Politik ohne Parlament – nicht nur in Paris

Frankreichs Sonnenkönig Macron will seine heftig umstrittene Rentenreform ohne das Parlament durchbringen. Dies ist nur auf den ersten Blick ungewöhnlich – die EU macht das schon lange.

Die französische Regierung hat die umstrittene Rentenreform ohne finale Abstimmung durchs Parlament gedrückt. Sie entschied, das wichtigste Reformprojekt von Präsident Emmanuel Macron mit einem Sonderartikel der Verfassung umzusetzen. Der Artikel 49.3 gilt als “Nuklearoption” der französischen Politik.

Die Gegner der Reform, die mehrmals Millionen Menschen auf die Straße gebracht hatten, sehen darin einen eklatanten Verstoß gegen die Demokratie. Linke und Rechte in der Pariser Nationalversammlung planen nun ein Mißtrauensvotum gegen die Regierung, die sich offenbar von ihren Bürgern abgekoppelt hat.

Die EU hat mit dem Vorgehen dagegen keine Probleme. Schließlich fordert die EU-Kommission die Rentenreform seit Jahren. Und so lange alles nach Recht und Gesetz vorgeht – und sei es nach dem Ausnahme-Artikel 49.3 – ist für Brüssel alles in Ordnung. Im Zweifel ist der Rechtsstaat wichtiger als die Demokratie!

Hinzu kommt, dass sich die Brüsseler Behörde seit dem Amtsantritt von Frau von der Leyen auch immer öfter über das Parlament hinwegsetzt. Der jüngste Fall ist das Verbrenner-Verbot, das die Europaabgeordneten längst abgesegnet haben. Nun verhandelt von der Leyen mit Berlin!

Okay, daran ist die deutsche Ampel schuld. Aber es gibt noch andere, viel gravierendere Beispiele. So hat von der Leyen die Impfstoff-Beschaffung in der Coronakrise komplett am Parlament vorbei organisiert. Die Abgeordneten bekamen nicht einmal Einsicht in ungeschwärzte Verträge!

Auch der schuldenfinanzierte Nebenhaushalt “Next Generation EU”, vulgo Corona-Aufbaufonds, läuft ohne parlamentarische Kontrolle. Mehr als 800 Mrd. Euro werden von der ungewählten EU-Behörde in Brüssel verteilt, ohne dass das Europaparlament ein Mitspracherecht hätte.

Sogar die Ukraine-Politik läuft am Parlament vorbei. Die ersten Russland-Sanktionen hat von der Leyen im Alleingang mit US-Präsident Biden ausgehandelt. Die 5 Mrd. Euro schwere “Friedens-Fazilität” wird von den Mitgliedsstaaten verwaltet, als “intergouvernmentaler” Neben-Haushalt.

Erstaunlicherweise haben die meisten Abgeordneten damit aber keine Probleme. Eine überwältigende Mehrheit würde gern noch mehr Geld für Waffen und Munition ausgeben, Parlamentschefin Metsola fordert sogar Kampfjets für Kiew. Wohl auch deshalb fällt das eklatante Demokratie-Defizit kaum noch auf…

Siehe auch “Der unglaubliche Machtzuwachs der EU-Kommission“. Mehr zur (Post-)Demokratie hier