Rien ne va plus

Die EU schlittert noch tiefer in die Krise. Erst gestern hat sich die Eurogruppe als unfähig erwiesen, die seit Monaten überfälligen Hilfen für Griechenland freizugeben. Die Einigung scheiterte vor allem an Deutschland, das einen Schuldenschnitt ablehnt und keine tragfähige Alternative vorlegte. Morgen droht auch noch ein Scheitern des EU-Gipfels. Ratspräsident Van Rompuy forderte die Chefs schon mal auf, ein paar mehr Hemden einzupacken.

Rien ne va plus. Dies ist der Eindruck, den die EU in diesen tristen Novembertagen vermittelt. Eigentlich wollte die Eurogruppe schon vor zehn Tagen die überfällige Hilfstranche an Griechenland freigeben. Doch man konnte sich nicht einigen. Gestern war wenigstens eine politische Erklärung erwartet worden, dass Athen sich auf seine Europartner verlassen kann. Wieder nichts. Wieder war es vor allem Bundesfinanzminister Schäuble, der sich verweigerte.

Die deutsche Haltung ist absurd

Schäuble pokerte so lange, bis er neue „Kontrollmechanismen“ durchsetzte, mit denen er Athen noch mehr an die Kandare nehmen kann. Doch bei der überfälligen Hilfe blieb er hart. Damit führte er die „Rettung“ ad absurdum. Zu retten ist das Land nur, wenn die Gläubiger noch tiefer in die Tasche greifen, das pfeifen die Spatzen vom Dach. Schäuble will die Griechen „retten“, aber kosten darf es nichts. Das ist absurd.

Genaus absurd ist die deutsche Haltung im Budgetstreit. „Mehr Europa“ fordert die Kanzlerin, doch gleichzeitig will sie weniger Geld dafür ausgeben. Gleichzeitig präsentiert sich Merkel dem staunenden Publikum noch als Vermittlerin zwischen Brüssel und London, wo der britische Premier Cameron nicht nur den anachronistischen Briten-Rabatt retten will, sondern auch noch ein paar symbolische EU-Opfer fordert.

In Wahrheit liegen Cameron und Merkel auf einer ganz ähnlichen Linie. Wie einst Thatcher rufen beide im Chor: „I want my money back!“ Dies zeigen deutsche Verhandlungspapiere, die in Brüssel kursieren. Ein trauriges Spiel spielt auch Frankreichs Hollande. Einerseits fordert er mehr Solidarität mit Griechenland und den anderen Krisenländern, andererseits will er keine Abstriche beim viel zu hohen Agrarbudget machen.

Es droht ein Drei-Hemden-Gipfel

Der zypriotische EU-Vorsitz hat es längst aufgegeben, Kompromisse zu suchen. Auch Ratspräsident Van Rompuy, ein getreuer Helfer der Kanzlerin, scheint langsam die Hoffnung zu verlieren. Er kündigte heute bereits das zweite Vermittlungsangebot an – ließ aber gleichzeitig wissen, dass sich die EU-Chefs bei ihrem morgen beginnenden Gipfel auf eine Verlängerung einstellen sollen. Es könnte ein Drei- oder Vier-Hemden-Gipfel werden, heißt es.

Wahrscheinlicher ist aber, dass der Gipfel platzt. Denn bisher sind Verhandlungen über das EU-Rahmenbudget noch nie im ersten Anlauf gelungen. Außerdem konnten sich die 27 bisher nicht einmal auf einen Nachtragshaushalt für 2012 einigen, auch das Budget 2013 steht immer noch aus.  Und dann muss auch noch das Europaparlament zustimmen – es müsste schon ein Wunder geschehen, damit all das klappt.

Wenn nicht, hätten wir am Montag eine ungelöste Griechenland-Krise, eine selbst verschuldete Budgetkrise, eine herbeigeredete Frankreich-Krise, und natürlich noch die ungelösten Problemfälle Spanien, Zypern und vielleicht sogar Slowenien.  Und weil es so schön ist, soll der Dezember-Gipfel auch noch über die EU-Reform beraten und den Euroländern weitere Daumenschrauben anlegen.

Das dürfte die Krise zwar noch schlimmer machen. Aber wenigstens kann sich Schäuble dann wieder über „neue Kontrollmechanismen“ freuen…