Unser New England
Vor dem womöglich entscheidenden EU-Budgetgipfel hat Kanzlerin Merkel weitere Einschnitte gefordert. Obwohl sie “mehr Europa” fordert, will Merkel weniger dafür ausgeben. Gleichzeitig nähert sie sich dem britischen Premies Cameron an. Wird Deutschland das neue England der Europapolitik?
Die Indizienkette wird länger. Schon beim ersten, gescheiterten Budgetgipfel im November kämpfte Merkel Seit’ an Seit’ mit Cameron für Einschnitte ins EU-Budget. Diesmal, beim zweiten Versuch, zählt Cameron sie sogar zu ihren “Alliierten”, wie “Euractiv” meldet.
Keine Handbreit passt auch zwischen die beiden, wenn es um die so genannte Wettbewerbsfähigkeit geht. Großbritannien ist zwar nicht im Euro, es hat seine Industrie abgewickelt und steckt in der Rezession. Doch das hinderte Merkel nicht daran, ihn zu unterstützen.
Und dann ist da natürlich der Freihandel. Die Engländer wollten die EU auf eine Freihandelszone reduzieren, heißt es immer. Das stimmte zwar nie, da London auch eine starke Außen- und Sicherheitspolitik vertritt. Außerdem hatte es sein Empire.
Doch nun ist Deutschland das neue England – Merkel will sogar eine Freihandelszone mit den USA. Eine starke Außenpolitik hingegen ist ihr schnurz. In Mali hält sie sich raus, Verteidigungsminister De Maizière lehnt neuerdings sogar eine EU-Armee ab.
Ein Empire hat Berlin auch – jedenfalls verhalten sie sich die Schwarzgelben in Berlin so, als sei ihnen ganz Europa untertan. Das “deutsche Europa” wird gerade mit einer umstrittenen neuen Agendapolitik für alle Euroländer ausgebaut…
Aber Deutschland ist doch keine Insel? Es will doch mehr als Freihandel, z.B. “mehr Europa”, sogar eine politische Union? – Schnee von gestern. Die Vertiefung der EU wurde beim Dezember-Gipfel kurzerhand abgesagt. Und für “mehr Europa” gibt es kein Geld aus Berlin.
Eine Insel ist Deutschland auch – wenn man seine Stellung in den internationalen Debatten betrachtet. Ob Austeritätspolitik, Geldpolitik, Wechselkurse oder Ungleichgewichte (sprich Überschüsse) – in fast allen Fragen ist das “China der Eurozone” isoliert.
In Berlin merkt es nur keiner, denn da stellt keiner unbequeme Fragen, nicht mal die Opposition. In Brüssel hingegen spürt man jeden Tag mehr, wie Deutschland abdriftet. Die Neiddebatte zu den EU-Beamtengehältern war nur der letzte Höhepunkt.
Wenn nicht alles täuscht, wird dieser EU-Gipfel weitere Indizien liefern…
Lina
8. Februar 2013 @ 01:39
“…Verteidigungsminister De Maizière lehnt neuerdings sogar eine EU-Armee ab….”
Dafür wird aber Blackwater angeheuert, um das griechische Parlament zu schützen und Streikende mit einem Einberufungsbefehl “beglückt”.
http://m.heise.de/tp/artikel/38/38521/1.html
Johannes
7. Februar 2013 @ 22:47
“In Berlin merkt es nur keiner, denn da stellt keiner unbequeme Fragen, nicht mal die Opposition” – Und, über den Euro und die Lügenmärchen dazu will auch keiner diskutieren obowohl das dringend notwendig ist. Weiter so, England hat in vielen Punkten recht, wir haben eine EU die heute weniger demokratisch ist, die Politik regiert scheinbar mit Bankenunion und Euro-Bonds im Interesse der Wall-Street, es wird Zeit, dass wieder die Demokratie das Kommando in Europa übernimmt …
Aber dann müsste man uns Bürger in Volksabstimmungen befragen, und vor dieser lupenreinen Demokratie hat die EU in Brüssel die größte Angst.
Robert
9. Februar 2013 @ 10:48
Ich verstehe es nicht. Warum haben die Banken, Ihrer Meinung nach so ein großen Interesse an Eurobonds?