Paris, Straßburg, Berlin: Die “Mitte” hält nicht mehr
Die Vertrauenskrise in der EU spitzt sich zu. Und das nicht nur, weil Linke und Rechte zwei Misstrauensvoten gegen die EU-Kommission eingebracht haben.
Die Mitte hält – unter diesem Motto haben sich EU-Chefin von der Leyen und ihre Anhänger nach der Europawahl 2024 an der Macht gehalten.
“Die Mitte zerfällt”, müsste es ein Jahr später heißen – in der EU und in mehreren Mitgliedsländern spitzt sich die Vertrauenskrise zu.
In Paris brennt die Hütte, in Straßburg gibt es gleich zwei Misstrauensvoten – und in Berlin hat die kleine Koalition um Kanzler Merz auch keine echte Mehrheit mehr.
In Paris brennt seit Montag die Hütte – nach dem Rücktritt von Premier Lecornu steht Präsident Macron mit dem Rücken zur Wand. Er hat mit seiner Politik schon lange keine Mehrheit im Parlament mehr; nun droht ihm auch noch das Rest-Vertrauen der Franzosen abhanden zu kommen.
Im EU-Parlament in Straßburg dürfte es nicht ganz so schlimm kommen – die beiden Misstrauensvoten am Donnerstag (ein von der Linken, eins von den Rechten) könnte von der Leyen mit Ach und Krach überstehen. Doch auch sie genießt über kein echtes Vertrauen mehr – im Gegenteil.
Niemand vertraut ihr wirklich
Für ihre Politik hat sie kaum noch Unterstützung. Sieht man einmal von der konservativen EVP um den CSU-Politiker Weber ab, so sind eigentlich alle Fraktionen mit der CDU-Politikerin unzufrieden. Ihre pro-europäische “Mitte” zerlegt sich, sie muß immer mehr faule Kompromisse eingehen.
Deshalb hat sie nicht nur ein (vages) Programm für “erschwingliches Wohnen” und (bescheidene) Sanktionen gegen Israel angekündigt, um den Sozialdemokraten zu gefallen. Sie hat auch am Verbrennerverbot und der Entwaldungsverordnung gerüttelt – zwei Anliegen von CDU/CSU.
Doch selbst dieser Eiertanz reicht nicht mehr, wie der Machtkampf mit Kanzler Merz in Berlin und das Grummeln beim letzten EU-Gipfel in Kopenhagen zeigen. Niemand war mit von der Leyens Vorschlägen zum “Drohnenwall” und zur Ukraine-Hilfe zufrieden, niemand vertraut ihr wirklich.
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Kleopatra
8. Oktober 2025 @ 19:27
Eine Kommission sitzt, wenn sie einmal ernannt wurde, recht fest im Sattel. Ein Misstrauensvotum braucht eine Zweidrittelmehrheit der abgegebenen Stimmen, die auch noch mindestens die Hälfte der Mitgliederzahl des EP ausmachen müssen. Dies wurde bisher nie erreicht; es ist lediglich eine Kommission vor der Abstimmung zurückgetreten (Santer im Jahr 1999), was natürlich aus Angst vor einem erfolgreichen Misstrauensvotum geschah.
KK
8. Oktober 2025 @ 09:53
„Deshalb hat sie nicht nur ein (vages) Programm für “erschwingliches Wohnen”…angekündigt“
Heisst das, sie will die explodierten Wohnnebenkosten für Energie angehen? Das ginge doch – mal abgesehen von deren künstlicher Aufblähung durch den Zertifikatehandel – nur mit einem Ende der Sanktionen gegen Russland (und auch Iran), um an billigere zu gelangen … die Mieten und Baukosten (auch hier treiben Kosten für Energie und Rohstoffe) sind ja nicht das einzige Problem, das ursächlich für die hohen Wohnkosten ist.
vdL wird am Donnerstag wohl allein deshalb die Misstrauensvoten überstehen, da aus Prinzip die Linken nicht für Anträge der Rechten stimmen und umgekehrt.
KK
9. Oktober 2025 @ 13:03
„vdL wird am Donnerstag wohl allein deshalb die Misstrauensvoten überstehen, da aus Prinzip die Linken nicht für Anträge der Rechten stimmen und umgekehrt.“
q.e.d.