Riskante Kehrtwende
Künftig sollen die Banken selbst für Pleiten im Finanzsektor geradestehen. Der EU-Gipfel feiert die Einigung der Finanzminister als großen Wurf auf dem Weg zur Bankenunion. Dabei birgt die 180-Grad-Wende vom Bailout zum Bail-in erhebliche Risiken – auch für Deutschland.
Es eine kleine Revolution, die sich da anbahnt. Denn die Banken können sich nun nicht mehr auf ein „Bailout“, also auf eine Rettung durch den Staat, verlassen. Was seit dem Beginn der Finanzkrise galt, gilt nicht mehr.
Von 2008 bis 2011 genehmigte die EU-Kommission Staatshilfen in Höhe von 4,5 Billionen Euro für angeschlagene Geldinstitute. Damit soll ab 2018 Schluss sein.
Eine so genannte „Haftungskaskade“ legt künftig fest, wer zuerst für Pleiten geradestehen muss, und wer zuletzt. Ganz am Ende steht der Staat, und erst wenn der auch nicht mehr helfen kann, kommt der Euro-Rettungsfonds ESM an die Reihe.
Allerdings wird die ESM-Hilfe wie bisher dem Land zugerechnet, das sie beantragt. Damit erhöht sich dessen Schuldenquote – der Teufelskreis zwischen Banken- und Schuldenkrise bleibt also doch erhalten.
Die deutschen Euro-Gegner und ESM-Kritiker können sich freuen – Finanzminister Schäuble hat sich weitgehend durchgesetzt. Doch seine Rechthaberei birgt erhebliche Risiken.
- Zum einen gefährdet der Kompromiss den noch für dieses Jahr geplanten Ausstieg Irlands aus dem Euro-Rettungsprogramm. Denn die Iren hatten auf eine Rekapitalisierung ihrer Banken aus dem ESM gehofft – die ist nun fraglich.
- Zum anderen wird es für angeschlagene Banken in ganz Europa nun noch schwieriger, sich neues Kapital zu besorgen. Wenn der Aktienkurs abschmiert, könnte es gefährlich werden – denn die Aktionäre sollen ja haften.
- Ganz konkret könnte dies Italien und Spanien vor neue Probleme stellen. Was passiert, wenn sich dort die Kreditklemme ausweitet oder gar eine Bank wackelt, weiß niemand.
Kritisch wird vor allem die erste Jahreshälfte 2014. Denn danach soll die EZB die Bankenaufsicht übernehmen. Sie will aber nur saubere Banken in die Bankenunion aufnehmen. Vorher wird es also einen neuen Stresstest geben – das könnte heikel werden.
Aber auch die folgende Periode bis zum Start des neuen Abwicklungsregimes ist heikel. Was passiert denn, wenn Slowenien wegen der Bankenkrise Hilfe braucht? Oder wenn ein Land wie die Niederlande Probleme bekommt – Dexia lässt grüßen?
Am Ende könnte uns Schäubles Kehrtwende noch auf die Füsse fallen. Denn dieses Abwicklungsregime ist nicht für die aktuelle Bankenkrise gemacht, wie M. Schieritz zu Recht feststellt. Wenn jetzt etwas schief geht, muss am Ende wieder Deutschland zahlen.
Sage niemand, er habe es nicht gewusst. Als die Bail-in-Debatte aufkam, haben EZB und Ratingagenturen vor den möglicherweise fatalen Folgen gewarnt. Doch Schäuble ließ sich nicht beirren – schließlich sind bald Wahlen, und der ESM ist nicht populär…
AntiTerrorist
28. Juni 2013 @ 17:31
http://www.youtube.com/watch?v=MPT6Syblwpo
Helmut Schmidt: Wir befinden uns am Vorabend einer Revolution in Europa
11.11.2012 ZEIT-Forum
Helmut Schmidt und Wolfgang Schäuble über die Euro-Fehlpolitik und die bevorstehende (weltweite) Revolution und wie man mittels ‘durchmogeln’ (Verträge brechen und Verfassungen aushebeln) dem entgegenwirken kann.
Während in einem Halbsatz gesagt wird, dass die Deutsche Mark heutzutage ‘durch die Decke gehen würde’, wird im nächsten schon wiedersprochen und der €uro als Erfolg dargestellt. Während zugegeben wird, dass die Spekulanten nach wie vor einen riesen Reibach machen und als Gegenmassnahme ledeglich Unmengen von Geld gedruckt werden, erzählt Schäuble was von ‘Global Governance’ und Vortschritten bei der ‘Umgestaltung’ unseres Grundgesetzes. Eine erschreckend offene Diskusion, die das Doppel-Denken unserer Eliten offenbart.
GG Art 20(4)
Die oder wir.
Andres Müller
28. Juni 2013 @ 12:59
Ich habe erst von politischen Erläuterungen gehört, welche wesentliche Bausteine der Bankenabwicklung betreffen. Eine umfassende Gesetzgebung auf Papier, welche dann alle EU-Staaten betrifft, habe ich noch nicht gesehen.
Die Reform der Einlagensicherung steht auch noch aus.Nicht in jedem EU-Staat existiert eine angemessene Versicherung. Bis die Banken dieser Staaten die notwendigen Mittel aufgebracht haben, gehen noch viele Jahre ins Land.
Um es aber vorweg zu nehmen, es kommt sicher schneller zu Bankenabwicklungen, als die dazu passenden EU -Gesetze fertig auf dem Papier stehen werden. Das eröffnet Schäuble noch Spielraum um Druck auszuüben.
Wie bereits in Zypern geschehen, hindern bestehende oder nicht vorhandene Gesetze die EU -Regierung nicht daran neue Rahmenbedingungen anzuwenden. “Sowas macht man am Wochenende”, diese Blaupause steht fest.
Entgegen den Erklärungen aus der Politik sind auch Einlagen unter 100’000 nicht völlig sicher, jedenfalls ist niemand sicher vor Zahlungsverzug bei einer Bankeninsolvenz. Es kann durchaus Monate dauern (je nach Situation) bis man wieder auf die gesamte Einlage zugreifen kann.
Ondoron
28. Juni 2013 @ 10:03
Herr Bonse, Sie gehören Sie den absoluten Euro-Apologeten und wollen den Deutschen zumuten, dass sie ihren gesamten Wohlstand für ein “politisches Projekt” verzocken. Dr. Täuschle nimmt doch nur etwas Geschwindigkeit raus. Er ist auf Ihrer Seite – machen Sie sich da mal keine übertriebenen Sorgen!
Arnould
28. Juni 2013 @ 09:08
Willkommen im Alter des Kapitalismus!
Johannes
28. Juni 2013 @ 09:02
Was hier verschwiegen wird, es gibt viele viele Ausnahme auf Wunsch von Frankreich und England. Wenn Frankreich der Meinung ist, man könne nicht die Gläubiger einer Bank hart zur Kasse bitten aus systemrelevanten Gründen, dann muss Deutschland bzw. der ESM einspringen. Soooooo toll wie die Bankenunion dargestellt wird ist sie überhaupt nicht. Und das Ausnahmen in der Euro-Zone eher zur Regeln werden, weiß jeder. Bankenstresstest? Bisher waren die ALLE nichts wert. Sage niemand, er habe es nicht gewusst.