Nutzt der Terror Le Pen?
Es war ein bizarrer Wahlabend. Nachdem die elf französischen Präsidentschafts-Kandidaten ein letztes Mal um Zustimmung geworben hatten, mussten sie zur Terror-Attacke in Paris Stellung nehmen. Wem nutzt der Anschlag?
Wird er der FN-Führerin Le Pen noch mehr Stimmen zutreiben? Das fürchten viele in Brüssel. Zuletzt war die Nationalistin und EU-Gegnerin ins Hintertreffen geraten. Die Angst vor Terror könnte ihr helfen.
Gute Chancen rechnet sich aber auch der Republikaner Fillon aus. In den sozialen Medien sei er zuletzt sehr beliebt gewesen, so ein Wahlforscher; Fillon könnte es in die Stichwahl schaffen, Le Pen hingegen nicht.
Und was ist mit dem Liebling der (deutschen) Medien, Macron? Auch er verspürt Rückenwind, nachdem ihm Ex-Präsident Obama die Ehre eines Anrufs zu Teil werden ließ. Aber reicht das für den Wahlsieg?
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Ich habe meine Zweifel, zumal der Kandidat der Linken, Mélenchon, auch wieder einen starken Auftritt hinlegte. Er hat seine Kritik an der EU und Deutschland relativiert, was moderate Wähler beruhigen könnte.
Wer wird es also am Sonntag in die zweite Runde schaffen? Das Rennen ist völlig offen. Wenn es eine Wahl der Angst wird, nützt das Le Pen und Fillon. Der „IS“ könnte zum objektiven Helfer der Rechten werden…
Mehr zur Wahl in Frankreich hier
Claus
21. April 2017 @ 12:46
Dailymail online: „The alleged ISIS gunman, identified as 39-year-old father Karim Cheurfi – who was jailed for 20 years for trying to kill officers in 2001 – parked his Audi and opened fire after police stopped at a red light on the world famous avenue“
Spiegel Online: „Laut Nachrichtenagentur AFP soll es sich bei dem Angreifer um einen 39 Jahre alten Franzosen handeln.“
Lost in Europe: Der “IS” könnte zum objektiven Helfer der Rechten werden.“
Etwas weiter ausgeholt: Helfer der Rechten ist das langjährige eklatante Versagen der regierenden Parteien in der Sicherheits, Migrations- und Einbürgerungspolitik. Besondere Brisanz entsteht, wenn wie hier noch die Kuscheljustiz hinzukommt. Dieser Fall ist sicherheitspolitisch vergleichbar mit dem des Anis Amri. Täter und Gefahrenpotential waren den Verantwortlichen bekannt. Es dürfen diese Themen sein, die bei vielen Franzosen zur Wahl stehen.
kaush
21. April 2017 @ 18:10
Es scheint wohl zu viel verlangt statt “Nutzt der Terror Le Pen?” zu fragen, die einzig interessante Frage zu stellen: Was ist die Ursache?
Die Ursache ist doch ganz deutlich ein umfassendes Staatsversagen.
Le Pen ist die einzige Kandidatin, die glaubhaft machen kann, dass sie diesen Verfall, diesen Zustand ändern will.
Melenchon hat es schwerer glaubhaft zu wirken, mit seinen Relativierungen und Hologramm-Shows.
Ich wünsche den Franzosen den notwendigen Mut, für eine wirkliche Veränderung des Status quo zu stimmen.
Macron traue ich das nicht zu.
“Macron und Le Pen sind Favoriten”
http://www.theeuropean.de/the-european/12128-praesidentschaftswahlen-in-frankreich-2017
Peter Nemschak
21. April 2017 @ 11:52
Den IS hätte man sich ersparen können, hätte man die Armee Saddam Husseins nicht aufgelöst sondern in die neuen staatlichen Strukturen des Irak integriert. Zugegeben, das wäre angesichts der dort herrschenden ethnischen Spaltungen schwierig, aber vielleicht möglich gewesen.
ebo
21. April 2017 @ 11:53
Wer ist nochmal „man“?
Peter Nemschak
21. April 2017 @ 12:24
Die Amerikaner sind zu früh aus dem Irak abgezogen. Leider haben demokratische Systeme wenig Durchhaltevermögen, wenn es um Einsatz von Menschen und finanziellen Ressourcen geht. Alle wollen schnelle billige Erfolge, um wiedergewählt zu werden. Wenn man interveniert, braucht man einen langen Atem. Das beste Beispiel ist Entwicklungspolitik, wo es keinen Quick Fix gibt, mit dem man daheim politisch punkten kann.
hintermbusch
21. April 2017 @ 13:04
Wenn Sie der Meinung sind, dass „demokratische Systeme“ Kriege, deren Gründe von A bis Z zusammengelogen sind, noch intensiver und länger durchziehen sollten, dann sollten Sie das offen sagen.
Passen Sie aber auf, dass Sie am Ende nicht bei einer Aussage wie „Die Rechtfertigung von Krieg liegt allein im Sieg“ herauskommen.
Peter Nemschak
21. April 2017 @ 15:36
Die Rechtfertigung für Krieg liegt nicht im Sieg sondern in der Erreichung der gesetzten politischen Ziele mangels wirksamer Alternativen, über deren Sinnhaftigkeit man selbstverständlich diskutieren kann. So wie Frieden ist auch Krieg kein Ziel sondern Mittel der internationalen Politik Im Falle des Iraks und Libyens wurde das Kriegsziel der Demokratisierung durch gewaltsamen Regimewechsel nicht erreicht. Daher sollte man sich derlei Interventionen pro futuro gut überlegen. Auch in Nordkorea wäre ein Regimewechsel weder im Interesse Chinas, der USA und schon gar nicht Südkoreas. Dort geht es um containment. Dass militärischer Gewalteinsatz nicht das einzige Mittel internationaler Politik sein darf, soll der guten Ordnung halber an dieser Stelle betont werden. Es wird ihn aber auch in Zukunft geben, zumeist als Drohung, um staatlichen Willen durchzusetzen.
hintermbusch
21. April 2017 @ 11:41
Der seit 2 Jahren stark gehäufte Terror in Europa und vor allem gegen Frankreich ist beunruhigend. Nicht bei jedem „kleinen“ Vorfall, der durchaus die Tat eines einzelnen Radikalen oder einer kleinen Gruppe sein kann, aber bei großen Attentaten und Organisationen muss man immer die Frage nach staatlichen Sponsoren stellen. Was ist denn der IS Anderes als ein Label von islamistischen Gruppen, die konkret mit Geld und Knowhow von staatlichen Akteuren gesponsort werden? In Syrien und Irak ist hinreichend klar, dass hinter dem „IS“ auch Sponsoren aus den Golfstaaten, aus Saudi-Arabien und aus der Türkei gestanden haben müssen. Das muss aber nicht die letzte Ebene sein.
Und wie sieht es bei „IS“-Taten in Europa aus? Wenn man beim Terror tief genug gräbt, kommt man meist an einem Geheimdienstgebäude heraus. Die Frage ist nur: von welchem Geheimdienst? Wenn es um diese Frage geht, ist der Fantasie keine Grenze gesetzt.
Offensichtlich ist, dass uns hier in Mitteleuropa, also in Frankreich und Deutschland, seit zwei Jahren zunehmend der Boden unter den Füßen brennt. Das alles soll das Werk von Kleinkriminellen sein, die irgendwann spontan von ihrer islamischen Erleuchtung heimgesucht worden sind? Da gaube ich nicht dran. Deshalb ist für mich der Terror auch nicht automatisch ein Argument für Le Pen oder Fillon, selbst wenn es eine Dummheit der anderen ist, ständig die Gefahr des islamisch motivierten (oder gelabelten) Terrors schön zu reden.
Peter Nemschak
21. April 2017 @ 11:40
Wahrscheinlich nutzt der Terror Le Pen heute weniger als früher, weil er bereits in den Alltag der Franzosen „integriert“ und Teil der großstädtischen Alltagsroutine geworden ist. Auch Terror stumpft ab und verliert mit der Zeit seinen Neuigkeitswert.
Oudejans
21. April 2017 @ 10:16
>>“Auch er verspürt Rückenwind, nachdem ihm Ex-Präsident Obama die Ehre eines Anrufs zu Teil werden ließ.“
In kindischer Verblendung weinte ich am TV während Obamas acceptance speech.
Und heute? Schlachthaus Syrien und Atom-Kim. Kündete aber nicht schon der prophylaktische FNP von der Farce?
Was las ich kürzlich über Bush d. J.? Er habe das Format gehabt, die Sitte zu achten, daß Altpräsidenten sich aus der Tagespolitik heraushielten.