Neues vom Wirtschaftskrieg (241): Türkei will offenbar BRICS beitreten
Die EU hängt weiter an russischem Gas – aus der Ukraine. Die Weltbank stellt Russland ein gutes Zeugnis aus. Und die Türkei will der Wirtschaftsgemeinschaft Brics beitreten.
- Die Türkei will der Wirtschaftsgemeinschaft Brics beitreten. Das sagte Außenminister Hakan Fidan bei seinem China-Besuch vergangene Woche – der ersten Peking-Reise eines hochrangigen türkischen Politikers seit zwölf Jahren. Fidan soll nun zu einem Treffen der Brics-Außenminister im russischen Nischni Nowgorod reisen. Kommentatoren diskutieren, was das für das Verhältnis Ankara-Brüssel bedeutet. (Eurotopics) Die Kommentare aus mehreren Zeitungen stehen hier. Ankara hat offenbar den Glauben an die EU verloren – oder man will Druck auf Brüssel ausüben.
- Weltbank stellt Russland gutes Zeugnis aus. Wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine belegte der Westen Russland mit weitreichenden Sanktionen – die dortige Konjunktur erwies sich dennoch als widerstandsfähig. Das lag der Weltbank zufolge an der hochgefahrenen Kriegswirtschaft, Subventionen und der privaten Nachfrage, die stärker ausgefallen sei als erwartet. Für 2024 prognostiziert die Weltbank ein Wirtschaftswachstum von 2,9 Prozent (Januar: 1,3 Prozent), für das kommende Jahr werden 1,4 Prozent (Januar: 0,9 Prozent) geschätzt. (dpa) Die Prognose wurde für beide Jahre hochgeschraubt. Russland liegt beim Wachstum weiter deutlich vor der EU, von Deutschland zu schweigen!
- EU hängt weiter an russischem Gas – aus der Ukraine. Die EU ist nach wie vor auf russisches Erdgas angewiesen, obwohl sich die meisten EU-Staaten davon emanzipieren wollten. (…) Einige kaufen verflüssigtes russisches Erdgas (LNG), andere sind weiterhin auf Importe über Pipelines angewiesen. Vor allem der Transit durch die Ukraine könnte Ende des Jahres zum Problem werden, denn die Regierung in Kiew zeigt sich bislang wenig geneigt, den Transitvertrag mit Russland zu verlängern. Nun sucht Wirtschaftsminister Habeck nach einer Lösung. (telepolis) Wenn er sich da mal nicht verhebt…
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Arthur Dent
12. Juni 2024 @ 13:39
@wbd
Erdogan und Trump sind “ziemlich beste Freunde” und Erdogan vertritt die Interessen seines Landes. Er hält sich alle Optionen offen.
Arthur Dent
12. Juni 2024 @ 11:07
Nein? Doch! Oh, oh – die EU hängt noch am russischen Gas? Dabei hat doch die deutsche Vorgänger-Regierung mehr als sechzig Jahre lang den (moralischen) Fehler gemacht, durch die Energie-Partnerschaft mit Russland, Deutschland zu unrechtmäßigem Wohlstand zu verhelfen. Da wird Robert auf der Suche nach Lösungen aber noch viele Bücklinge machen müssen.
Helmut Höft
12. Juni 2024 @ 10:48
(Türkei) Erdogan? Man stellt sich ins Schaufenster und holt Angebote ein. “Wer bietet mehr?”
Was die EU anlangt fragt european ganz zu Recht: “Welchen Grund sollte die Türkei haben, der EU beizutreten, um sich den Sanktionen zu unterwerfen und damit sich selbst das Wasser abzugraben? … jedoch befeuert die westliche Arroganz diesen Eindruck massiv.” Welchen Eindruck ggü. Afrika/3. Welt? Na den Eindruck “wir” der “Werte”westen® benutzen euch nur! Geo-Machtspiele, Rohstofflieferanten, billige Werkbank – die “uns” selber sauberer da stehen lässt –, Müllkippe usw. einfach nur ekelhaft!!! *kotz*
Da ist es doch völlig natürlich, dass die Türkei – gerade angesichts ihres Strebens nach Bedeutung – neue Überlegungen anstellt. Wir stellen uns vor: Die Türkei nimmt ernsthafte Verhandlungen mit den BRICS auf … dann brennt der Baum in Washington und Brüssel! Ich bin gespannt, wieviel Milliarden dann die EU aufbringt …
Stef
12. Juni 2024 @ 10:20
Der Brics-Beitrittswunsch des Nato-Mitglieds Türkei stellt eher die Nato als die Brics vor eine Zerreißprobe. Die geostrategische Eskalation sucht derzeit nur die Nato, um den hegemonialen Bedeutungsverlust der USA zu stoppen. Von daher kann die Brics mit der Ambilvalenz eines Türkei-Beitritts viel besser leben als die Nato, die derzeit kämpfen muss, um ihre Reihen dauerhaft geschlossen zu halten.
Aus Sicht der Türkei halte ich das für eine ebenso folgerichtige wie clevere Fortsetzung des sowohl-als-auch Kurses, den nicht nur Erdogan, sondern auch seine Vorgänge kultiviert haben. Von daher muss ein Regierungswechsel in Ankara keine Gefahr für die Brics bedeuten. Zumal ja die EU der Türkei in den letzten sagen wir mal Jahrzehnten auch nicht unbedingt eine plausible Beitrittsperspektive angeboten hat.
Wie immer: Jetzt rächt sich die Kurzsichtigkeit von gestern. Die EU-Osterweiterung war ein Fehler, zumal sie immer im Schatten der Nato-Osterweiterung stattgefunden hat. Aber wenn man den Fehler der Ostexpansion nun unbedingt wollte, der Türkei die Tür nicht ebenfalls zu öffnen war (vornehm ausgedrückt) strategisch widersprüchlich.
WBD
12. Juni 2024 @ 09:37
Danke, lieber ebo, daß Sie die Kommentarfunktion wieder auf ‘übersichtlich’ geschaltet haben. Deutlich diskussionsfreundlicher, man muss nicht bei jedem Beitrag einzeln die Kommentare dazuschalten. 🙂
ebo
12. Juni 2024 @ 09:38
Keine Ursache. Die neue App (“Plugin”) sollte Kommentare erleichtern und die Diskussion anfeuern, doch sie hat es nicht gebracht. Also zurück auf Null 🙂
exKK
12. Juni 2024 @ 12:46
Dem Dank schliesse ich mich an – ich kann von meinem alten recner hier zumindest wieder antworten.
WBD
12. Juni 2024 @ 09:19
Ich bin ein wenig skeptisch mit dem türkischen BRICS-Beitritt. Einerseits ist die Argumentation von @european ziemlich schlüssig, andererseits – was passiert, wenn dann doch mal ein pro-EU Kandidat Erdogan beerbt?
Die Türkei ist immer noch NATO-Mitglied, und wäre ich ein BRICS-Mitglied, dann hätte ich wenig Lust auf ein solches Mitglied am Konferenztisch.
Vielleicht ist die Türkei auch mit stiller Duldung der US-Dienste so offen für eine US-kritische Politik in ihrer Region? Türkisches U-Boot… 😉
Skyjumper
12. Juni 2024 @ 14:51
Möglich ist in der internationalen Politik natürlich immer alles.
Allerdings glaube ich gerade dass das Verhältnis USA/Türkei alles andere als unbelastet ist. In der Türkei wird man nicht vergessen haben wie man aus dem F-35 Programm geschmissen wurde. Und in der Türkei wird man sehr lange nicht die Demütigung vergessen dass das türkische Direktorat für Verteidigung auf die US-Sanktionsliste gesetzt wurde.
Den Beitritt Schwedens zur Nato hat sich die Türkei mit der Lieferzusage für F-16 Kampfflugzeuge abkaufen lassen. Aber noch sind die nicht geliefert.
Und ganz vielleicht erinnert sich in der Türkei auch noch jemand daran wie die USA sie im Nachgang der Kuba-Krise “geopfert” haben. Nix war’s mehr mit der Stationierung von US-Atom-Raketen in der Türkei. Das war der Preis für den Verzicht sowj. Atom-Raketen auf Kuba.
Westl. Hinterzimmerpolitik ging erstaunlich oft zu Lasten der Türkei aus. Nachdem die Türkei nun gelernt hat sich jede Zustimmung vergolden zu lassen, halte ich es durchaus für plausibel dass das hier auch so läuft. Und wie @Stef bereits schrieb: Die BRIC+ dürften weniger ein Problem mit der Nato-Mitgliedschaft der Türkei haben, als umgekehrt die Nato.
Samantha
12. Juni 2024 @ 09:00
Vielen Wählern hier war vielleicht nicht so sehr bewusst, dass sie mit der CDU (als vermeintliche Alternative zur Ampel) gleichzeitig automatisch auch Frau vdL gewählt haben. Da hat der Spruch: “Europa nicht den Leyen überlassen” leider nicht gefruchtet.
european
12. Juni 2024 @ 08:34
Warum sollte die Türkei noch der EU beitreten und sich damit steigenden Sanktionen unterwerfen, die der eigenen Wirtschaft schaden? BRICS werden weiter wachsen. Die Länder, die kürzlich beigetreten sind, sind alle Mitglied von Wirtschaftsverbünden, Freihandelszonen, bilateralen Übereinkommen und bringen einen Einflussbereich von über 80 Ländern mit. Die Liste der Beitrittskandidaten kann sich auch sehen lassen. Die Zukunft spielt dort.
Bei der letzten Wahl hat man sich trotz der Probleme der Türkei gegen den EU-Befürworter-Kandidat ausgesprochen. Wie Michael Lüders berichtet, wird jenseits des neuen eisernen Vorhanges gerade in Milliardenhöhe investiert. Es entstehen völlig neue Handelswege, Straßen, Schienen, Häfen, Flughäfen. Die türkische Bauindustrie hat Aufträge in Milliardenhöhe für die nächsten Jahre-Jahrzehnte bekommen. Welchen Grund sollte die Türkei haben, der EU beizutreten, um sich den Sanktionen zu unterwerfen und damit sich selbst das Wasser abzugraben?
Nicht nur in Afrika steht die westliche Welt für Krieg, Ausbeutung, steigenden Terrorismus. Länder der BRICS stehen dagegen eher für Investitionen, Unterstützung, Aufbau. Dass das ein idealisiertes Bild ist, ist sicherlich einleuchtend, jedoch befeuert die westliche Arroganz diesen Eindruck massiv. Wenn es um die Deckung der eigenen Grundbedürfnisse geht, braucht man keinen Rat von Übersättigten. Maslow gegen Brecht.
PolitikerInnen wie von der Leyen, Macron, Scholz, Merz uvm. verschärfen diese Situation. Sie gelten als willfähriges Instrument des amerikanischen Imperiums, das u.a. für den massiv angestiegenen Terrorismus in Afrika steht, für unzählige Putsche, Interventionen, Regime-Change-Kriege, Menschenrechtsverletzungen, Kriegsverbrechen etc. Warum sollte man unserer “Wertegemeinschaft” beitreten?