Özil und das Gift des Nationalismus
Es ist erst eine Woche her, dass sich Europa für seinen Weltklasse-Fußball feierte. Doch von der Freude ist schon nicht mehr viel übrig. Nationalismus und Rassismus machen den Spaß zunichte – nicht erst seit dem Rücktritt von Özil.
Klar, der Arsenal-Profi Özil, der mit der deutschen Mannschaft 2014 Weltmeister wurde, bekommt derzeit besonders viel Aufmerksamkeit. Die hat er auch verdient – aus zwei Gründen.
Zum einen hatte Özil für Fotos mit Präsident Erdogan posiert – und damit seine Nähe zum türkischen Nationalismus (und der autoritären Politik Erdogans) gezeigt. Das war schwer vereinbar mit der Mitgliedschaft in der deutschen Nationalmannschaft.
Doch statt sich zu erklären, hat Özil geschwiegen – und damit das gesamte Team und die WM belastet. Nun redet er – und teilt aus. Er wirft dem DFB und seinem Präsidenten “Rassismus” vor. Starker Tobak.
Dieser Blog ist nicht der richtige Ort, um über Özils Vorwürfe zu reden. Dafür gibt es bessere Foren. Wir wollen nur festhalten, dass es im deutschen Fußball-Streit um Nationalismus und Rassismus geht.
Und genau das hatten wir auch schon während der WM, sogar im Endspiel zwischen Kroatien und Frankreich. Das Finale löste beim EU-Neumitglied Kroatien eine Orgie des Nationalismus aus, sogar faschistische Lieder wurden gesungen.
In Frankreich gab es nach dem Sieg auch einen nationalen Überschwang – doch zum Glück ohne Exzesse. Stattdessen wurde die “Equipe tricole” im EU-Ausland als “Afrikas Team” verspottet, einige Berichte waren offen rassistisch.
Was sagt uns das über den Zustand Europas und der EU? Nichts Gutes. Nationalismus und Rassismus sind wieder hoffähig geworden, in Deutschland spalten Ressentiments sogar die deutsch-türkische Community.
Ein positiver Aspekt soll aber nicht unerwähnt bleiben: Mit Frankreich hat das multikulturellste Team dieser WM gewonnen – bleibt zu hoffen, dass das auch positive Auswirkungen auf die Integration in den Banlieues hat…
Siehe auch “Im Fußball Weltklasse, in der Weltpolitik nur Amateur”
Art Vanderley
24. Juli 2018 @ 22:32
Kroatien ist nicht typisch für die Art des Feierns, bei deren Fans gab es schon immer einen Hang zum aggressiven Nationalismus.
Den Fall Özil sollte man nicht überschätzen, aber ein Geschmäckle hats schon, andere Spieler waren genauso mies und werden nicht ansatzweise so angegangen.
Aber auch der Hinweis von Erich ist Teil der Wahrheit. Es gibt unter Deutsch-Türken und Muslimen einen erheblichen Anteil, der selber rassistisch und nationalistisch denkt, thematisiert wird das aber nur von rechts und dann in entsprechender Weise.
Viele Liberale, Linke und Konservative rümpfen lieber vornehm die Nase bei diesem Thema und wundern sich dann über das rechte Alleinstellungsmerkmal.
ebo
24. Juli 2018 @ 22:35
Der Nationalismus, auch der türkische, wurde in meinem Blog deutlich angesprochen.
Art Vanderley
25. Juli 2018 @ 20:48
War auch eine allgemeine Aussage, die sich nicht auf den Blog bezog.
Claus
24. Juli 2018 @ 18:22
Da laufen 22 Millionäre hinter einem Ball hinterher. Für welches Land sie morgen dem Ball hinterherlaufen, hängt davon ab, wer am meisten bietet. Und damit in Deutschland um Gottes Willen niemand auf den Gedanken kommen könnte, die Veranstaltung hätte im Entferntesten etwas mit „Nationalität“ zu tun, heißt der Legionärs-Kickerclub dann „Die Manschaft“ und lässt sich von den DFB-Granden dann auch noch in frischem Steingrau einkleiden, damit niemand wegen seines visuellen Empfindens Anstoß nehmen könnte. Und da die Politik inklusiv Frau Merkel das alles ganz toll findet, wird auch gern als Bonus noch ein „Integrationspreis“ obendrauf gelegt.
Also, liebe Leute, sich gedanklich damit zu beschäftigen zu sollen, dass „Die Mannschaft“ oder eine andere beispielhaft für Integration, Multikulturalismus, Rasssismus, Identität oder anderes stünde, ist schon starker Tobak. Da kommen wir 50 Jahre zu sät. Heute geht’s schlichtweg nur um die schnöde Kohle. Und aus politischer Sicht um „Panem et circenses“ – Brot und Spiele für den Dummdödel. Und Randale gibt’s beim Fußball regelmäßig. Im Sinne der Politik war das frühe Ausscheiden Deutschland wohl eher nicht, gab es doch weniger Chance, während der Endspiel-Hysterie irgendwelche dubiosen Aktionen an der öffentlichen Aufmerksamkeit vorbeizuschleusen.
Einzig erfreulich an der WM war, dass mein Getränke-Discounter, als sich die Schmach offenbarte, eine ganze Palette „Finale-Bier“ zum Schnäppchenpreis rausgehauen hat. Habe zugegriffen.
Georg Soltau
24. Juli 2018 @ 16:55
Die Aktion von Herrn Özil mit Herrn Erdogan war genau so blöde und dumm wie jetzt seine Stellungnahme. Ist Herr Özil eine so wichtige Figur, dass jetzt diese große mediale Aufmerksamkeit betrieben wird ? Nein! Leute regt Euch ab, die Angelegenheit ist es nicht wert. Kurzer Bericht , kurzer Kommentar o.k., aber dann bitte weg von den ersten Seiten.
Erich
24. Juli 2018 @ 08:57
Tut mir leid, aber seht ihr nicht die vielen Parallelgesellschaften? Dazu kann ich einen Kommentar wiedergeben, den ich für zutreffend halte:
>Es ist ein Alarmzeichen für Linke, aber nicht für Denkende, die solches schon lange prophezeit haben, wenn aus der Mitte der zweiten und dritten Generation der hier geborenen Kinder und Enkel türkischer Einwanderer immer noch das Blut-und-Ehre-Gedankengut eines glorreichen Türkentums höher bewertet wird, dem Blutsverwandtschaft alles, die aufnehmende Gesellschaft aber nichts bedeutet.<
Es geht hier nur um einen millionenschweren Fußballer, der sich in England angesiedelt hat und einen deutschen Pass hat, sich aber nicht als Deutscher fühlt. Und? Die Erde dreht sich weiter.
Oudejans
23. Juli 2018 @ 15:22
>>”Stattdessen wurde die “Equipe tricole” im EU-Ausland als “Afrikas Team” verspottet, einige Berichte waren offen rassistisch.”
Das muß man leider unterschreiben. Aber auch unterhalb der R-Schwelle gab es einiges deutschsprachige zu lesen, in dem CRO zum Weltmeister der Herzen ausgerufen wurde, Tenor ‘im Felde unbesiegt’. Übel.
ebo
23. Juli 2018 @ 15:27
Mit der Ustascha hatten wir es immer schon 😉