die Gelder nur so in die Welt schleudert als gaebe es kein Morgen. Insbesondere in das Fass ohne Boden Ukraine.
Dazu dann die erneute Ausgabe von Eurobonds zum Wiederaufbau nach Covid und, natuerlich, fuer die Ukraine. Was sonst. Die Oligarchen lassen die Korken knallen.
Arthur Dent
31. Dezember 2024 @ 16:11
@european
“Das gerade die EU-Ko-Prae. das Geld rausschleudert, als gäbe es kein Morgen”… – die “gute” Nachricht ist: das Geld ist nicht für Lieschen & Erwin Müller, sondern für die Finanzaristokratie. Aus deren Sicht ist das Geld ja gut angelegt. Lieschen und Erwin würden es ja nur verprassen. Dass die armen Schlucker aber auch nie so etwas Erspartes haben – tztztz 😉
KK
31. Dezember 2024 @ 13:38
“…deshalb ist D. Tusk in der “Pole position”. ”
Ein Pole, der sich in Position bringt (vielleicht schon mal als künftiger Kommissionspräsident?)… ein bewusstes oder eher zufälliges Wortspiel?