Nordeuropa wirft sich in die Arme der US-Army
Nach Finnland und Schweden hat auch Dänemark der Entsendung von US-Truppen zugestimmt. Damit endet eine lange Phase der militärischen Unabhängigkeit – Nordeuropa wirft sich in die Arme der USA.
Nach Schweden und Finnland plant nun auch Dänemark ein Abkommen über stärkere militärische Zusammenarbeit mit den USA. Das kündigte Dänemarks Ministerpräsidentin Mette Frederiksen an.
Demnach soll das US-Militär Zugang zu drei Militärstützpunkten in dem EU- und Nato-Staat bekommen. Ähnliche Vereinbarungen haben die USA mit Finnland und Schweden geschlossen.
Noch bis vor kurzem waren Schweden und Finnland militärisch unabhängig, sie gehörten nicht einmal der Nato an. Dänemark hat seit den 50er Jahren keine fremden Truppen ins Land gelassen.
Nun wirft sich Nordeuropa in die Arme der US-Army. Offenbar vertraut man der neuen EU-Verteidigungsunion nicht über den Weg. Auch die geplante deutsche “Führung” in Militärfragen scheint nicht zu überzeugen.
Unklar ist, warum diese Entscheidungen gerade jetzt fallen. Der Krieg in der Ukraine tobt schon seit fast zwei Jahren, vor einem Jahr wurde die Nord-Stream-Gaspipeline gesprengt.
Dänemark und Schweden ermitteln – bisher ohne offizielles Ergebnis. Für den Schutz der Pipeline ist neuerdings die Nato verantwortlich. Wozu also die zusätzliche US-Präsenz?
Klar ist nur eins: Die vor allem von Frankreich propagierte militärische Souveränität EUropas ist nun noch unwahrscheinlicher geworden, die Abhängigkeit von den USA noch größer…
Arthur Dent
20. Dezember 2023 @ 20:56
@Kleopatra
Die Ukraine hat sich auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2021 für Atomwaffen interessiert – dann gilt das Budapester Memorandum auch nicht mehr
Arthur Dent
20. Dezember 2023 @ 20:49
@Kleopatra
1989 gab es die UdSSR noch und als Siegermacht WK II hätte sie ein Veto-Recht zur Wiedervereinigung gehabt. Die hätte man nie riskiert, man hätte der SU alles versprochen.
Helmut Höft
20. Dezember 2023 @ 10:56
Es wird ein beständiges Geheimnis der Politniki und der Mehrheit bleiben, warum man sich immer und ewig in die Arme von irgendjemanden werfen will/soll/muss!
Hat noch niemand mitgekriegt, dass dieser eigene Interessen hat und durchsetzt?
Wrum nich einfach 1) eigene Interessen klären, 2) Interessen Dritter klären, 3) gemeinsame Basis kreiiren?
Zuwenig: “Das gößte Stück für mich!”? Zuwenig Krawall? Zu wenig schtzngrmm? (hier zum Anhören: https://www.lyrikline.org/en/poems/schtzngrmm-1230)
Arthur Dent
20. Dezember 2023 @ 10:50
Mit der dauerhaften Stationierung von 4000 deutschen Soldaten in Litauen verletzt man eigentlich die Nato-Russland-Grundakte, an die sich Deutschland aber nicht mehr gebunden fühlt, weil Russland sie ja schon früher verletzt hat. Man schließt also Verträge, an die sich niemand gebunden fühlt. Vielleicht interpretiert Russland ja den Aufmarsch als Auftakt eines geplanten deutschen Angriffkrieges, dem man zuvorkommen müsse…
pittiplatsch
20. Dezember 2023 @ 08:45
3 neue Stützpunkte für sich, aber den Russen Stützpunkt Schwarzmeerflotte wegnehmen zu wollen und sich über das Echo wundern?
Kleopatra
20. Dezember 2023 @ 10:16
Russland hatte einen Stützpunkt für die Schwarzmeerflotte gepachtet. Die Aggression gegen die Ukraine im Jahr 2014 dürfte ein vertragswidriges Verhalten sein, das die Ukraine als Verpächterin zur fristlosen Kündigung des Pachtvertrages berechtigt. Dies hätten die Russen sich selbst zuzuschreiben.
KK
20. Dezember 2023 @ 11:54
Die Ausbreitung der NAhTOd bis an die Grenzen Russland (und insbesondere bis zur Ukraine und somit der Krim, wo dieser Stützpunkt ja gepachtet wurde) dürfte auch ein vertragswidriges Verhalten sein; denn auch mündliche Verträge gelten. Und diese Zusicherung des Westens hat es nach den Aussagen mehrerer auch westlicher Augen- und Ohrenzeugen ja definitiv gegeben.
Und Warnungen auch!
Kleopatra
20. Dezember 2023 @ 13:11
@KK: Nein, mündliche Verträge zwischen Staaten gibt es nicht. Siehe das Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge, Art. 2, Absatz 1 Buchstabe a: “Im Sinne dieses Übereinkommens a) bedeutet «Vertrag» eine in Schriftform geschlossene und vom Völkerrecht bestimmte internationale Übereinkunft zwischen Staaten…”.
KK
20. Dezember 2023 @ 14:48
@ Kleopatra:
Im Zwei-plus-Vier-Vertrag haben sich aber die Alliierten und Deutschland SCHRIFTLICH verpflichtet, die „Sicherheitsinteressen eines jeden“ zu berücksichtigen – insofern wäre nicht nur Deutschland, sondern auch die drei West-Allierten verpflichtet gewesen, die Bedenken Russlands bei der Aufnahme neuer NAhTOd-Mitglieder zu berücksichtigen. Schon Jelzin hatte rote Linien gezogen, über die sich die Vertragsparteien später hinweggesetzt hatten (Deutschland und Frankreich hatten wohl auch nicht zuletzt deswegen noch 2008 von ihrem Veto-Recht hinsichtlich der Aufnahme der Ukraine Gebrauch gemacht – das ist aber Schnee von gestern, zumindest der aktuelle Bundeskanzler hat ja ein sehr schlechtes Gedächtnis!).
Kleopatra
20. Dezember 2023 @ 18:35
@KK: Das Budapester Memorandum von 1994, in dem Russland, Frankreich,GB und China das Territorium der Ukraine garantiert haben, war aber schon später, und spätere Rechtsakte gehen früheren vor. Außerdem war der Zwei-Plus-Vier-Vertrag kein Vertrag darüber, wie mit Teilstaaten der Sowjetunion nach deren Zerbrechen zu verfahren sein würde.
KK
20. Dezember 2023 @ 22:12
Nein, der Zwei-plus-Vier-Vertrag war in erster Linie ein Vertrag darüber, wie alle Beteiligten nach der deutschen Wiedervereinigung miteinander umgehen würden. Und die gegenseitige Rücksichtnahme auf Sicherheitsinteressen stand sogar ganz vorne in der Präambel allem anderen voran (und ist daher auch für die Auslegung der Imntention des Budapester Memorandums wegweisend)!
Bestandteil des Budapester Memorandes war auch der Artikel 6, der im Streitfall Beratungen vorsah. Diese haben insbesondere Vertragsparteien USA und UK, aber letztlich auch Frankreich im Falle der russischen Sicherheitsbedenken hinsichtlich einer NAhTOd-Mitgliedschaft der Ukraine allerdings beharrlich verweigert, zuletzt im Dezember 2021 und Januar 2022.
Thomas Damrau
20. Dezember 2023 @ 08:19
@Kleopatra
Auch diese Diskussion über Putins Motivation hatten wir hier schon mehrfach:
— Motiv 1: “Putin möchte das Zarenreich auferstehen lassen – und im Zweifelsfall bis Lissabon durchmarschieren.”
— Motiv 2: “Putin hat 2022 die Ukraine angegriffen, weil er befürchtete, dass sich langsam das Zeitfenster schlösse, in dem er noch einen Beitritt der Ukraine zur NATO hätte verhindern können.”
Um nicht unter Verdacht zu geraten: Keines dieser Motive rechtfertigt die Anwendung von Gewalt. Aber es ist eben ein großer Unterschied, welches Motiv man Putin unterstellt – vor allem, wenn es um die Bewertung der Hyper-Rüstung geht, die gerade in der NATO losgetreten wird.
Arthur Dent
19. Dezember 2023 @ 23:56
Im nächsten Jahr beginnen eine Reihe von Nato-Großmanövern, vier Monate über halb Europa. Ziel ist es, eindeutig Russland abzuschrecken. Und aus „Spaß“ wird ja auch schnell mal Ernst.
KK
20. Dezember 2023 @ 11:11
“Ziel ist es, eindeutig Russland abzuschrecken.”
Ab- oder nicht doch eher AUFzuschrecken?
Inzwischen müsste die NAhTOd doch wissen, wie das in Russland ankommt… und was dabei auf dem Spiel steht.
Frei nach einem selbsternannten “Propheten”:
“Wenn es dem westlichen militärisch-industriellen Komplex gelingen sollte, die Völker noch einmal in einen Weltkrieg zu stürzen, dann würde das Ergebnis nicht die vollständige Kapitalisierung der Erde und damit der Sieg des US-Imperialismus sein, sondern die Vernichtung der menschlichen Spezies auf diesem Planeten.”
Wir sollten auf geopolitischer Ebene “Russisch Roulette” umbenennen; mein Vorschlag: NATO-Roulette…
Kleopatra
19. Dezember 2023 @ 19:47
@ebo: Schweden ist noch nicht in der NATO, Finnland erst seit Kurzem. Und auf die Frage „warum jetzt?“ hatte ich eine Antwort versucht: weil man nicht auf das ukrainische Kriegsglück vertrauen will. Dänemark ist nicht das einzige NATO-Land, das gegenwärtig eine Stärkung der Anbindung an mächtige Verbündete sucht.
@KK: Russland hat die Ostsee sehr wohl als Expansionsraum gesehen, vgl. Annexion Finnlands Anfang des 19. Jahrhunderts. Das ist zwar eine gute Weile her, aber mach das mal einer V. Putin klar, der sich für eine Wiedergeburt von Peter dem Großen hält… Leider bezahlt mich niemand dafür, dass ich meine Meinung sage. Als Slavist und Osteuropahistoriker kann ich allerdings die unsäglichen Produktionen des russischen Staatspropagandafunks im Original verstehen, und die sind für jeden, der sie versteht, Anlass, gegen Russland zu rüsten.
KK
19. Dezember 2023 @ 23:28
„…vgl. Annexion Finnlands Anfang des 19. Jahrhunderts.“
LOL – ja, dann solten diese Länder natürlich Angst haben, wenn man weit in der geschichte zurückgeht.
Dann aber bitte auch vor Deutschland (remember 1939 und seinem Lebensraum im Osten), dem UK (in dessen empire mal die Sonne niemals unterging), Spanien und Portugal nicht zu vergessen – und ganz besonders natürlich dem namensgebenden Italien bzw. Rom, nicht wahr?
KK
19. Dezember 2023 @ 18:28
„Offenbar vertraut man der neuen EU-Verteidigungsunion nicht über den Weg.“
Die werden noch schmerzlich erfahren müssen, inwieweit den USA unter einem Trump über den Weg zu trauen sein wird…
Kleopatra
19. Dezember 2023 @ 18:17
Ein altes Bonmot besagt, dass jedes Land eine Armee hat, entweder die eigene oder eine fremde; die eigene ist auf Dauer angenehmer. Die Aktualisierung dieses Spruches besagt, dass man entweder die USA oder die Russen im Land hat, und wer ist auf Dauer angenehmer?
Nachdem die Nordeuropäer gesehen haben, wie Russland ein Nachbarland überfällt, das ihm nichts getan hat, und wie die russische Armee dort haust, haben eben viele den Schluss gezogen, dass man sich gegen einen solchen Nachbarn und seine Machtansprüche zusammen mit mächtigen Verbündeten verteidigen muss. Russland sieht die Ostseeländer traditionell als Machtkonkurrenten und ggf. Territorien an, die sie dominieren wollen, und man weiß jetzt, dass es keine Hemmungen hat. Dafür, dass die Stationierung amerikanischer Truppen jetzt und nicht zu einem anderen Zeitpunkt erfolgt, dürfte die von Ihnen in anderen Artikeln angesprochene prekäre militärische Lage der Ukraine ausschlaggebend sein, vielleicht aber auch einfach die lange Dauer des Krieges, die zeigt, dass die Russen gefährliche und hartnäckige Feinde sind.
Theoretisieren über „militärische Souveränität Europas“ hilft nicht weiter. Kein Land, auch Frankreich nicht, hat etwas davon, wenn es von den Russen angegriffen und ggf. besetzt wird, weil es aus Rücksicht auf französische Ehrpusseligkeit keine amerikanischen Truppen bei sich stationiert sehen wollte.
KK
19. Dezember 2023 @ 18:32
Sie verdrehen mal wieder die Tatsachen – nicht Russland hat mit den Machtspielchen angefangen.
Und nein, Russland sieht die Ostseeanrainer eben nicht traditionell als Machtkonkurrenten an, die kamen sehr lange sehr gut miteinander aus. Bis sich die USA an der Seite der Balten und Polens in der Ostsee immer stärker die Muskeln spielen liessen war Russland da eher entspannt und hatte traditionell eben kein schlechtes Verältnis mit den Nordeuropäern.
Wer bezahlt Sie eigentlich?
ebo
19. Dezember 2023 @ 18:46
Sind die Russen je in ein Nato-Land einmarschiert?
Gibt es Anzeichen, dass sie demnächst Dänemark erobern könnten?
Wenn nein, warum kommt diese Entscheidung jetzt?
Stef
19. Dezember 2023 @ 19:01
Das US-Militär ist auch eine fremde Armee, oder übersehe ich da was?
Interessant ist der Vorwurf des Imperialismus Richtung Russland unter dem Schutzschirm der USA, dem Mutterland des Imperialismus nach WW2.
Die „Ermittlungen“ in Sachen Nordstream stehen ganz bestimmt in keinerlei Zusammenhang mit den Bemühungen um die Stationierung von US-Truppen. Die USA helfen gerne den Missetäter dingfest zu machen.
Das klingt schwer nach einer Wette auf eine Wahlniederlage Trumps.