Orban bricht mit Weber – Juncker scherzt über „Autopsie“

Er wollte ein „Brückenbauer“ nach Osteuropa sein, nun steht er vor einem Scherbenhaufen: Ungarns Rechtsausleger Viktor Orban hat mit EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber gebrochen.

Der CSU-Politiker habe sein Land „beleidigt“, begründete Orban seine Entscheidung. Zuvor hatte Weber gesagt, er wolle das Amt des EU-Kommissionspräsidenten nicht annehmen, wenn er zur Wahl die Stimmen von Orbans rechtspopulistischer Fidesz-Partei bräuchte.

„Weber wäre als Kandidat gut für uns gewesen“, erwiderte Orban. Aber die Absage an Fidesz sei inakzeptabel. „Das ist eine Beleidigung Ungarns und der ungarischen Wähler“, sagte Orban, der sich zuletzt dem italienischen Lege-Chef Matteo Salvini zugewandt hatte.

Damit ist genau das eingetreten, was Weber eigentlich vermeiden wollte. Orban kehrt ihm und der EVP den Rücken, die Rechtskonservativen und Nationalisten sammeln sich in einer neuen Bewegung. Dass er selbst den Anstoß gegeben hat, ist nur ein schwacher Trost.

Denn Weber hat viel zu lange gezögert, bevor er Orban in die Schranken verwies. Sein Schwenk wird daher kaum politische Wirkung entfalten. Sozialdemokraten und Grüne sehen Weber längst nicht mehr als glaubwürdig an. Orban hingegen kann sich als Opfer präsentieren und Stimmung machen.

Fortan wird man das rechte Lager noch genauer beobachten müssen. Bisher hieß es immer, Nationalisten und Populisten könnten nur Sprüche klopfen und nicht zusammenarbeiten. Doch drei Wochen vor der Europawahl wird ein Rechtsbündnis immer wahrscheinlicher.

Es dürfte vor allem zu Lasten von Weber und seiner EVP gehen…

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Watchlist

  • Was führt US-Außenminister Mike Pompeo im Schilde? Am Dienstag wird er im Bundeskanzleramt in Berlin empfangen. Zu den Hauptthemen dürften der Machtkampf in Venezuela, die Lage in Syrien, der Ukraine-Konflikt sowie das Verhältnis zu Iran zählen. Es ist Pompeos Antrittsbesuch in Berlin. Er darf vor allem bei Außenminister Heiko Maas auf Sympathie hoffen; es gibt sogar eine gemeinsame Pressekonferenz!

Was fehlt

  • Der Frust über die EU im Iran. Die Europäer hätten ihr Versprechen nicht gehalten, den Handel vor US-Sanktionen zu schützen, heißt es in Teheran. Am Dienstag ist in Brüssel ein Treffen zwischen den Vertretern des Irans und der sogenannten 4+1 Gruppe – China, Frankreich, Russland, Großbritannien sowie Deutschland – angesetzt. Teheran könnte dabei eine „Teilkündigung“ des Atomabkommens ankündigen.
  • Das letzte, bizarre Bonmot von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Als er erfuhr, dass er zum „Europäer des Jahres“ ausgezeichnet wurde, sagte Juncker, der Preis komme zu spät. „The honor came so late in his career it was „at the moment of autopsy.“, zitiert ihn „Politico“. Was soll man davon halten? Fühlt sich Juncker schon (politisch) tot – oder ist es besonders bittere Selbst-Ironie?