Selmayr auf Crash-Kurs beim Brexit

Während das Unterhaus in London verzweifelt nach einer Notlösung beim Brexit sucht, hat die EU-Kommission neue, harte Pflöcke eingeschlagen. Die treibende Kraft ist Generalsekretär Selmayr – führt er die EU auf Crash-Kurs?

Wenn es nach dem Europaparlament ging, dürfte Selmayr gear nicht mehr im Amt sein. Im März bekräftigten die EU-Abgeordneten ihre Forderung nach einem „umgehenden Rücktritt“ des deutschen Juristen – seine umstrittene Ernennung vor einem Jahr sei unrechtmäßig gewesen.

Doch das stört Selmayr nicht im Geringsten. Statt sich wenigstens etwas mehr zurückzuhalten, hat er die Leitung des Krisenstabs zum Brexit in der EU-Kommission übernommen. Schon beim EU-Gipfel Ende März drängte der CDU-nahe Jurist die Chefs zu einem harten Kurs.

Nun, da der EU-Austrittsvertrag schon dreimal im Unterhaus gescheitert ist und ein „No Deal“ – also ein chaotischer Brexit – droht, hat Selmayr noch einmal nachgelegt. Die Briten dürften nicht auf Zugeständnisse hoffen, wenn sie ohne Vertrag austreten. Hier das Ergebnis:

A “no-deal” scenario on 12 April is now a likely scenario. The EU has been preparing for this since December 2017 and is now fully prepared for a “no-deal” scenario at midnight on 12 April. The EU will remain united. The benefits of the Withdrawal Agreement, including a transition period, will in no circumstances be replicated in a “no-deal” scenario. Sectoral mini-deals are not an option.

Statement by the European Commission on the vote on the Withdrawal Agreement in the House of Commons

Zu gut deutsch: Nichts von dem, was im Austritts-Abkommen vereinbart war, dürfe bei einem „No deal“ umgesetzt werden. Keine Übergangszeit, keine Mini-Deals für einzelne Industriesektoren. Die Briten sollen leiden – und die Abgeordneten sollen abgeschreckt werden.

Im Sinne einer kurzfristigen, auf Brüssel zentrierten Verhandlungstaktik mag dies verständlich erscheinen. Aus Sicht der deutschen Wirtschaft, aber auch der betroffenen Häfen und Grenzregionen in Irland, Nordfrankreich, Belgien und Holland, ist es das jedoch nicht.

Denn diese setzen natürlich auf Übergangsfristen und sektorale Absprachen, um das totale Chaos zu verhindern. Für einige Branchen gibt es das ja auch schon. Und die Bundesregierung hat nun sogar erklärt, Briten auch im Ernstfall frei einreisen zu lassen – eine Visumpflicht soll es nicht geben.

Selmayrs Crash-Kurs wird sich also nicht durchsetzen, er wäre viel zu riskant. Bleibt die Frage, warum Kommissionschef Jean-Claude Juncker und Kanzlerin Angela Merkel den Deutschen nicht zurückpfeifen. Soll er den „harten Hund“ spielen, oder trauen sie sich schlicht nicht?

Siehe auch „Wenn es ernst wird, übernimmt Selmayr“