Plenković übernimmt, doch Merkel bestimmt

Es ist ein Ritual: Jedes halbe Jahr wechselt der Ratsvorsitz. Alle sechs Monate reist die EU-Kommission in eines der (noch) 28 Mitgliedsländer, um die Regierung zur Ratspräsidentschaft zu beglückwünschen und Prioritäten abzustimmen.

Nun ist Kroatien dran, das jüngste EU-Mitglied. Am 9. Januar ist Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und ihr Team nach Zagreb gereist.

Am Abend stand ein Gala-Konzert im Nationaltheater stand auf dem Programm, danach ging es zu Gesprächen mit Premierminister Andrej Plenković.

Diesmal ist das Ritual symbolisch besonders aufgeladen. Plenković hat seine Führungsrolle zu einer Frage der nationalen Ehre gemacht.

Dass seine Regierung für sechs Monate die Geschicke der EU leiten darf, sei der „größte Erfolg seit der Gründung des kroatischen Staates.“

Der konservative Premier will die glücklosen Jahre vergessen machen, in denen Kroatien ein Schattendasein fristete. Nach dem EU-Beitritt 2013 ging fast alles schief.

Die Wirtschaft schwächelte, zehntausende Kroaten wanderten aus, die Zustimmung zur EU ging in den Keller („Kroatien zeigt, was bei der Erweiterung schief läuft“)

Damit soll nun Schluß sein. Plenković hat sich und Europa (drunter macht er es nicht) große Ziele gesetzt.

Seine Regierung verspricht „ein Europa, das wächst und sich entwickelt; ein Europa, das verbindet; ein Europa, das schützt und ein Europa, das eine globale Rolle spielt.“

Es klingt nach den PR-Sprüchen der neuen EU-Kommission; nur von der Leyens umstrittener „European Way of Life“ fehlt. Es klingt aber auch nach Selbstüberschätzung.

Denn natürlich kann das kleine Kroatien diese großen Ziele nie und nimmer in den nächsten sechs Monaten umsetzen.

Die Regierung in Zagreb darf schon zufrieden sein, wenn sie wenigstens ihr wichtigstes Ziel erreicht – und die stockende EU-Erweiterung auf dem Westbalkan vorantreibt.

Frankreich hat die Beitrittsgespräche mit Albanien und Nordmazedonien blockiert, Kroatien will den Weg frei machen.

Der kroatische Vorsitz ist nur eine Art Vorspeise

Alle anderen wichtigen Themen – vom „European Green Deal“ bis zum neuen EU-Budget für die Jahre 2021 bis 2027 – dürften erst im zweiten Halbjahr entscheidungsreif werden, unter deutschem Ratsvorsitz.

Auch die entscheidende zweite Phase des Brexit fällt unter Angela Merkels Ägide.

Die kroatische EU-Präsidentschaft wird in Brüssel deshalb nur als eine Art Vorspeise betrachtet; das Hauptgericht kommt unter deutschem Vorsitz an dem 1. Juli.

Fast sieht es so aus, als seien kleine EU-Länder wie Kroatien zu einer Statistenrolle verdammt. Die Strippen ziehen immer noch die großen Staaten – vor allem Deutschland.

Weiterlesen im Cicero („Merkels letztes Mal in der Manege“)