Panzerdebatte: Warum lässt sich Deutschland vorführen?

Erst Polen, dann Großbritannien, nun auch noch das Europaparlament: Immer stärker wird Deutschland bedrängt, Leopard-Kampfpanzer an die Ukraine zu liefern. Warum lässt sich das größte EU-Land so vorführen?

Polen machte den Anfang. Auch ohne Absprache mit Berlin werde man Leos an die Ukraine liefern, sagte Präsident Duda. Dann wagte sich UK aus der Deckung. Deutschland solle Kampfpanzer schicken, und zwar für lau, erklärte Verteidigungsminister Wallace.

Nun bläst auch das EU-Parlament den Marsch. Kanzler Scholz solle “ein europäisches Konsortium relevanter europäischer Länder zu initiieren, um ohne weitere Verzögerung Leopard-2-Kampfpanzer an die Ukraine zu liefern”, beschlossen die Abgeordneten.

Das findet sogar “dpa” merkwürdig. “Dass ein Regierungschef eines EU-Landes namentlich in einem Bericht des Europaparlaments zu etwas aufgefordert wird, gilt als außergewöhnlich – zumal der Antrag von einem Mitglied der an der Bundesregierung beteiligten Grünen eingebracht wurde”, schreibt die Agentur.

Was ist da los? Warum lässt sich Scholz vorführen – noch dazu von einem Parlament, das knietief im Korruptionssumpf steckt? Wird die deutsche Außenpolitik neuerdings in Warschau, London und Straßburg gemacht? Wo bleibt die souveräne deutsche Entscheidung?

Offen gestanden: Ich weiß es nicht. Für diese Entwicklung gibt es kein historisches Vorbild. Und es gibt auch keine sachliche Begründung.

Denn die meisten Experten sind sich einig, dass auch Leopards kein “Gamechanger” sind und weitere Waffensysteme gebraucht werden, wenn die Ukraine “siegen” soll, wie es die EU deklariert.

„Ich glaube, dass der Druck auf die Bundesregierung so groß wird, dass sie nicht zurück können. Es wird der Ukraine helfen, aber der Leopard-Panzer wird kein Gamechanger sein.”

Militärexperte Sönke Neitzel bei “Lanz”

Wenn diese Analyse stimmt, drängen sich zwei Schlußfolgerungen auf:

  • Zum einen muß die Lage in der Ukraine verdammt ernst sein. Offenbar fürchten die Drängler, dass das Land in der erwarteten russischen Winteroffensive untergeht. Nach den Panzern werden sie bald Kampfflugzeuge fordern, dann Truppen. “Germans to the front” – das ist der logische Endpunkt der Debatte.
  • Zum anderen muß Deutschland verdammt schwach sein, dass es sich vorführen lässt. Die Schwachpunkte heißen Bundeswehr, Nord Stream und Abhängigkeit von den USA bei Waffen und Energie. Scholz ist auch schwach, aber die Fakten zählen mehr. Allein schon das unaufgeklärte Nord Stream-Attentat spricht Bände…

Beides – die ernste Lage in der Ukraine und die eklatante Schwäche Deutschlands – haben zu dieser unsäglichen Debatte geführt. Kann sie noch positiv gewendet werden? Ja, wenn Scholz als Gegenleistung für deutsche Panzer eine amerikanische Exit-Strategie fordert.

Gerade weil die Leos so begehrt sind, kann Deutschland sie als Trumpf nutzen. Gerade weil es auf Deutschland ankommt, kann Scholz hoch pokern – auch aus einer Position der Schwäche.

Mehr deutsche Waffen, mehr deutscher Einfluß – und mehr amerikanische Bemühungen um ein Ende des Krieges: das wäre ein Deal. Er zeichnet sich nicht ab. Nicht einmal ansatzweise…

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P. S. Scholz soll die Lieferung deutscher Leopards an die Bereitstellung amerikanischer Abrams gebunden haben. Souverän klingt das nicht, europäisch ist es auch nicht. Ich sehe nur Taktik, keine Strategie…

P.S. Der neue Verteidigungsminister Pistorius will sich nicht vorführen lassen. Beim Kriegsgipfel in Ramstein schob er die Entscheidung über Leo-Lieferungen hinaus. Allerdings will er diese Entscheidung vorbereiten lassen, da kommt also noch was…