Rote Karte für Lukaschenko – und nun?

Die EU erkennt das Ergebnis der Präsidentschaftswahl in Belarus nicht an. Zudem geht sie auf Distanz zu Machthaber Alexander Lukaschenko, dem die EUropäer exzessive Gewalt vorwerfen. Doch wie es weiter gehen soll, bleibt unklar.

„Unsere Botschaft ist klar: Die Gewalt muß enden und ein friedlicher und inklusiver Dialog muß beginnen“, erklärte Ratspräsident Charles Michel am Mittwoch in Brüssel bei einem Videogipfel der 27 EU-Staaten.

Indirekt sprach sich Michel auch für die Ablösung von Lukaschenko aus. „Die Führung von Belarus muß den Willen des Volks widerspiegeln“, schrieb er auf Twitter. Damit zeigte er „Europas letztem Diktator“ kaum verhüllt die rote Karte.

Kurz zuvor hatte Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja an die EU appelliert, Lukaschenkos Machtanspruch zurückzuweisen und Neuwahlen zu fordern.

Lukaschenko hat alle Legitimität in den Augen unserer Nation und der Welt verloren“, sagte Tichanowskaja in einer Videobotschaft. Die EU dürfe die „betrügerischen Wahlen“ vom 9. August nicht anerkennen.

Die Forderung nach EU-Sanktionen machte sich Tichanowskaja nicht zu eigen. Sie forderte auch keine europäische Vermittlung. Das hinderte die Staats- und Regierungschefs indes nicht daran, die Sanktionen voranzutreiben.

Die geplanten neuen Strafmaßnahmen sollten jene Personen treffen, die für den Wahlbetrug und das Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen Demonstranten verantwortlich seien, sagte Michel. Es handele sich dabei um eine „substanzielle“ Zahl an Personen.

Auf Nachfrage von Journalisten, ob die EU-Sanktionen auch Lukaschenko treffen sollen, ging Michel bei seiner Pressekonferenz nach dem Gipfel nicht ein. Auch die Frage, ob sich die EU für Neuwahlen einsetzen werde, ließ er unbeantwortet.

Doch was macht es für einen Sinn, dem Diktator die rote Karte zu zeigen, wenn man ihn nicht zur Rechenschaft ziehen will? Was bringt es, die Wahlen nicht anzuerkennen, wenn man keine Neuwahlen fordert?

„Die EU versucht, die Demokratie zu verteidigen, ohne sich festzulegen“, kommentiert die „New York Times“.

Dies zeigt, dass die EU immer noch keinen klaren Kurs hat. Sie will beweisen, dass sie eine wertegebundene Außenpolitik verfolgt, hat aber keine Strategie. Das kann nicht gutgehen – schon gar nicht in einem Land wie Belarus, das eher zu Russland als zur EU neigt.

Vor allem Kanzlerin Merkel muß sich Sorgen machen. Sie hatte bisher auf Lukaschenko gesetzt, den sie als Mittler im Ukraine-Konflikt brauchte. Nun will bzw. muß sie ihn fallen lassen – weiß aber offenbar selbst nicht, wie es weiter gehen soll…

Siehe auch „Warum Merkel in Belarus ein Risiko eingeht