Problematische Zeitenwende in der EZB

Die Europäische Zentralbank hat zum ersten Mal seit elf Jahren den Leitzins erhöht. Zudem hat sich EZB-Chefin Lagarde von ihrem großen Vorgänger Draghi emanzipiert – doch um welchen Preis?

Es ist eine Zeitenwende für die europäische Geldpolitik. Doch mit dem Krieg in der Ukraine hat sie (fast) nichts zu tun. Schließlich schoß die Inflation schon vor Kriegsbeginn weit über das 2-Prozent-Ziel hinaus. Sie wird von den Energiepreisen befeuert, nicht von Russland.

Nun, da die Preissteigerung in der Eurozone bei 8,6 Prozent liegt, wählt EZB-Chefin Lagarde das große Geschütz. Der Einlagenzins soll um einen halben Prozentpunkt auf null Prozent steigen. Auch der offizielle Leitzins, der bisher bei null lag, soll im selben Umfang steigen. 

Daß die Entscheidung wenige Stunden nach dem Rücktritt von Amtsvorgänger Draghi in Rom kam, kann man als Emanzipations-Versuch der Französin werten. Schaut her, wir sind sogar von Meister Draghi unabhängig – so die Botschaft aus Frankfurt.

Sicherheitshalber legte die EZB ein neues Werkzeug gegen “Fragmentierung” auf, um Staaten bei Turbulenzen an den Finanzmärkten unterstützen zu können. Laut Lagarde kann jedes Land der Euro-Zone in den Genuss des sog. TPI-Programms kommen.

Aktuell geht es natürlich um Italien. Doch reicht das aus, um Italien vor einer neuen Eurokrise zu bewahren? Kommt die Zinswende nicht viel zu spät – und riskiert Lagarde nun eine Rezession? Die EZB-Entscheidung wirft mehr Fragn auf, als sie beantwortet.

Die Geldpolitik soll das Problem der Inflation lösen. Das hat sie nicht geschafft. Stattdessen ist sie selbst zum Problem geworden…

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P.S. TPI kommt übrigens mit Auflagen. Es sind die üblichen neoliberalen EU-Konditionen: Eligibility for purchases will be based on what the ECB called a “cumulative list of criteria”. These include: compliance with EU fiscal rules; absence of severe macroeconomic imbalances; fiscal sustainability as judged by bodies including the European Commission, the European Stability Mechanism and the International Monetary Fund; sound and sustainable macroeconomic policies complying with European Commission recommendations.