Eurozone auf Abwegen, Neues vom Pfizergate – und mehr Geld für VDL?

Die Watchlist EUropa vom 08. Oktober 2024 – Heute mit News und Analysen zur Wirtschafts- und Finanzpolitik, zu einem brisanten Termin am Europäischen Gerichtshof und einem obskuren Plan zur Reform des EU-Budgets.

Deutschland steckt in der Rezession. Frankreich muß 60 Mrd. Euro einsparen. Auch Italien und Belgien droht ein harter Austeritätskurs. Gleichzeitig will die EU massiv in Kriegsgerät investieren und die Ukraine mit Milliardenspritzen stützen.

Wie passt all das zusammen? Gar nicht!

Man spart nicht in eine Rezession hinein, denn das verschärft die Krise. Man zwingt auch nicht seine EU-Partner, die Ausgaben zu kürzen, denn das dämpft die Auslandsnachfrage. Doch genau das plant die Eurogruppe, die sich am Montag in Luxemburg getroffen hat.

Finanzminister Lindner hielt an der deutschen Schuldenbremse ebenso fest wie an den neuen EU-Schuldenregeln, die er mit geprägt hat. Damit zwingt er die Eurozone auf Sparkurs – obwohl Deutschland, die einstige Konjunkturlokomotive, bremst. Die Industrieaufträge brechen massiv ein.

Frankreich kündigte Einsparungen im öffentlichen Dienst und bei den Rentnern an. Die neue Regierung Barnier will zwar auch die Wohlhabenden stärker zur Kasse bitten. Doch mit ihren Maßnahmen erhöht sie die Spannungen, die schon jetzt enorm sind. Auch die Märkte sind nervös!

Parallelen zu den 20er Jahren

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Dass die EU-Kommission erwägt, Frankreich mehr Zeit beim Schuldenabbau zu gewähren, ist nur ein schwacher Trost. Angesichts der trüben Aussichten, die durch die Eskalation im Nahen Osten noch mehr gedämpft werden, wäre eine ganz andere, expansive Fiskalpolitik nötig.

Immerhin, die EZB senkt nun endlich die Zinsen. Doch das reicht nicht. Schließlich warnt EZB-Chefin Lagarde selbst vor enormen Risiken nicht nur für die Eurozone, sondern für die Weltwirtschaft. Die Lage sei ähnlich wie in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts.

Da führte die Brüning’sche Austeritätspolitik erst zu Massenarbeitslosigkeit, dann zur Machtergreifung der Nazis. Lagarde meint zwar, sie habe die Lage im Griff. Doch die Entscheidungen von Lindner & Co. gehen in die falsche Richtung – die „Euro-Retter“ haben nichts dazugelernt …

Siehe auch Von der Leyen verspricht Wohlstand – und verordnet Austerität

P.S. Wirtschaftspolitisch schädlich wirken auch die geplanten Strafzölle auf E-Autos aus China. Dazu hat H. Flassbeck in „telepolis“ eine interessante Analyse. Die Zölle zeigten, „wie falsch Politiker Wirtschaft verstehen“…

News & Updates

  • EU-Gericht verhandelt übers Pfizergate. Der EuGH wird am 15. November über eine Klage auf Veröffentlichung von SMS-Nachrichten verhandeln, die EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen bei den Verhandlungen über den Kauf von Corona-Impfstoffen verschickt hatte. Der Inhalt der SMS-Nachrichten wurde nie öffentlich gemacht. Die „New York Times“ hatte die Kommission verklagt, doch die Justiz hat die Affäre verschleppt.
  • Le Pen (Vater) soll 300.000 Euro zurückzahlen. Der Gründer der rechtsextremen Partei Front National, Jean-Marie Le Pen, soll wegen falscher Abrechnungen aus seiner Zeit als französischer EU-Abgeordneter gut 300.000 Euro zurückzahlen. Das EU-Parlament habe Le Pen bereits im Sommer zur Rückzahlung aufgefordert, meldet die Nachrichtenagentur AFP. Der 96-Jährige habe dagegen Rechtsmittel eingelegt, teilte sein Anwalt mit.
  • Berlin und Brüssel ignorieren Opfer der Angriffe in Gaza. Zum Jahrestag des Überfalls auf Israel hat Deutschland der Opfer der Hamas gedacht. Doch die – wesentlich zahlreicheren – Opfer der israelischen Angriffe in Gaza wurden nicht gewürdigt. Auch EU-Chefdiplomat Borrell verlor in einem Tweet kein Wort für die getöteten Palästinenser. – Mehr hier (Blog)

Das Letzte

Noch mehr Geld und Macht für von der Leyen? Dies sieht eine angeblich nur für den internen Gebrauch bestimmte „Präsentation“ der EU-Kommission vor. Demnach könnten die Subventionen für Landwirte sowie die Förderung strukturschwacher Regionen künftig wegfallen. Sie machen bisher jeweils ein Drittel des Haushalts aus. Stattdessen könnte der Großteil des EU-Budgets als eine Art „Zuschuss“ zum nationalen Haushalt an die EU-Staaten überwiesen werden – allerdings nur, wenn dafür Konditionen erfüllt werden, die von der Leyen und ihre Kommissare festlegen. Als Vorbild soll offenbar der Corona-Aufbaufonds dienen. Dabei funktioniert das Prinzip „Geld gegen Reformen“ dort nur mangelhaft, wie die EU-Rechnungsprüfer festgestellt haben. Einziger Trost: Bei dem Papier handelt es sich nur um einen Testballon. Ob von der Leyen damit in die Verhandlungen über ein neues EU-Budget (ab 2028) geht, ist offen…

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