Das Ende der Gewissheit
Die Eurokrise ist auch nicht mehr, was sie einmal war: Die üblichen Verdächtigen sehen plötzlich wie Gewinner, die Vorbilder wie Verlierer aus. Frankreich muss so niedrige Zinsen wie noch nie für seine Anleihen zahlen, auch in Italien schrumpfen die Spreads. Gleichzeitig wurde bekannt, dass das deutsche Jobwunder schon seit September vorbei ist. Was ist denn nun los?
Die erste gute Meldung des Jahres kam ausgerechnet aus Athen. Die “Pleite-Griechen” verzeichneten im abgelaufenen Jahr einen primären Budgetüberschuss – ohne Schuldendienst kann sich der Staat also wieder selbst finanzieren. F. Lübberding vom Blog “wiesaussieht” machte daraus gleich eine Trendmeldung und spekulierte, Athen könne nun aus dem Euro austreten.
Doch so einfach ist die Sache nicht. Denn zum einen gelang der Überschuss nur mit Rechentricks zulasten der Privatwirtschaft, wie “ekathimerini” meldet. Zum anderen haben die “Euroretter” vorgesorgt und durchgedrückt, dass Überschüsse aus der Staatskasse auf ein Sperrkonto fließen, von wo aus sie überwiegend in den Schuldendienst gehen.
Nein, die Griechen können nicht raus
Griechenland ist der Austritt also weiter versperrt, der Euro wird mehr denn je zur Zwangsjacke. Mit Vorsicht sind auch die Nachrichten aus Paris und Rom zu genießen. Dass die Spreads sinken, ist zwar eine gute Sache. Es liegt aber nicht etwa am Zustand der Wirtschaft, sondern daran, dass die Anleger nicht wissen, wohin (sonst) mit dem Geld.
Denn eine Geldanlage in Deutschland verspricht überhaupt keine Rendite mehr. Auch sonst sieht es nicht mehr so toll aus, wie selbst Kanzlerin Merkel in ihrer Neujahrsansprache einräumen musste. Der Arbeitsplatzaufbau (das deutsche “Jobwunder”) ist schon seit September beendet, im Dezember gingen sogar mehr Jobs verloren als jahreszeitlich üblich.
Demgegenüber ging die Zahl der Arbeitssuchenden im Eurokrisenland Spanien wider Erwarten zurück. Doch auch das ist keine echte gute Nachricht, denn für 2013 sind die Aussichten wieder düster.
Die Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young rechnen für die gesamte Eurozone mit einem neuen Negativ-Rekord von mehr als 20 Millionen Arbeitslosen. Und diese Zahl soll nicht etwa im Februar oder März, sondern erst in der 2. Jahreshälfte erreicht werden – pünktlich zur Bundestagswahl.
Wird es noch schlimmer, bevor es (vielleicht) besser wird?
Wir haben es also mit einer Verschärfung der Krise zu tun – und gleichzeitig mit einem Ende der Gewissheit, bei dem Krisenkandidaten plötzlich besser und Vorbilder wie Verlierer aussehen. Die Daten stützen meine These, dass es 2013 erst noch schlimmer werden dürfte, bevor es (vielleicht) besser wird – wenn die Politik umsteuert (siehe “Wie die Krise enden kann”).
Aber ich lasse mich gerne eines Besseren belehren – und starte eine neue Umfrage. Diesmal geht es darum, die Aussichten für 2013 zu bewerten. Hoffentlich machen nicht nur die Pessimisten mit…
[polldaddy poll=”6806583″]
ebo
5. Januar 2013 @ 15:55
Die Umfrage ist zugegeben nicht ganz unproblematisch. Denn im neuen Jahr mischen sich ökonomische und politische Faktoren, wie die Wahlen in Italien und Deutschland. Aber auch die Erwartungen spielen eine wichtige Rolle, und darum geht es hier. Wie die ersten Ergebnisse zeigen, ist die Stimmung schlechter geworden – auch und gerade, was D betrifft…
Johannes
5. Januar 2013 @ 05:54
Hab mit ” …gemischt, aber Deutschland bleibt vorn” abgestimmt. Sollte Deutschland knallhart die Krise spüren, achten die Bürger noch mehr auf ihr eigenes Geld und was für Risiken wir übernehmen. Sollte es bergab in DE gehen, wird die Eurorettungspolitik noch viel viel schwieriger für die Politiker. Bevor ich andere rette, denke ich an mich selbst. Bevor ich im Süden Europas “neue Straßen” bau, baue ich lieber neue Straßen bei mir vor der Haustür.
marty
4. Januar 2013 @ 20:42
Puh, ich weiß nicht, ob ich bei der Umfrage überhaupt mitmachen kann … 🙁
Denn was bedeuten im Kontext der “Euro-Krise” die Begriffe “Optimismus” und “Pessimismus”? Ist ein “Optimist” jemand, der hofft, dass der Euro überlebt?
Oder aber jemand, der hofft, dass Südeuropa überlebt?
Der Euro zerstört mein geliebtes Südeuropa − daher hoffe ich, dass er so bald wie möglich auseinanderbricht (innerhalb des Euro hat Südeuropa nicht die geringste Überlebenschance).
Andererseits wird das Auseinanderbrechen des Euro ein riesiges Erdbeben inkl. Tsunami auslösen (was wiederum unser geliebtes Deutschland massiv schädigen wird).
Die Alternative lautet also: Zerstörung Südeuropas versus starke Schädigung Deutschlands. Bei der Wahl zwischen zwei Übeln muss man das kleinere wählen − daher hoffe ich, dass der Euro auseinanderbricht.
Beziehungsweise noch besser: kontrolliert abgewickelt wird. Leider hat auch in Südeuropa fast niemand den Mut, das so klipp und klar auszusprechen (evtl. Alexis Tsipras?).
ebo
4. Januar 2013 @ 17:33
@ariane Nun gut, das Sperrkonto allein wird wohl nicht reichen. Aber die Athener Regierung steht auch politisch zu den Spar- und Reformdiktaten aus Berlin und Brüssel. Ich habe bisher noch keine einzige Stimme aus dieser Regierung gehört, die für einen Austritt aus dem Euro plädiert…
Ariane
4. Januar 2013 @ 17:08
Hm, ich glaube zwar auch nicht, dass Griechenland aus dem Euro austreten wird. Bin mir aber nicht sicher, inwieweit das Sperrkonto als Druckmittel reicht. Nähmen wir an, Griechenland tritt aus dem Euro oder gleich komplett aus der EU aus. Was sollte sie daran hindern, das Sperrkonto aufzulösen? Mit einem Austritt wären ja die bisherigen Verträge eh hinfällig und es müsste irgendwie alles neu aufgedröselt werden und außer “Dann gibts kein Geld mehr” – was ja ebenfalls bei einem Austritt gelten würde – sehe ich da auch wenig Drohpotenzial seitens der EU. Um totales Chaos zu verhindern, wäre die EU evtl sogar kompromissbereit. Oder Griechenland tritt überall aus und wendet sich nur noch an den IWF, keine Ahnung, ob das ginge aber es hätte einen gewissen Witz. Aber wie gesagt, wirklich glauben tue ich daran nicht, zumindest noch nicht.