So leicht wird die EU Puigdemont nicht los – und neue Eskalation im Impfstreit mit London

Die Watchlist EUropa vom 10. März 2021 –

Der ungelöste Katalonien-Konflikt fällt auf die EU zurück – und wirft die Frage auf, wie Brüssel mit einer politischen – pardon: politisierten – Justiz in einem wichtigen Mitgliedsland umgeht.

Vier Jahre nach der gescheiterten Sezession Kataloniens von Spanien hat das Europaparlament die Immunität des früheren katalanischen Regierungschefs Carles Puigdemont aufgehoben.

Puigdemont werde die Parlamentsentscheidung vor dem höchsten EU-Gericht in Luxemburg anfechten, kündigte sein Anwalt an. Damit zeichnet sich eine jahrelange gerichtliche und politische Auseinandersetzung ab.

Der politische Streit begann gleich nach dem umstrittenen Votum. “Wir haben unsere Immunität verloren, aber das Europäische Parlament hat mehr als das verloren“, kritisierte Puigdemont.

Die Abgeordneten hätten ihre Glaubwürdigkeit verspielt, da sie auf Spanien andere Maßstäbe anlegten als auf Russland oder Venezuela. Es handelte sich um einen „klaren Fall von politischer Verfolgung“.

Allerdings sieht es derzeit nicht so aus, als müssten Puigdemont und seine Mitstreiter sich bald vor Gericht verantworten. Belgien und Schottland haben mehrere Gesuche zur Auslieferung nach Spanien abgelehnt.

Zweifel an der Unabhängigkeit

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Zur Begründung verwies Belgien darauf, dass die von der spanischen Justiz angeführten Straftatbestände wie „Rebellion“ im belgischen Strafrecht nicht bestünden.

Darüber hinaus gibt es aber auch Zweifel an der Unabhängigkeit der spanischen Justiz. Normalerweise wäre dies ein Fall für die EU-Kommission, die über den Rechtsstaat in den 27 Mitgliedsstaaten wacht.

In Ländern wie Ungarn oder Polen ist Brüssel deshalb bereits aktiv geworden, in Spanien nicht. Auch dies kritisieren die katalanischen Separatisten – sie fühlen sich ungerecht behandelt.

Brüssel verweigert den Dialog

Puigdemont hatte nach seiner Flucht nach Brüssel 2017 mehrfach versucht, mit der Brüsseler Behörde in Kontakt zu treten. Doch die Kommission verweigerte den Dialog.

Nun hat auch das Europaparlament mit den Katalanen gebrochen und einen gefährlichen Präzedenzfall geschaffen. Dennoch bleibt der Konflikt ein Fall für die EU – jetzt sind die Richter in Luxemburg gefragt.

Bis zu einem Urteil könnten allerdings noch Monate vergehen. In der Zwischenzeit sollten sich die Berufs-EUropäer fragen, wie man gleichzeitig die Politisierung der russischen Justiz kritisieren und zu Spanien schweigen kann…

Siehe auch “Schlechtes Timing: EU-Parlament lässt Puigdemont fallen”

Watchlist

Am Mittwoch fällt mit monatelanger Verspätung der offizielle Startschuß für die Bürgerkonferenz zur Zukunft der EU. Die drei Institutionen Kommission, Parlament und Rat geben sich dafür ein Stelldichein. Bürger sind zu dem Festakt in Brüssel nicht eingeladen. Und bis der Bürgerdialog beginnt, dürften auch noch Monate vergehen – allein schon die Corona-Pandemie verhindert einen echten Dialog… – Mehr hier

Hotlist

  • Der Impfstreit mit London eskaliert erneut. Schuld ist diesmal EU-Ratspräsident Michel. In seinem jüngsten Newsletter voller Eigenlob hatte er behauptet, das Vereinigte Königreich und die USA hätten “eine regelrechte Sperre verhängt für den Export von Impfstoffen oder Impfstoff-Komponenten“. London wies dies umgehend zurück und bestellte den EU-Botschafter ein. Offenbar liegen die Nerven blank – nebenbei streiten Brüssel und London auch noch über Nordirland… Mehr dazu hier
  • In den Brüsseler EU-Einrichtungen soll die Corona-Impfung schon am 22. März beginnen. Dies berichtet “Politico”. Angeblich steht die Aktion im Einklang mit den belgischen Impfplänen. – In Wahrheit können “normale” Belgier von einer Impfung derzeit nur träumen. Kommission und Parlament genießen eine Vorzugsbehandlung!
  • Ist Deutschland das Topziel für Fake News aus Russland? Dies behauptet der Auswärtige Dienst der EU. Doch der neue Bericht liefert dafür keine Belege – er zeigt lediglich, dass in russischen Medien viel Unsinn über Deutschland berichtet wird. Der ist aber für das heimische Publikum bestimmt – in deutschen Medien kommt davon nichts an…