Polen will keine Waffen liefern – und vergleicht Ukraine mit “ertrinkender Person”
Der Streit zwischen Polen und der Ukraine eskaliert. Die polnische Regierung kündigte an, dass sie keine neuen Waffen liefern werde. Präsident Duda vergleicht die Ukraine mit einer “ertrinkenden Person”, die alles mitreißt.
“Ukraine is behaving like a drowning person clinging to anything available,” sagte Duda nach Angaben der britischen FT (zitiert nach The Hill) “A drowning person is extremely dangerous, capable of pulling you down to the depths … simply drown the rescuer.”
Zu gut deutsch: Das Land und ihr Präsident Selenskyj benehme sich wie eine ertrinkende Person, die sich an alles in ihrer Reichweite klammert. Dies sei extrem gefährlich, da ein ertrinkender Mensch auch den Retter mit in die Tiefe ziehen könne.
Eine extrem harte Aussage – vor allem vom Präsidenten eines Landes, das der Ukraine ewige Treue geschworen hat. Doch nach Selenskyjs Behauptung, Polen spiele mit seinem Agrar-Bann Russland in die Hände, liegen wohl die Nerven blank.
Für Wirbel sorgt auch, dass Warschau vorerst keine neuen Waffen in die Ukraine schicken will. Man werde “nur zuvor vereinbarte Lieferungen von Munition und Rüstungsgütern ausführt. Einschließlich derjenigen, die sich aus unterzeichneten Verträgen mit der Ukraine ergeben”, sagte ein Regierungssprecher.
Das ruft nun sogar die deutsche Bundesregierung auf den Plan. Verteidigungsminister Pistorius kündigte Gespräche mit Polen an. Offenbar hat er Sorge, dass die einstige polnisch-ukrainische Waffenbruderschaft in offene Feindschaft umschlägt…
P.S. Die EU hat der Regierung in Kiew ihre fortgesetzte militärische Unterstützung zugesichert. Die europäische Haltung sei “stabil und unverändert”, sagte der Sprecher des EU-Außenbeauftragten Borrell. Allerdings leistet die EU selbst nur einen vergleichsweise geringen Anteil…
Thomas Damrau
22. September 2023 @ 07:19
Die Freundschaft zwischen Polen und Ukraine basierte aus meiner Sicht schon immer auf der Logik „Der Feind meines Feindes ist mein Freund.“
Historisch beherrschte Polen-Litauen bis ins 17. Jahrhundert den westlichen Teil der heutigen Ukraine, wurde aus einigen Teilen vertrieben, blieb aber eine dauernde Bedrohung – was dazu führte, dass das sogenannte Hetmanat sich dem Schutz Russlands anvertraute ( https://de.wikipedia.org/wiki/Hetmanat#Verbindung_zum_Zaren ). Und dann es immer hin und her:
– Die diversen polnischen Teilungen verschoben die Grenze des Zarenreichs (und damit die ukrainische Grenze) nach Westen.
– Nach dem ersten Weltkrieg erstand Polen neu, wodurch die Grenze wieder nach Osten verschoben wurde.
– Nach dem zweiten Weltkrieg verschob Stalin die Grenze wieder nach Westen.
Die Beteiligung ukrainischer Nazi-Kollaborateure an der Ausrottung von Polen und Juden wurde nie wirklich aufgearbeitet.
Genügend historisches Konflikt-Potential also.
Und wenn jetzt der Feind des Feindes einerseits dem Feind nicht wirklich eins auswischen kann und andererseits immer wieder aggressive Vorwürfe wegen mangelnder Solidarität raushaut, …
Helmut Höft
22. September 2023 @ 09:15
@Thomas Damrau
Geschichtsvergessenheit, ein ewiges Übel! Man bedenkt nicht die Abfolge von voranliegenden Ereignissen. Und nein, damit ist nicht Entwicklung gemeint – das setzt Planung voraus – nein, nein, lieber stolpert man von einem Ereignis in das nächste! (nennt sich “Krone der Schöpfung”? Vllt. besser “Furunkel am A… der Evolution”? SCNR)
Hierzu Musik mit Text (2’03”): https://www.youtube.com/watch?v=UToY497YpZQ
Katla
21. September 2023 @ 17:25
Großartig! Absolut nachvollziehbare und geradezu zwingende Reaktion.
Bei Polen und den anderen osteuropäischen Ländern spielt es eine grosse Rolle, dass der dortige Lebensstandard nicht mal ansatzweise mit dem westlichen zu vergleichen ist. Menschen, die so schon wenig haben und durch die ausufernde Unterstützung der Ukraine schmerzhafte Einschnitte zu ertragen haben, ist nicht zu vermitteln, dass das von ihnen unterstützte Land ihre Agrarwirtschaft mit voller Absicht in den Abgrund stoßen will – und ihr Land dann auch noch wiederholt beleidigt.
Ausbleibende Waffenlieferungen sind allerdings nur eine mittelschwere Katastrophe für die Ukraine. Richtig schlimm wäre es dann, wenn Polen auch noch anfangen sollte, keinen Treibstoff mehr zu liefern. Die ukrainischen Raffinerien sind zerstört, die Ukraine bezieht ihren Treibstoff deshalb komplett aus polnischen, rumänischen und ungarischen Raffinerien. Sollte Polen nicht mehr liefern, dürfte der Ukraine-Krieg sehr schnell vorbei sein. Polen hat also noch ein As im Ärmel.
KK
21. September 2023 @ 13:40
“…liegen wohl die Nerven blank.”
Ich sehe das anders: Da scheint wohl langsam jemand die Gefahren deutlich zu erkennen und auch öffentlich benennen – ausgerechnet aus einer Ecke, aus der man es am allerwenigsten erwartet hätte!
Stef
21. September 2023 @ 13:17
Polen hat sich zudem laut Welt explizit gegen einen Sitz Deutschlands im UN-Sicherheitsrat ausgesprochen. Ich halte dieses Ansinnen zwar für vollkommen illusorisch. Ein Affront von Polen gegen Deutschland ist aber auch das. Nimmt man dies, die Distanzierung Polens von der Ukraine, die Zielbestimmung Polens als stärkster Militärmacht Europas und den altbekannten Umstand, dass in Polen mit Ressentiments gegen Deutschland Wahlen gewonnen werden, einmal zusammen in den Blick, wird mir durchaus Bange vor den weiteren Entwicklungen. Wir haben einen zunehmend aggressiven und chauvinistischen Nachbarn und es ist in der hiesigen politischen Debatte in Berlin nicht vorgesehen, darüber auch nur laut zu sprechen.
Dann ist wohl Deutschland der letzte Unterstützer der Ukraine in unverbrüchlicher (Vasallen)Treue. Angesichts des Umstandes, dass Deutschland neben der Ukraine selbst der Hauptverlierer dieses Konflikts ist, gibt es dafür mindestens zwei Interpretationsmöglichkeiten:
– Solidarität unter Entrechteten und Erniedrigten
– Stockholm-Syndrom
Monika
22. September 2023 @ 12:29
Polen will “Deutschland” keinesfalls im Sicherheitsrat der UN.
Selenskij und “seine” Ukraine wollen uns unbedingt dauerhaft in diesem Sicherheitsrat.
Alle ständigen Mitglieder des Sicherheitsrat wollen uns dort auf Dauer wohl eher nicht sehen.
Wo sich die BRD selbst sieht oder nicht sieht interessiert anscheinend niemanden, nicht einmal die BRD….
Ich vergleiche das Verhältnis der BRD/USA gern mit einem zwangsverheirateten Ehepaar:
die Ehefrau BRD kann gern ihre Hobbys pflegen, solange sie dem Gatten USA gesellschaftlich und wirtschaftlich den Rücken frei hält. Sollten ihre Aktivitäten jedoch in irgendeiner Weise auf den Gatten “störend wirken”, wird sie flugs zurückgepfiffen und bei Ungehorsam auch mal kräftig durchgef.. (siehe Nordstream 2).
Für Frauen, die sich trennen wollen, gibt es bei uns das Frauenhaus. Für die BRD müsste die UN die Rolle des Frauenhauses spielen, aber selbst dort sind wir nur bedingt ein souveränes Mitglied.