“Nie wieder 2015” – Nun ist es doch passiert
Es ist eine Krise mit Ansage: Seit Monaten droht der türkische Sultan Erdogan damit, Migranten nach Europa zu schicken, um mehr Geld zu erpressen. Nun hat er seine Drohung in die Tat umgesetzt. Doch die EU weiß nicht, was sie tun soll.
“Die Flüchtlingskrise von 2015 darf sich nicht wiederholen”. So haben es Kanzlerin Merkel, Ex-Ratspräsident Tusk und dutzende anderer EU-Politiker gelobt. Der “Schutz der Außengrenzen” genieße Priorität, hieß es seit 2016 in Brüssel.
Doch nun, da Erdogan gezielt Tausende Migranten – die meisten kamen nicht aus Syrien – an die griechische Grenze schickt, wirkt die EU überrascht und unvorbereitet. Genau wie 2015, als die Türkei schon einmal einen Massenexodus erlebte.
Von der eigentlich zuständigen Grenzschutzagentur Frontex war ebenso wenig sehen wie von der “geopolitischen EU-Kommission”. Und statt die “Sprache der Macht” (von der Leyen) zu üben, vermied die EU jedes kritische Wort zu Erdogan.
Als schon tausende Menschen am Grenzfluss Evros angekommen waren, klammerte sich Brüssel immer noch an den Flüchtlingsdeal, den Kanzlerin Merkel 2016 mit Erdogan eingefädelt hatte. Der Deal müsse gerettet werden, hieß es.
Das ist nicht die Sprache der Macht, sondern das Winseln der Ohnmacht. Auch die geopolitische Analyse ist schwach. Erdogan sei ein Getriebener, weil die Lage im syrischen Idlip außer Kontrolle gerate, hieß es in Brüssel und Berlin.
Erdogans Drohnung ist eigentlich ein Hilferuf. Er ist mit dem Versuch gescheitert, in #Syrien mit RUS zusammenzuarbeiten. TUR braucht jetzt🇪🇺& den Westen. Wir müssen Geld & Hilfe bereitstellen, um die Flüchtlinge vorübergehend in der #Türkei zu versorgen. https://t.co/ot3KomdtYa
— Norbert Röttgen (@n_roettgen) February 29, 2020
Dass der Sultan die Krise mit gezielter Desinformation ausgelöst hat und für seine hybride Kriegsführung nutzt, bleibt natürlich unter dem EU-Radar. Desinformation gibt es ja nur in Russland, hybride Kriege führt ja bloß Putin.
Wie hilflos die EU ist, zeigt sich auch daran, dass nun alle wieder bei Merkel um Rat suchen – nicht nur der griechische Premier Mitsotakis, sondern auch der bulgarische Regieurngschef Borrisov und Migrationskommissar Schinas.
Doch von Merkel ist keine Lösung zu erwarten. Denn ihre Politik des Appeasements ist gerade krachend gescheitert. Das Einzige, das ihr einfällt, ist wohl, den gescheiterten Kurs fortzusetzen – mit neuen Milliarden für Erdogan.
Und natürlich soll es auch neue Sanktionen geben – aber nicht gegen die Türkei, die alle Absprachen mit der EU bricht und Griechenland drangsaliert, sondern gegen Russland. Es ist noch viel schlimmer als 2015…
Denn damals hielt sich die EU wenigstens noch aus dem Krieg in Syrien heraus. Nun hingegen könnte sie von Erdogan hineingezogen werden – und so Teil seiner hybriden Kriegsführung werden, mit allen Risiken.
2015 hatten die EUropäer gelobt, eine “europäische Lösung” der Flüchtlingskrise zu suchen und die Kriegsursachen zu bekämpfen. Fünf Jahre später zeichnet sich eine “türkische Lösung” ab – mit einem Krieg gegen Syrien und Russland…
Siehe auch “Lässt sich Merkel von Erdogan erpressen?” und “Wie die EU in Syrien scheitert”
Watchlist
Kommt es gleich zu Beginn zum Showdown? Das lassen die gegensätzlichen Positionen befürchten, mit den die EU und UK am Montag in Brüssel in die Verhandlungen über ein Post-Brexit-Abkommen gehen. Verhandlungsführer Barnier will ein umfassendes Abkommen auf Basis der EU-Gesetze, Premier Johnson will Freihandel nach seinen eigenen Regeln. Und wenn die EU nicht spurt, will Johnson schon im Juni den Verhandlungstisch verlassen…
Was fehlt
- Katalonien: Über 100.000 Anhänger bejubeln Puigdemont – Die meisten waren aus Spanien nach Südfrankreich gekommen – sie wollen keine Ruhe geben…
- Slowakei: Protestpartei gewinnt Wahlen – Die “Olano”-Partei setzte im Wahlkampf auf den Kampf gegen Korruption. Sie gilt als unberechenbar und populistisch…
- Coronavirus: Italien plant Milliardenprogramm für die Wirtschaft – Die EU-Kommission hatte letzte Woche noch zu Sparen gemahnt…
- Verkehrspolitik: Luxemburg feiert kostenlosen Nahverkehr – Tolle Sache, aber kaum auf Großstädte übertragbar, von großen Ländern zu schweigen…
- Flüchtlingspolitik: „Deutschland sollte Kapazitäten an Flüchtlingsunterkünften wieder aktivieren“ – Noch eine Erinnerung an 2015, und wieder wollen (fast) alle nach Deutschland……
Fritz - Ulrich Hein
3. März 2020 @ 03:09
Die EU und insbesondere Deutschland denken ja, mit Geld alles erreichen/kaufen zu können. Doch Deutschland hat die Prioritäten falsch gesetzt. Statt aus 2015 zu lernen, hat man alles laufen lassen. Man hätte mit dem staatlichen Wohnungsbau beginnen sollen. staatliche Wohnbaugesellschaften statt staatlicher Hilfe für Bauunternehmen. Damit hätte man im Baukastensystem schnell 1 Mio. Bauten hochziehen können. Geld und Grundstücke sind genug vorhanden. Und da, wo Umwelt- und Natur-NGOs Verhindern wollen, hätte man schnell durch rigoroses handeln dem Spuk ein Ende bereitet.
Holly01
3. März 2020 @ 11:40
Wenn “Wir” aus Griechenalnd ein lernen konnten dann das:
Die EU rettet Banken, nicht Menschen.
Sind
Banken in Gefahr? Nein? Na sehen Sie, kein Handlungsbedarf ….
vlg
Florian
2. März 2020 @ 12:33
Die EU kann sich nicht länger vor harten Entscheidungen, der Anerkennung der unangenehmen Wahrheit und Bildern, die uns traurig machen, drücken. Es muss Schluss sein mit der Appeasementpolitik um jeden Preis, der Hypermoral und der Verfolgung illusionärer Ideologieprojekte. Die EU droht sonst an ihren eigenen Widersprüchen und der ihr von anderen aufoktroyierten “fremden Agenden” zu implodieren. Die EU steht – so wie Deutschland auch – an einem Scheideweg. Leider scheint das derzeit vorhandene politische Personal an “Schönwetter-Kapitänen” nicht in Lage, den “Tanker” EU zielgerichtet durch die Stürme zu navigieren. Stattdessen trifft sich vdL lieber diese Woche mit “Greta” in Brüssel und holt sich deren “Expertenmeinung” zum “Green Deal” ein, während Merkel sich dem Muslimbruder vom Bosporus “unterwirft”, obwohl dieser zuvor die EU mehrfach brüskiert und zuletzt in einem feindlichen Akt die “Migrationswaffe” gegen die EU einsetzt hat.
Peter Nemschak
2. März 2020 @ 10:11
Hätte die EU den politischen willen und die erforderlichen militärischen Ressourcen ihren Willen durchzusetzen, wäre Erdogan erst gar nicht auf dumme Gedanken gekommen. Die Möglichkeit Gewalt einzusetzen wirkt auf die Kalkulationen des internationalen Gegners Wunder. Die lange Friedenszeit in Europa hat dies vergessen lassen.
Holly01
2. März 2020 @ 12:17
Sie können ja gerne eine Waffe nehmen und dem “Gegner” entschlossen entgegentreten.
Wenn Sie allerdings daran denken anderer Leute Kinder und Enkel zu benutzen, dann habe ich schlechte nachrichten für Sie:
” https://www.youtube.com/watch?v=e0qPsYTBCtQ ”
Ihr “da oben” habt die Karre in den Dreck gefahren und “uns hier unten” weitgehend enteignet, dann seht auch zu wo ihr Euch Freunde kauft. “Wir” haben nichts zu verlieren, außer Euch und damit komme ich gut zurecht.
vlg
Peter Nemschak
2. März 2020 @ 16:52
@Holly01 Leute wie Sie leugnen die unverändert gültige Machtmechanik zwischen Staaten. Eine wohlstandsgesättigte wehrunwillige Bevölkerung wie die unsere riskiert von anderen Staaten beherrscht zu werden. 75 Jahre Frieden in Westeuropa haben Frieden zu einer Selbstverständlichkeit werden lassen, was er nicht ist und historisch nie war. Man muss bereit sein für den Frieden zu kämpfen oder sich selbst aufzugeben. Der wichtigtuerischer Umgang von Trump mit militärischen Machtmitteln samt seinen lächerlichen Drohungen heißt nicht, dass eine selbstbewusste Staatengemeinschaft ihre vitalen Interessen, wenn nötig auch unter Einsatz von Gewalt nicht durchsetzen darf, will sie ernst genommen werden. Um glaubwürdig zu bleiben, muss der militärische Einsatz so sparsam wie möglich als letztes Mittel, aber wo notwendig, mit voller Konsequenz bis zur Zielerreichung erfolgen. Im Verhältnis zur Türkei heißt dies vollständiger Rückzug der Türkei von syrischem Staatsgebiet. Genereller Hass auf die bestehenden sozialen Verhältnisse ist dabei kein guter Ratgeber. Bisher hat sich die EU als Weltmacht nicht qualifiziert.
ebo
2. März 2020 @ 17:25
Die EU hat sich gerade wieder als Weltmacht disqualifiziert. Als solche würde sie Erdogan laut und deutlich widersprechen und mit Gegenmaßnahmen drohen. Stattdessen bereitet Merkel schon wieder den nächsten Rückzieher vor, und von der Leyen redet ihr nach dem Munde…
Pjotr56
2. März 2020 @ 15:27
Full ACK, Holly01
und zur Motivation derjenigen, die es sich, wie Herr Nemschak, in der Etappe gemütlich machen und für die es an der Zeit ist Gewalt einzusetzen hier die passende Marschmusik:
https://www.youtube.com/watch?v=sYnxLSwQSeI
Holly01
2. März 2020 @ 10:10
Das ist ja nun ein richtig übles Zusammentreffen:
– Großmanöver der NATO, bei den Friedensbewegten sind die roten Lampen an.
– Corona führt allgemein zu erheblicher Unruhe, teilweise Ängste.
– Hopp (ja das gehört dazu) führt zu einer Eskalation von denen da Oben, gegen die da Unten.
– Flüchtlinge in Griechenland, da fehlt nur noch ein “Wir schaffen das”.
– Die Börse sieht nicht wirklich gut aus.
– Die Entlassungen in der Industrie gab es schon VOR der “Krise” und das wird sicher nicht weniger.
– Die EU sieht aus, was wenn das nirgends mehr hinführt. Blockade auf allen Ebenen.
– NATO ist eine US Veranstaltung und die Amis wollen Eurasien mit allen Mitteln destabilisieren.
– Das Geldsystem ist im Dauerstress. Die Diagnosen fallen nach dem aus, wen man fragt.
– Die Assekuranzen sind mit den 80 Mio Lebensversicherungen ziemlich mit dem Rücken an der Wand.
– Die realen Probleme bei der Fischerei, wegen der Verseuchung nach Fukushima hat kaum noch jemand auf dem Schirm.
– Jetzt wird es zum Bumerang, das die Lebensmittelindustrie (die Besitzer sind ja die selben wie bei der Gesundheitsindustrie) aus dem Obst und dem Gemüse alle Vitamine nach Kräften raus gezüchtet hat.
– Alle Reserven wurden für die Gewinnmaximierung geschliffen, alle Parallelstrukturen wurden aufgelöst.
…..
So langsam werden die Wechselwirkungen und das Aufschaukeln der Einzelfaktoren unübersichtlich und der “Unterhaltungswert” verläßt gerade die Skala ….. nein es ist keine gute Unterhaltung.
vlg
asisi1
2. März 2020 @ 09:21
Erdogan macht genau das, was man mit vollkommen verblödeten Gutmenschen eben macht, er nimmt sie aus! Ich hoffe er schickt noch x Millionen her!
Pjotr56
2. März 2020 @ 09:13
@baer
Gemach, gemach! Röttgen kandidiert für den CDU Vorsitz und will später vielleicht sogar Kanzler.
Das Problem ist, dass die MSM i. d. R. nur höchst lückenhaft über die Hintergründe der Ereignisse informieren und dadurch der Bevölkerung die korrekte Einordnung mindestens erheblich erschweren bzw. unmöglich machen.
Demokratie funktioniert ausschließlich mit einer gut und umfassend informierten Öffentlichkeit.
In dieser Gemengelage können Nasen wie Röttgen, aber nicht nur er, Interessen einweben, die definitiv nicht die, der 99% in der EU sind.
Baer
2. März 2020 @ 08:42
Ein Atlantikbrückner sollte über Russland kein Wort verlieren.Röttgen gehört in den Ruhestand versetzt,und zwar ohne finanzielle Unterstützung.Ein Kriegshetzer und Dummschwätzer.