Ein neuer Zuchtmeister (nicht nur) für Griechenland
In Griechenland waren wir es ja bisher gewohnt, dass der IWF den harten Hund spielt. Doch nun scheinen sich die Rollen zu vertauschen: Eurorettungsfonds-Chef Regling übernimmt das Regiment.
Er sei nicht damit einverstanden, dass Regierungschef Tsipras den griechischen Rentnern eine Art Weihnachtsgeld versprochen hat, sagte Regling heute. Das werfe „eine Reihe von Fragen“ auf.
Am Geld kann es nicht liegen: Denn Griechenland hat in diesem Jahr einen höheren Budgetüberschuss erzielt als von den Gläubigern verlangt. Tsipras muss also keine Schulden aufnehmen, um den Rentnern zu helfen.
Das Geld soll aus dem Primärüberschuss – also dem Staatshaushalt ohne Zinszahlungen – stammen. Griechenland rechnet dieses Jahr mit einem Überschuss von 1,1 Prozent, vereinbart waren nur 0,5 Prozent.
Wesentlich großzügiger als Regling gibt sich der IWF. In einer Pressekonferenz betonte ein Sprecher des Fonds, dass Griechenland auch nach 2018 keinen verschärften Austeritätskurs fahren müsse.
Statt 3,5 Prozent Überschuss bis 2028, wie sie vor allem Deutschland fordert, würden 1,5 Prozent völlig ausreichen, so der Währungsfonds. Hier der Tweet des Sprechers mit einem Video:
My answer today to a question about discussions with Greece on the surplus target. pic.twitter.com/4DskRN3WKq
— Gerry Rice (@IMFSpokesperson) December 8, 2016
Was lernen wir daraus? Der Deutsche Regling scheint neuerdings für die Troika – pardon: die Institutionen – zu sprechen, dabei ist das nicht sein Job. Und er gibt sich wesentlich härter als der IWF.
Zufall? Wohl kaum. Finanzminister Schäuble möchte Regling zum Oberaufseher über alle Staatshaushalte der Eurozone machen, also auch Italiens und Frankreichs. Er läuft sich schon warm…
smukster
15. Dezember 2016 @ 03:24
Der IWF hat doch bisher schon Schuldenerleichterungen (und pro-Wachstums-Politik, soweit ich mich entsinne?) angemahnt, war also mitnichten der ‚harte Hund‘.
Einen Punkt vermisse ich in dieser Diskussion meist: Ohne Haushaltskontrollen und Auflagen für einzelstaatliche Politik kann der Euro nicht funktionieren. Das Problem ist nicht, *dass* Athen wirtschaftspolitische Vorgaben gemacht werden, sondern deren konkreter Inhalt. Und: Es muss gleichzeitig auch Vorgaben für Überschussländer geben.
ebo
15. Dezember 2016 @ 09:40
@smukster Völlig richtig, wenn es Auflagen und Regeln gibt, dann muss sie auch Deutschland einhalten. Richtig auch, dass es um die Inhalte geht. Und die sind meist ordo- oder neoliberal geprägt, also aus einer anderen Welt
S.B.
9. Dezember 2016 @ 20:40
@ebo: Sie müssen mir noch erklären, warum Sie immer wieder „von Glück“ schreiben, dass EU und Euro noch nicht auseinandergebrochen sind, andererseits aber zurecht sehr kritisch über die aus demokratischer Sicht unhaltbaren Zustände schreiben. Alles, was seit Jahren in diesem EU-/Euro-System passiert, ist eine unverschämte Anmaßung sondergleichen. So etwas gibt es sonst nur in militärisch besetzten Ländern, also im Kriegszustand.
ebo
10. Dezember 2016 @ 12:19
@S.B. Man muss unterscheiden – zwischen der Analyse und der Bewertung. Natürlich entfernt sich die EU immer weiter vom Ideal einer demokratischen und sozialen Union gleichberechtigter Staaten und Bürger. Das heißt aber nicht, dass mir diejenigen, die jetzt gegen die EU und den Euro Sturm laufen, sympathisch sein müssen. Un es bedeutet auch nicht, dass einchaotisches Auseinanderbrechen eine gute Sache wäre, im Gegenteil: Es würde die Krise und die Spannungen noch mehr verschärfen. Hätte Schäuble vor einem Jahr Griechenland aus dem Euro geworfen, so wäre Italien möglicherweise auch schon am Abgrund, auch Spanien und Portugal hätten zu kämpfen, Frankreich womöglich auch. Deshalb schreibe ich von „Glück“, dass das nicht passiert ist. Für Griechenland wäre es allerdings besser gewesen, freiwillig rauszugehen. doch das wollte offenbar eine Mehrheit der Griechen nicht. Noch nicht…
S.B.
10. Dezember 2016 @ 15:37
@ebo: Ihr „zum Glück“ würde dementsprechend Ihre Annahme voraussetzen, dass die „Eliten“ an einer geordneten Abwicklung konzipieren und diese rechtzeitig als Plan B aus der Schublade holen können. Ganz ehrlich: Glauben Sie daran? Diese Leute haben sich doch ideologisch mehr verrannt, als Honecker & Co seinerzeit.
ebo
10. Dezember 2016 @ 15:41
Nein daran glaube ich nicht. Das „zum Glück“ bezieht sich nur darauf, dass die Eliten noch nicht gegen den Eisberg gefahren sind…