Rechtsruck in Portugal – und in Rumänien
Aufatmen in Brüssel: Bei den Wahlen in Rumänien und Portugal haben EU-freundliche Politiker gewonnen. Doch die “Pro-Europäer” sollten sich nicht zu früh freuen: Der Rechtsruck geht weiter.
Die Welt kann so einfach sein. “Europafreund besiegt Ex-Hooligan”, titelt die SZ nach dem überraschenden Sieg des Bukarester Bürgermeisters Nicusor Dan bei der Präsidentschaftswahl in Rumänien.
Der ukrainische Präsident Selenskyj gratulierte ebenso wie EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen, Frankreichs Präsident Macron und dessen moldauische Kollegin Sandu.
Wer die Nachrichten liest, könnte meinen, bei der “Schicksalswahl” in Rumänien sei wieder einmal EUropa gerettet worden – und die “Pro-Europäer” könnten weitermachen wie bisher.
Doch so einfach ist es nicht. In Rumänien steht nun die Bildung einer neuen Regierung an – und die wird schwierig. Denn Rechtspopulisten und Nationalisten sind stärker geworden.
“Revolution” in Portugal
Das gilt auch für Portugal. Nur sechs Jahre nach der Gründung avancierte die rechtspopulistische Partei Chega (Es reicht) zur zweitstärksten Kraft in der Lissabonner „Assembleia da República“.
Portugiesische Medien sprechen von einem „historischen Ergebnis“, von „Desaster“ und „Ungewissheit“. Die Zeitung „El País“ aus dem Nachbarland Spanien erkennt eine „Revolution“.
Zwar hat auch in Lissabon ein Konservativer die Wahl gewonnen. Die Aliança Democrática (AD) um Regierungschef Montenegro kam bei der dritten Neuwahl seit 2022 auf knapp 33 Prozent der Stimmen.
Doch genau wie in Rumänien wird auch in Portugal nichts mehr sein wie zuvor. Die Rechtsruck setzt sich fort, die alten Mehrheiten wackeln, das Regieren wird immer schwerer.
Kein Grund zur Freude, jedenfalls nicht für echte Europäer. Vielleicht sollte man sich in Brüssel ‘mal fragen, was eigentlich schief läuft in der EU.
Sie hat mittlerweise regelrecht Angst vor Wahlen – und muß gelegentlich sogar kräftig nachhelfen, damit der “Richtige” gewinnt…
Siehe auch Rumänien: Telegram-Chef wirft Frankreich versuchte Einmischung vor
P.S. Was macht eigentlich die Linke? Sie verliert auf ganzer Linie, wie in Portugal. Das führt dazu, dass es kaum noch eine Wahl zwischen verschiedenen politischen Alternativen gibt, zumal die EU-freundlichen Parteien wie ein Block zusammenstehen.
Arthur Dent
19. Mai 2025 @ 19:56
Dass überhaupt noch jemand eine eu-freundliche Partei wählt, ist kaum zu glauben. In der europäischen Schuldenkrise gab es Rentenkürzungen, Steuererhöhungen, Entlassungen im öffentlichen Dienst. Costa hat noch eine Arbeitsmarktreform gemacht und dabei den Arbeitsschutz ausgehöhlt. Da waren die Sozialisten am Ruder.
Skyjumper
19. Mai 2025 @ 16:00
Rumänien:
Aufatmen – ja, entspanntes Zurücklehnen – besser nicht. Die Situation ist doch recht fragil. Die eher eu-skeptische AUR ist auf dem aufsteigenden Ast und wird es wahrscheinlich schaffen sich nach dieser Wahl als “betrogene” zu Repräsentieren. Das vergleichsweise knappe, gestrige Ergebnis, die deutliche Abweichung zum 1. Wahlgang vor 14 Tagen, und schließlich die annulierte Wahl aus 2024 werden dabei die Grundlage sein.
Bei einer Wahlbeteiligung von ~ 65 % gibt es auch ansonsten keinen Grund warum man annehmen dürfte dass für die EU alles in trockenen Tüchern ist. Dafür das es zur “Schicksalswahl” hochstilisiert wurde, war die Wahlbeteiligung sehr niedrig. Offenbat ist es einen Drittel der Rumänen scheinbar ziemlich Wumpe ob man auf EU-Linie bleibt oder nicht. Von denen die egwählt haben ist es etwa Hälfte/Hälfte. Ein bequemes Ruhekissen sieht anders aus.
Allerdings sieht das umgekehrt genauso aus. Auch die eher eu-skeptischen haben keinen berechtigten Anlass von einer “schweigenden Mehrheit” zu schwadronieren.
Bemerkenswert ist ansonsten noch das Ergebnis der Auslandsrumänen. Im Gegensatz zur Wahl in Moldawien haben die Auslandsrumänen mehrheitlich die den eu-skeptischen Simion gewählt. Trotz Schengen-Aufnahme etc. Das hatte ich nicht so erwartet.
KK
19. Mai 2025 @ 16:47
“Im Gegensatz zur Wahl in Moldawien haben die Auslandsrumänen mehrheitlich die den eu-skeptischen Simion gewählt.”
Viele davon erfahren ja auch täglich am eigenen Leib, wie sie in der EU gewertschätzt werden – zB in völlig überteuerten Unterkünften zusammengepfercht als Schlachter in deutschen Schlachthöfen oder auf den Böcken von LKW nachts auf völlig überfüllten Rastplätzen mit oft unzureichenden sanitären Einrichtungen.
Skyjumper
19. Mai 2025 @ 20:43
Das mag ja durchaus zutreffen. Aber das wird den Auslands-Moldauern kaum anders gehen. Trotzdem war es da genau umgekehrt (und deutlicher). Die Erklärung müßte demnach eine andere sein.
KK
20. Mai 2025 @ 02:05
@ Skyjumper:
Moldau ist anders gelagert – die sind nicht in der EU und geniessen die Freizügigkeit. Die sind dankbar, dass sie überhaupt hier sein dürfen und im Vergleich zu daheim – Moldau ist mW das ärmste Land EUropas – sehr viel Geld verdienen dürfen.
Den Auslands-Moldauern, die in Russland vergleichsweise sehr viel Geld verdienen dürfen, hat man die Teilnahme an der Wahl ja auch deutlich schwerer gemacht als in EUropa, wo sie an sehr vielen Orten wählen durften – im riesigen Russland hingegen mW nur an zweien.
KK
19. Mai 2025 @ 13:37
“…bei der dritten Neuwahl seit 2022”
Kann es sein, dass es daran liegt, dass sich in einigen Ländern immer abstrusere Bündnisse ergeben, um noch irgendwie “die Mitte” am Regieren zu halten – und das dann nie lange gut geht?
In Deutschland haben wir immerhin – neben der 5%-Klausel – noch eine völlig opportunistische SPD, die die Ideale der Sozialdemokratie um der Macht Willen völlig abgelegt hat. Offenbar kann nicht jedes Land so eine Gummi-Partei aufweisen (die dann auch noch hinreichend Wähler findet).
ebo
19. Mai 2025 @ 14:17
Nana – die SPD handelt einzig und allein aus staatspolitischer Verantwortung 😉
KK
19. Mai 2025 @ 16:42
Ja, natürlich… wie der Alkoholiker, der Alkohol nur wegen der Geselligkeit trinkt 😉
Guido B.
19. Mai 2025 @ 12:49
„Vielleicht sollte man sich in Brüssel ‘mal fragen, was eigentlich schief läuft in der EU.“
Wenn sie das könnten, müssten sie keine Angst vor Wahlen haben.
Sie haben die Frage längst beantwortet: Schuld sind immer „Populisten“ (innerer Feind) oder Russen (äusserer Feind).
KK
19. Mai 2025 @ 13:39
Wenn sie das würden, würden sie auch schnell eine Antwort finden: “Inzwischen alles!”