Nicht reformwillig
Mehr Sicherheit, mehr Wachstum, weniger Jugendarbeitslosigkeit: Das wollen Kanzlerin Merkel, Präsident Hollande und Premier Renzi erreichen – als Antwort auf den Brexit. Wollen sie wirklich?
[dropcap]Z[/dropcap]weifel sind erlaubt. Denn die Ziele, die bei einem Dreigipfel in Italien angepeilt werden sollen, sind alles andere als neu:
- Mehr Sicherheit: Darüber reden wir spätestens seit dem Anschlag auf Charlie Hebdo. Geschehen ist fast nichts. Gleichzeitig verschlechtert sich die äußere Sicherheit (Syrien, Ukraine…)
- Mehr Wachstum: Darüber reden wir seit dem Jahr 2000, als die EU zur wettbewerbsfähigsten Region der Welt aufsteigen wollte. Stattdessen hinkt sie heute den USA und sogar UK hinterher.
- Weniger Jugendarbeitslosigkeit: Das soll eine “Jugendgarantie” erreichen, die vor der Europawahl 2014 publikumswirksam beschlossen wurde. Geschehen ist seither fast nichts.
Hollande und Renzi wollen Merkel daher drängen, mehr zu tun und auch neue, ehrgeizigere Ziele zu formulieren. Die Wirtschaftspolitik soll expansiver werden, die Sozialpolitik aktiver.
Doch das blockt die CDU-Kanzlerin ab – wie schon seit Jahren. Zu jeder grundlegenden Reform der Währungsunion, wie sie alle Experten seit der Eurokrise fordern, sagte Merkel Nein.
Wenn überhaupt, dann soll sie erst nach der Bundestagswahl 2017 kommen; bis dahin will Merkel das “Ancien Régime” bewahren. Schließlich profitiert Deutschland besonders davon.
Hollande und Renzi hingegen haben andere Interessen. Sie wollen vor Wahlen in den nächsten Monaten zeigen, dass sie nicht nur Reformauflagen aus Berlin und Brüssel umsetzen müssen…
…sondern auch die EU reformieren können, im Interesse ihrer Länder und ihrer Bürger. Zur Not auch ohne oder gegen Merkel? Das dürfte sich bald zeigen. Noch fehlt der politische Wille…
Johannes
22. August 2016 @ 17:10
“Zur Not auch ohne oder gegen Merkel? Das dürfte sich bald zeigen. Noch fehlt der politische Wille… ”
Das wäre schön!
Dann könnten die Eurobetrüger im Bundestag noch so viel argumentieren und mit dem 3. Weltkrieg drohen, der Bürger würde nicht mehr mitspielen.
Ja bitte Süd Europa, liebes Frankreich, zwing Deutschland noch mehr Schulden auf, lass die EZB die letzten Tabus fallen, ich bitte darum, dann steht die deutsche Politikelite gemeinsam richtig dumm da und Deutschland würde weiter, massiv nach RECHTS rücken.
Bitte liebe Linken und Süd Europa, mach das, ich fände das richtig gut *hehehe
Peter Nemschak
21. August 2016 @ 20:12
Stimmt nicht, wenn man sich die Statistiken genau ansieht. Der Großteil jener, die vielleicht nicht gewonnen haben, haben auch nicht verloren. Wäre dem so wie Sie sagen, würden die regierenden Parteien quer über Europa abgewählt werden. In Spanien, um ein Beispiel zu nennen, ist der große politische Erdrutsch ausgeblieben. Erstaunlich, dass die Rechten erfolgreich sind, obwohl sie eine eher (zumindest in Österreich) liberale Wirtschaftspolitik versprechen. Der BREXIT hatte verschiedene Ursachen, nicht nur die Unzufriedenheit der Unterschicht. Viele junge Menschen, die europafreundlich sind, sind der Wahl fern geblieben. Man darf auch nicht übersehen, dass nach wie vor viele Menschen aus der Unterschicht den sozialen Aufstieg schaffen, viele davon aus Osteuropa.
Peter Nemschak
21. August 2016 @ 18:44
Heranrückende Wahltermine im Jahr 2017 und das italienische Referendum 2016 stehen bereits im Fokus. Hinsichtlich der notwendigen Reformen besteht kein Konsens. Daher finden sie auch nicht statt. Kommt Zeit, kommt Rat. Gut Ding braucht Weil’.Übrigens: die EU entwickelt sich auch ohne Reformen weiter, weil viele Bürger ihr Schicksal in die eigene Hand nehmen und nicht auf den Staat warten.
ebo
21. August 2016 @ 18:47
@Nemschak Sie vergessen, dass Merkel vom Status Quo profitiert, Hollande und Renzi nicht. Warum sollte das nach der Bundestagswahl anders sein? Merkel steht für das Ancien Regime, das einer kleinen Schicht in wenigen EU-Staaten (DE, AUT, NL) eine Art Rente garantiert, während die Verlierer sich nicht nur abwenden, sondern sogar absetzen (genau das bedeutet der Brexit)…
Peter Nemschak
21. August 2016 @ 19:02
Gewinner und Verlierer gibt es in all den genannten Ländern, nicht nur in Deutschland. So lange die Gewinner zwei Drittel der Bevölkerungen ausmachen, wird sich wenig ändern.
ebo
21. August 2016 @ 19:05
Machen sie aber nicht, schon lange nicht mehr…