Rechtsstaat: Karlsruhe soll Ruhe geben
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat sich immer wieder mit der EU angelegt. Damit soll nun Schluß sein, gelobt die Bundesregierung. Die Richter sollen sich der Politik unterordnen – wie bei der Bundesnotbremse.
Die deutsche Regierung habe sich verpflichtet, alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel zu nutzen, um weitere „Ultra-vires“-Enscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu vermeiden, teilte die EU-Kommission in Brüssel mit.
Im Rahmen der Ultra-vires-Kontrolle kann Karlsruhe prüfen, ob EU-Maßnahmen mit den Kompetenzen vereinbar sind, die der nationale Gesetzgeber an die EU übertragenen hat.
Eine solche Prüfung hatte zu Ärger mit der Europäiscnen Zentralbank und der EU-Kommission geführt, die daraufhin ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet hat.
Dieses Verfahren wurde nun geräuschlos eingestellt. Die Bundesrepublik habe förmlich erklärt, den Vorrang und die Autonomie des Unionsrechts anzuerkennen, erklärte die Brüsseler Behörde zufrieden.
Die Entscheidung koinzidiert auffällig mit anderen Entwicklungen. So hat der EU-Abgeordnete S. Giegold, der die Kommission zur Klage gegen Deutschland angetrieben hatte, seinen Wechsel in die neue Bundesregierung angekündigt.
Die künftige Ampel-Regierung wiederum will den Rechtsstaat (anders als bisher) EU-weit durchsetzen – auch mit harten Sanktionen. Vorher mußte sie „natürlich“ selbst EU-konform handeln; das scheint nun erledigt.
Beide Vorgänge hinterlassen den Eindruck, dass hier nicht nur das Recht, sondern auch die Politik im Spiel war. Offenbar haben wir es mit einem politischen „Deal“ zugunsten der EU bzw des Vorrangs von EU-Recht zu tun.
Die Verlierer sind die Richter in Karlsruhe. Doch die haben damit anscheinend kein Problem. So hatten sie sich bereits am Mittwoch der Politik untergeordnet – und die umstrittene „Bundesnotbremse“ für die Corona-Pandemie abgesegnet.
Das Bundesverfassunsgericht wird der Politik in Berin und Brüssel also keine Knüppel mehr zwischen die Beine werfen. Ob das wirklich im Sinne der Gewaltenteilung und des Rechtsstaats ist, steht auf einem anderen Blatt…
Siehe auch „Erst die Bürger, nun die Eliten: Der Konsens ist futsch„. Mehr zum Streit um den Rechtsstaat hier
Kleopatra
6. Dezember 2021 @ 14:07
Dass die Kommission von der deutschen Bundesregierung eine Zusage verlangt (und erhält), dass ein theoretisch unabhängiges Gericht nicht in einem bestimmten Sinn urteilen werde, ist schon kurios, wenn dieselbe Kommission sonst auf der Unabhängigkeit der Gerichte von Weisungen der Regierung beharrt… Die Zusage der Regierung ist ja nur dann etwas wert, wenn sie in der Lage ist, das Bundesverfassungsgericht zu steuern.
pitiplatsch
3. Dezember 2021 @ 10:01
… und keiner*ne der „tapferen“ Journalisten, Aktivisten und Politiker (alles *innen) thematisiert weder den Demokratieverfall noch die Erfahrung, dass bei panischer Angst der Politik vor Stimmverlust mit dem 4-jährigem Wiederwahlrythmus ein Klimawechsel kaum machbar ist (Schellnhuber bei Precht 2019).
Die „Linken“ leisten dieser Erkenntnis einen Bärendienst, in dem sie mit Gendern etc. vom Eigentlichen ablenken und den Pseudodemokratie-Glorienschein produzieren.
ebo
3. Dezember 2021 @ 11:56
Doch, es hat schon kritische Kommentare gegeben, z.B. hier https://www.welt.de/politik/deutschland/video235371108/Tim-Roehn-zur-Notbremse-Das-gesamte-Verfahren-ist-kritisch-zu-beobachten.html
Scottberlin
3. Dezember 2021 @ 09:04
>>Das Bundesverfassunsgericht wird der Politik in Berin und Brüssel also keine Knüppel mehr zwischen die Beine werfen. Ob das wirklich im Sinne der Gewaltenteilung und des Rechtsstaats ist, steht auf einem anderen Blatt…<<
Mit der faktischen Einsetzung des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts durch die Kanzlerin ist das Ende der Gewaltenteilung in Deutschland vollzogen. Die Exekutive kann jetzt durchregieren, und die Exekutive ist auch nur noch dem Primat der "marktgerechten Demokratie" (Merkel) unterworfen, die Parlamente auf Bundes- und Landesebene bilden für die jeweiligen Bundes- und Landesregierungen nur noch die Theaterfassaden. Und wo bleibt das Grundgesetz? Damit gehen allenfalls noch Reste der Querdenker unter dem Arm spazieren, und die sind ja nach einem Jahr gründlicher Öffentlichkeitsarbeit durch die Leitmedien alle "rechtsradikal" und "antisemitisch", jedenfalls antidemokratisch. Querdenken war mal ein Leuchtzeichen der Aufklärung. War einmal. Der Überwachungskapitalismus hat schon begonnen.