Nicht reformwillig
Griechenland sei nicht reformwillig, kritisieren EU-Politiker. Doch nun haben fünf EU-Präsidenten ein Papier zur “Vollendung” der Eurozone vorgelegt. Und siehe da: Sie wollen selbst keine echten Reformen!
Die Eurozone soll stärker, solidarischer und Schock-resistenter werden. Diese frohe Botschaft schickten EU-Kommissionschef Juncker und vier weitere EU-Chefs pünktlich zum Euro-Krisengipfel in die Welt.
Der so genannte Präsidenten-Bericht, der am Montag in Brüssel veröffentlicht wurde, legt den Grundstein für eine Reform der Währungsgemeinschaft bis ins Jahr 2025.
Er soll die Lehren aus der Eurokrise ziehen und neue Schocks vermeiden. Doch Juncker und seine Koautoren, darunter EZB-Chef Draghi und Parlamentspräsident Schulz, weichen allen heiklen Fragen aus.
Weder Eurobonds noch Schuldentilgung
So verzichten sie auf Gemeinschaftsanleihen, die so genannten Eurobonds, und auf einen Schuldentilgungsfonds, wie ihn das Europaparlament mehrfach gefordert hatte.
Auch an der Troika wollen die fünf Präsidenten nicht mehr rütteln – dabei hatte dies Juncker bei seinem Amtsantritt im Herbst 2014 noch versprochen. Strukturreform? Fehlanzeige!
Stattdessen soll die Eurozone ein gemeinsames Finanzministerium erhalten. Auch Merkels umstrittene Reformverträge zur Steigerung der “Wettbewerbsfähigkeit” kommen wieder, wenn auch in einem neuen Gewand.
“Das bedeutet Troika für alle”
„Das bedeutet Troika für alle und wäre Gift für Europa“, kommentierte der linke Europaabgeordnete De Masi. Enttäuscht äußerte sich auch er grüne Finanzexperte Giegold: „Der Berg kreißte und gebar eine Maus.“
Vor allem fehle ein gemeinsames Euro-Budget und die demokratische Kontrolle der Wirtschaftspolitik. Wohl wahr. Letztlich fallen die Vorschläge sogar noch hinter Junckers Amtsvorgänger Barroso zurück.
Wie war das nochmal mit Strukturreformen? Die “Euroretter” sind dazu offenbar nicht willens…
winston
23. Juni 2015 @ 16:42
@ Ebo
Schau mal hier.
https://twitter.com/igeldard/status/613325762381357056
Ich sag jetzt mal nix. 🙂
Man kann demokratische Prozesse und Abläufe eines souveränen Staates nicht an einem bürokratischen Moloch in Brüssel delegieren. Wieso soll ein Kroate sich von einem Deutschen, Französischen oder Polnischen EU-Kommissar Vorschreiben lassen was er zu tun oder zu lassen hat ?
ebo
23. Juni 2015 @ 17:24
Stimmt, Kroatien geht es seit dem EU-Beitritt nicht besser. Ich sehe auch die Tendenz, dass der Nutzwert der EU für ihre Mitglieder sinkt. Die EU ist zum Teil des Problems geworden, dass steht ja schon im Gründungsmanifest dieses Blogs. Deshalb will ich auch nicht mehr von dieser EU, sondern ein anderes, demokratisch vereintes Europa!
GS
23. Juni 2015 @ 18:45
Du bist halt Idealist, ebo. Ich, und womöglich auch ein paar andere hier, halte das für Träumerei. Die Völker Europas verbindet manches, aber mindestens genau so viel trennt sie. Das zieht sich weiter über die wirtschaftlichen Strukturen, die politischen Systeme usw.
Meine Befürchtung ist, dass die Europäer sich wieder voneinander entfremden und das friedliche und kooperative Nebeneinander wieder ersetzt wird durch Aggressivität. Weil man die Schraube “Integration” zu weit gedreht hat.
ebo
23. Juni 2015 @ 21:37
@GS Diese Sorge teile ich. Allerdings liegt es m.E. nicht an zu viel Integration, sondern an zu wenig bzw. an einer verfehlten Politik. Die Erweiterung ging viel zu schnell (ohne “Vertiefung”, sprich Integration), der Euro wurde ohne echte Basis aus dem Hut gezaubert, und das Ganze wurde durch neoliberale Voodoo-Rezepte völlig ungenießbar gemacht. Seitdem Berlin dann auch den IWF zur “Hilfe” gerufen hat, ist das Chaos perfekt.
mama
23. Juni 2015 @ 18:44
@ Ebo Gibt es eigentlich eine Aufstellung über Transferzahlungen an die Wirtschaft wie Sie Kevin Farnsworth für Großbrittannien erstellt hat auch für die Bundesrepublik Deutschland ?
http://www.theguardian.com/commentisfree/2014/oct/06/benefits-corporate-welfare-research-public-money-businesses
GS
23. Juni 2015 @ 19:19
Ja, google mal nach dem “Subventionsbericht der Bundesregierung”.
Nemschak
23. Juni 2015 @ 11:15
Was hier vorliegt, ist der kleinste gemeinsame Nenner des politisch heute Möglichen und reflektiert den Willen der Mehrheit der Bürger. Dessen ungeachtet wird Griechenland nicht umhin können Reformen durchzuführen, um Anschluss an die wohlhabenderen Länder Europas zu gewinnen.
S.B.
23. Juni 2015 @ 13:15
@Nemschak: Hier irren Sie aber gewaltig: Die Bürger wurden zu EU und Euro nie gefragt! Beide repräsentieren in keinster Weise den Willen der Mehrheit der Bürger, sondern zuvorderst den von Großfinanz und Großinsustrie, welche nebst ihrer EU-Politclaqueure die einzigen Profiteure der Veranstaltung sind. GR wird nie Anschluss an die wohlhabenden Länder Europas gewinnen, da die Griechen eine davon völlig abweichende Einstellung zu Arbeit und Staat haben. Und das will ihnen die EU nehmen, wobei sie selbst sich in eben dieser Art und Weise darin gerne “solidarisch” unterstützen lassen wollen. Das passt alles hinten und vorne nicht. Weg damit!
Nemschak
23. Juni 2015 @ 13:33
Wenn Sie mit der EU-Politik ihrer nationalen Politiker unzufrieden sind, wählen Sie eine andere Partei, von der Sie meinen, dass Sie es besser machen wird. Ich fürchte, Sie nehmen für bare Münze, was Ihnen die nationalen Politiker versuchen einzureden: schuld an allem sei die EU, statt sich selber bei der Nase zu nehmen. EU-Bashing ist ein beliebtes Spiel der nationalen Politiker. Was haben Ihnen die Großkonzerne getan? Sind es nicht eher die eigenen Politiker, die eine faire Besteuerung der Multis verhindern?
S.B.
23. Juni 2015 @ 16:40
@Nemschak: Haben Sie einen Vorschlag, welche Partei ich wählen könnte, damit sich tatsächlich etwas ändert? Ich kann außerhalb der neuen sozialistischen Einheitsparteien Deutschlands (CDUCSUSPDFDPGRÜNELINKE) leider weit und breit keine Wahlalternative entdecken. Die AfD, welche vernünftige Ansätze hatte, zerpflückt sich leider gerade selbst.
Zu den Großkonzernen: Diese profitieren am meisten und im Grunde auch als einzige von der EU, indem sie Waren und Kredite an Länder und Menschen verkaufen bzw. vergeben, die es sich nicht leisten können. Wenn sich dann der Finanzierungs-Trubble einstellt, dürfen die Steuerzahlern diese Konzerne retten (Abwrackprämie, Bankenrettung etc.). Haben Sie von diesem Mechanismus etwa noch nichts mitbekommen?
ebo
23. Juni 2015 @ 17:20
Komische Form von Sozialismus, in dem die Großkonzerne “am meisten” profitieren…
S.B.
24. Juni 2015 @ 09:55
@ebo: Ich hatte es schon einmal versucht zu erklären. Der (realexistierende) Sozialismus ist in der Realität nicht das, was sich viele (im Westen) darunter vorstellen: Das Paradies aus Gerechtigkeit und Gleichheit für Jedermann. Das Gegenteil ist der Fall: Otto-Normal-Bürger profitiert von dieser Gesellschaftsform am wenigsten bis gar nicht. Er arbeitet nicht für das eigene, sonder für das Wohlergehen der linken Politikerkaste und deren Gefolgsleute in der Wirtschaft und (unsinnig aufgeblasenen) Verwaltung. Es ist doch noch gar nicht so lange her, dass man sich dieses Experiment und desssen Folgen live anschauen konnte.
ebo
24. Juni 2015 @ 10:06
Der real existierende Sozialismus ist tot, und das ist auch gut so.
S.B.
24. Juni 2015 @ 12:55
Das ist ein derber Irrtum, der denjenigen unterläuft, die in ihren ideologisch eingefahrenen Denkbahnen verweilen. Ich behaupte der Sozialismus lebt real wieder bzw. über den Untergang des Ostblocks hinaus. Soviel Zwang, Tabuisierung, Überwachung, Gehirmwäsche, Tyrannei und Unfreiheit im Allgemeinen, gibt es nur im Sozialismus, Kommunismus. Wenn es nach Ihrer geliebten EU geht, wird Ihnen übrigens ab demnächst nicht nur vorgeschrieben, wie viel Leistung Ihr Staubsauger maximal haben darf, sondern auch, wann und wie lange Sie ihn benutzen dürfen. Hoffentlich haben Sie dann gerade Zeit. Schauen Sie sich auch einmal die “Führungs”figuren in allen Ebenen an: Die letzten Loser (Nichtsnutze), die noch immer unbeiirt für den Kommunismus kämpfen (aber ständig von Freiheit schwatzen), aber noch nie in ihrem Leben einen substanziellen Beitrag für die Gesellschaft geleistet haben. Im Gegenteil, sie zerstöären diese, wo es nur geht. Egal, welchen Farbanstrich sich diese Leute gegeben haben: Das Fahrgestell ist bei allen gleich.
winston
23. Juni 2015 @ 10:54
Diese Kommentar aus “Die Zeit” trifft den Nagel auf dem Kopf.
Dass EU und € von Anfang an Fehlkonstruktionen waren und sind,
wird nun auch denen schlichtesten Gemütes klar vor Augen geführt.
Dieses Europa hat keine Zukunft, es wird in Hader und Zwietracht versinken.
Die Wortführer aller nationalistischen und Anti-EU-Parteien in Europa können sich freuen: Nichts, aber auch gar nichts kann ihren steilen Aufstieg so beflügeln wie diese jämmerliche Farce mit dem Running Gag Griechenland.
Eine großartige Idee hat jede Glaubwürdigkeit verloren, die Bürger Europas gehen Scharen von der Sternenfahne.
Zurück bleiben eine bestens verdienende Nomenklatura und ein grotesk aufgeblähter Verwaltungsapparat – und ein ganz, ganz bitterer Nachgeschmack.
winston
23. Juni 2015 @ 09:24
Dishonesty produces theft. Stupidity produces massacres. Moralism produces genocide
S.B.
23. Juni 2015 @ 09:13
Wenn die Linken und die Grünen enttäuscht sind, so ist das doch immerhin etwas. Das bedeutet nämlich, dass die Vollendung des (west)europäische Sozialismus noch warten muss. Wenn es gut läuft, hat sich dieses wirre Staatenbündnis, das sich jetzt schon anmaßt als undemokratischer und zentralisitischer Bundesstaat aufzutreten, bis dahin erledigt. Drücken wir die Daumen, dass es so kommt! Das wäre die beste Lösung für Europa. Die Fremdbestimmung ganzer Völker durch ein durch ein demokratisch nicht legitimiertes Verwaltungskonstrukt namens EU hätte dann ein Ende.
winston
23. Juni 2015 @ 11:34
Die Europäischen Linken mit ihrem “mehr Europa”, Mehr EU”, mehr Euro” sind ideologisch dermassen verblendet das sie nicht mal merken, das sie links von den rechten überholt werden.
Siehe Ungarns Rechtspopulist Orban, er hat die MwSt. gesenkt und betreibt typisch linke keynesianische Wirtschaftspolitik und hat obendrauf die Nationalbank nationalisiert (sehr wichtig). Der marxist Tsipras will sie anheben.
Und die Wirtschaftspolitik Renzi’s ebenfalls links macht nix anderes als schon Monti und Letta vor ihm gemacht haben, nämlich Steuererhöhungen am laufendem Band und Kürzungen, mit verheerenden Folgen für Italiens Volkswirtschaft. Man kann in einer solchen Krise keine Prozyklische Wirtschaftspolitik betreiben.
Allerdings lässt der Euro keine andere Politik zu.
Resultat:
BIP Italien:
http://de.tradingeconomics.com/italy/gdp-growth-annual
BIP Ungarn:
http://de.tradingeconomics.com/hungary/gdp-growth-annual
Das griechische BIP lass ich mal aussen vor.
Und der Rest der Euro-Zone siecht nur noch vor sich hin.
ebo
23. Juni 2015 @ 12:21
@Winston Natürlich brauchen wir mehr Europa, aber anders: Mehr Demokratie und Transparenz, insbesondere bei der “Eurorettung”, und mehr Solidarität, z.B. mit Griechenland (aber nicht nur). Sonst fliegt der Laden irgendwann auseinander. Wir sind ja nicht mehr weit davon entfernt!
S.B.
23. Juni 2015 @ 13:19
@ebo: Wieso brauchen wir “natürlich mehr Europa”? Wir brauchen weder EU, noch Euro und schon gar keine Transferunion getarnt als “Solidarität”. Ja, hoffentlich fliegt der Laden baldmöglichst auseinander. Nennen Sie mir bitte einen Grund, warum ein derart unnützes, ja sogar schädliches Projekt weiter betrieben werden sollte.
winston
23. Juni 2015 @ 09:04
Völlig verrückt.
Optimale Währungsunionen ohne Transferzahlungen gibt es nicht und funktionieren auch nicht.
Wenn das durchkommt, wird am Schluss Deutschland für die ganze EZ zahlen. Mann kann nicht 19 unterschiedliche Währungen fixieren ohne Ausgleichsmechanismus.
Man bedenke Bretton, Woods und selbst der Goldstandart hatten implementierte Ausgleichsmechanismen funktionierten aber trotzdem nicht.
Der Soziale und Volkswirtschaftliche Schaden wird am Schluss gigantisch sein und zwar für die gesamte EZ inkl. Deutschland. Wohlstand, Wohlfahrt und selbst der Frieden Europas sind akut gefährdet wenn dieser Plan durchkommt.
Hoffe Deutschland zieht diesem Wahnsinnsprojekt den Stecker raus. Bei den Franzosen, Italiener und Spanier habe ich jegliche Hoffnung verloren.