Das Problem mit den Spitzenkandidaten

Erst haben sie EU-weite Wahllisten abgelehnt, nun machen sie Front gegen Frankreichs Staatschef Macron, weil der (angeblich) keine Spitzenkandidaten für die Europawahl 2019 will: Was ist los mit den EU-Parlamentariern? 

Es war ein denkwürdiger Tag in Straßburg: In der vergangenen Woche sagten die Abgeordneten Nein zu EU-weiten Wahllisten, um dann mit großer Mehrheit für eine Wiederauflage der Spitzenkandidaten zu stimmen.

Das 2014 eingeführte System der Listenführer, mit dem gleichzeitig der nächste EU-Kommissionspräsident bestimmt wird, werde man sich nicht mehr nehmen lassen, hieß es selbstbewußt quer durch alle Fraktionen.

Dabei ist dieses System nicht wirklich demokratisch. So hatte sich der Erfinder der europäischen Spitzenkandidaten, SPD-Mann Schulz, im Alleingang zur „Spitze“ gekürt. Die konservative EVP war zunächst sogar dagegen.

Doch dann nominierte die EVP mit J.-C. Juncker einen Mann, der in seiner Heimat Luxemburg nach einem Skandal schmählich abgewählt worden war – und niemanden begeisterte, nicht einmal Kanzlerin Merkel.

Wählen konnten Schulz & Co. nur jene mehr oder weniger glücklichen EU-Bürger, in deren Land ein „Spitzenkandidat“ antrat. Die „Spitzen“ waren also (wenn überhaupt) nur national legitimiert, nicht europaweit.

Die „Spitzen“ hängen in der Luft

Genau dieses Problem sollte nun mit den EU-weiten Listen gelöst werden. Die „Spitzen“ sollten nicht mehr in der Luft hängen, sondern eine Europaliste anführen, die in der gesamten EU gewählt werden könnte.

Für dieses System macht sich Macron stark. Er will damit erreichen, dass auch seine neue Bewegung „LREM“ bei der Europawahl 2019 eine Chance hat. Sie gehört nämlich noch keiner etablierten Parteienfamilie an.

Genau das will nun aber die konservative EVP verhindern, die von CSU-Mann Weber geführt wird. Mit dem fadenscheinigen Argument, EU-weite Listen seien für die Wähler uninteressant, ließen sie sie durchfallen.

Machtkampf im bürgerlichen Lager

Es geht hier also um einen Machtkampf zwischen Merkel und ihren Christdemokraten auf der einen Seite und Macron und seinen Liberalen auf der anderen. Die Spitzenkandidaten sind dabei nur ein Vehikel, die EU-Listen auch.

Das Problem ist jedoch, dass Spitzenkandidaten ohne europaweit wählbare Listen keinen Sinn machen. Sie sind eine Kopfgeburt der „Parteienfamilien“, die ihrerseits oligarchisch (und nicht demokratisch) organisiert sind.

Einen Vorteil haben davon nur die Konservativen, denn als größte Fraktion haben sie den Wahlsieg 2019 fast schon in der Tasche. Macron will sich damit nicht abfinden, deshalb wird er nun zur Zielscheibe…