Pfizer-Affäre (2/3): Der Impfschaden geht in die Milliarden

Seit zwei Jahren weigert sich die EU-Kommission, den umstrittenen Impfstoff-Deal mit dem US-Pharmakonzern Pfizer offenzulegen. Kommissionschefin von der Leyen scheint immun gegen Kritik. Doch nun regt sich Widerstand.

(Teil 2 von 3)

Gefährlich werden könnte von der Leyen vor allem das Parlament. Denn dort geht der Groll über ihre Geheimniskrämerei quer durch alle Fraktionen – bis hin zur Spitze. So fordert die Vizepräsidentin der EU-Volksvertretung, Katarina Barley (SPD), eine öffentliche Anhörung der CDU-Politikerin.

Es sei „selbstverständlich“, dass sich von der Leyen dem Parlament stelle, sagte sie dem FOCUS: „Ich erwarte das auch“. Zwar habe der Sonderausschuss, den das Europaparlament zur Aufarbeitung der Coronakrise eingesetzt hat, nicht die gleichen Kompetenzen wie ein Untersuchungsausschuss des Bundestages.

Deshalb können die EU-Abgeordneten die Kommissionschefin nicht einfach vorladen. Es sei jedoch Aufgabe des Parlaments, die Kommission zu kontrollieren, so Barley, die von der Leyen noch aus der gemeinsamen Arbeit in der Bundesregierung kennt. Sie dürfe sich nicht verweigern. Schließlich gehe es um „sehr viel Steuergeld“.

Es geht um bis zu 35 Mrd. Euro

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Die Rede ist von 35 Milliarden Euro – so viel soll die Bestellung wert sein, die von der Leyen Anfang 2021 bei Pfizer aufgab. Davon sollen noch bis zu 10 Milliarden Euro ausstehen. Die Nachrichtenagentur Reuters hatte im Januar berichtet, dass die Zahlungsverpflichtung der EU aus diesem Vertrag in einer Größenordnung zwischen 7,8 und 9,75 Milliarden Euro liege.

Offizielle Angaben fehlen – denn die Verträge sind geheim, nicht einmal die EU-Abgeordneten bekommen die kritischen Klauseln zu sehen. Einige grüne Parlamentarier haben dagegen vor dem Europäischen Gerichtshof geklagt. Doch obwohl sie bereits im Januar eine Anhörung beantragt haben, warten sie bis heute auf einen Termin.

„Die EU-Kommission weigert sich immer noch, die Verträge mit den Pharmaherstellern komplett offen zu legen“, berichtet Tilly Metz aus Luxemburg, die an der Klage beteiligt ist. „Für mich ist das unverständlich, denn die Impfstoff-Beschaffung liegt nun schon einige Zeit zurück, und wir müssen uns auf die nächsten Krisen vorbereiten“.

„Eine Frage des Prinzips“

Dies gehe aber nicht ohne das nötige öffentliche Vertrauen – und das könne nur durch Transparenz und Kontrolle gesichert werden. „Für mich ist das eine Frage des Prinzips: Das Europaparlament muss die Arbeit der Kommission kontrollieren. Das ist meine Aufgabe, das bin ich meinen Wählern und Wählerinnen schuldig.“

Metz glaubt zwar nicht mehr, dass sich von der Leyen noch vor der Europawahl stellen und den Pfizer-Deal offenlegen wird. Umso eifriger arbeitet sie mit anderen Abgeordneten am Schlussbericht des Corona-Sonderausschusses, der im Sommer vorgelegt werden soll. Eine Lehre steht für sie jetzt schon fest: In der Coronakrise saß die Industrie am längeren Hebel.

„Die EU-Kommission hat in dieser Ausnahmesituation ihr Bestes gegeben“, so Metz. „Aber die Zusammenarbeit mit der Pharmaindustrie war für sie neu, und rückblickend hätte man einige Probleme vermeiden können.“ So habe sich die Kommission beim Ankauf von Corona-Impfstoffen auf das „Commercial secret“ eingelassen.

Das sei aus heutiger Sicht ein Fehler gewesen, der die EU teuer zu stehen komme. Auch die beteiligten Länder müssten das aufarbeiten.

Dieser Beitrag ist zuerst in der „taz“ erschienen. Der (leicht gekürzte) Artikel steht hier. Siehe auch „Pfizer-Affäre: Das hört nicht einfach auf“. Teil 1 steht hier, Teil 3 hier