Neues vom Wirtschaftskrieg (218): Russland knackt den Ölpreisdeckel
Deutschland droht eine anhaltende Rezession. Die EU-Kommission will den Getreidedeal ersetzen und ukrainische Agrarprodukte exportieren. Und Russland knackt den vom Westen verhängten Ölpreisdeckel.
- Im Ringen um Einfluss auf den globalen Ölmärkten hat Russland einen bemerkenswerten Sieg gegen die westlichen Staaten errungen. Der Preis für das begehrte russische Rohöl der Sorte Ural überschritt erstmals die westliche Preisobergrenze von 60 US-Dollar pro Barrel, die von den USA und ihren Verbündeten im Dezember des Vorjahres als Sanktionspolitik eingeführt worden war. Dieser Erfolg zeige, schreibt das Wallstreet Journal (WSJ), dass sich Russland zumindest teilweise an die Restriktionen anpassen konnte und der Kreml weiterhin in der Lage sei, sich auf dem internationalen Ölmarkt zu behaupten. (telepolis) Um den Einfluss des Westens weiter einzuschränken, hat Russland eine alternative Tankerflotte aufgebaut, die von den westlichen Sanktionen nicht betroffen ist.
- EU-Kommission will Getreidedeal ersetzen. Die EU kann nach eigenen Angaben fast alle landwirtschaftlichen Produkte aus der Ukraine herausbringen, die wegen des russischen Ausstiegs aus dem Getreideabkommen nun nicht mehr über deren Schwarzmeerhäfen exportiert werden können. Dies könne über Schienen- und Straßenverkehrsverbindungen durch EU-Mitgliedstaaten geschehen, die an die Ukraine grenzen, sagt EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski. Er bezeichnet die Wege als “Solidaritätsrouten”. “Wir sind bereit, fast alles zu exportieren. Das sind etwa vier Millionen Tonnen Ölsaaten und Getreide pro Monat.” Diese Menge habe man bereits im November 2022 aus der Ukraine herausgebracht. (Reuters) – Derweil fordern Polen und vier weitere EU-Staaten, den Import von ukrainischem Getreide dauerhaft zu verbieten. Das passt schlecht zusammen…
- Deutschland droht anhaltende Rezession. Die konjunkturellen Aussichten in Deutschland trüben sich weiter ein. Im neuen Wachstumsausblick des Internationalen Währungsfonds (IWF) ist die deutsche Volkswirtschaft unter den 22 untersuchten Staaten und Regionen die einzige, in der das Bruttoinlandsprodukt 2023 sinken soll. Der IWF rechnet mit einem Minus von 0,3 Prozent, teilte die Organisation am Dienstag in Washington mit. „Deutschlands Wachstum verlangsamt sich deutlich und liegt sogar im negativen Wachstumsbereich“, sagte Chefökonom Pierre-Olivier Gourinchas. Auch 2024 kann Deutschland den Rückstand kaum kompensieren. Der IWF erwartet dann ein BIP-Wachstum von 1,3 Prozent. (Handelsblatt) – Derweil hat der IWF die Wachstumsprognose für Russland deutlich nach oben geschraubt. Die Sanktionen wirken – nur nicht so, wie gedacht…
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Arthur Dent
27. Juli 2023 @ 22:47
@Robert Habeck
Der Mond ist wichtiger als die Sonne, denn der scheint schließlich bei Dunkelheit in der Nacht. Die Sonne scheint immer nur tagsüber, aber da ist es ja sowieso hell 🙂
Stef
27. Juli 2023 @ 16:30
@ Katla: Das ist mal eine interessante Einlassung von Habeck. Zuerst vertauscht er Ursache und Wirkung, indem er dem russischen Gas die Schuld für die Energiepreissteigrung zuschiebt. Umgekehrt ist es korrekt, das billige russische Gas war eine Grundlage für unsere Wettbewerbsfähigkeit und die Bundesregierung hat es aktiv abgeschaltet zugunsten von Hybris und Lügen.
Dann schiebt er unsere Misere auf die Weltmärkte, die ausweislich des IWF offenbar besser funktionieren als es die deutsche Wirtschaft tut. Um dann abschließend in einem „Doppelwumms“ ganz eigener Art die Aufmerksamkeit des geneigten Lesers gleichzeitig auf CDU und AfD als Schuldige abzulenken.
Da hat aber jemand Göbbels gut studiert….
KK
27. Juli 2023 @ 13:49
@ Katla:
„Meanwhile the not angsthabende Wirtschaftsminister of Germany“
Habeck hat doch irgendwie Recht: Wenn MittelEUropa bald eine nukleare Wüste ist, lohnen sich Gedanken oder gar Angst um die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands nicht!
EUropäische Diener der US-Interessen wie Robert Habeck haben sicher schon den US-Pass und das offene Flugticket auf dem Nachttisch liegen.
Katla
27. Juli 2023 @ 09:32
Meanwhile the not angsthabende Wirtschaftsminister of Germany (lohnt sich wirklich, alle von ihm gebildeten Kausalketten Wort für Wort auf der Zunge zergehen zu lassen):
https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/habeck-relativiert-iwf-prognose-wirtschaftsminister-sieht-keinen-grund-fur-german-angst-10217752.html
KK
27. Juli 2023 @ 02:26
@ Monika:
” Bin fassungslos, schon seit geraumer Zeit.”
“Hören Sie mal, würde es Ihnen was ausmachen, wenn ich jetzt einfach aufgebe und verrückt werde?”
(Arthur Dent in “Per Anhalter durch die Galaxis” von Douglas Adams)
😉
Arthur Dent
26. Juli 2023 @ 23:29
@KK
„Die Konjunktur-Ampel steht auf ROT… und die Klimabilanz hat sich trotzdem immens verschlechtert, weil jetzt das dreckige LNG das vergleichsweise saubere russische Pipelinegas ersetzen muss, weswegen auch die Klimaampel auf ROT steht. Soviel E-Autos und Wärmepumpen, um das aufzufangen, hält das deutsche Stromnetz auch in absehbarer Zukunft gar nicht aus.“
Es sind in Deutschland rund zwanzig Kohlekraftwerke wieder in Betrieb genommen worden – EU-weit ist der Kohleverbrauch um 6 Prozent gesteigert worden seit Beginn des Ukraine-Konflikts.
Monika
26. Juli 2023 @ 16:34
@Arthur Dent
ja, ich sehe das genauso, Fakten, nicht Einverständnis schaffen, heisst der neue suprademokratische Politikstil der EU und der Anhänger des Werte-Westens. Nur dem Primus inter Pares USA, der „cream of the crop“ des Werte-Westens, geht das alles runter wie geschmiert.
Ich hätte nie gedacht, dass Europa so selbstverrgessen im eigentlichen Sinne je handeln könnte.
Bin fassungslos, schon seit geraumer Zeit.
KK
26. Juli 2023 @ 13:09
Die Konjunktur-Ampel steht auf ROT… und die Klimabilanz hat sich trotzdem immens verschlechtert, weil jetzt das dreckige LNG das vergleichsweise saubere russische Pipelinegas ersetzen muss, weswegen auch die Klimaampel auf ROT steht. Soviel E-Autos und Wärmepumpen, um das aufzufangen, hält das deutsche Stromnetz auch in absehbarer Zukunft gar nicht aus.
Helmut Höft
26. Juli 2023 @ 12:54
… Der IWF rechnet mit einem Minus von 0,3 Prozent, … Na und? Dafür wird die Kreditbremse (aka Schuldenbremse) eingehalten (und Schattenhaushalte aka Sonder“vermögen“) aufgebaut. (Ironie off)
Arthur Dent
26. Juli 2023 @ 09:39
Doch, doch – die Sanktionen wirken schon wie gedacht. Führte man früher durch Bescheidenheit ein gottgefälliges Leben, so sollen die Menschen heute durch Askese ein klimafreundliches Leben führen. Die Menschen in Deutschland sollen Verzicht üben zugunsten zukünftiger Generationen, die heute noch gar nicht existieren. Rechnet man alles zusammen, dann dürfte die Unterstützung der Ukraine alleine die Menschen in Deutschland rund 450 Millarden Euro gekostet haben. Es lässt sich viel leichter Herrschaft durch Sparzwänge ausüben. Die Massen müssen höhere Energie- und Lebensmittelpreise zahlen und Reallohnverluste in Kauf nehmen. Aufrüstung und Militär kostet halt. Die unipolare gegen die multipolare Welt – da müssen die Reihen geschlossen und Opfer gebracht werden. Zumindest die deutsche Regierung hat das sehenden Auges in Kauf genommen. Der Kanzler und seine Entourage sind doch ganz entspannt in den Urlaub gegangen.
Stef
26. Juli 2023 @ 08:54
Eine unangenehme Erkenntnis betreffend der Sanktionen gegenüber Russland ist, dass die Ampel insbesondere unter Druck der Grünen nicht alleine Russland damit schädigen wollte. Mittels der energiepolitischen Sanktionen wollten die Grünen auch den Druck auf die bestehende Energieversorgung erhöhen, um ihre eigenen extremen Klimabekämpfungsmaßnahmen mit Rückenwind zu unterstützen. Dabei haben sich die bedingungslose Unterordnung der Grünen unter US-Interessen und das Bedürfnis nach einem radikalen Umstieg in eine klimaneutrale Energieversorgung zu einem toxischen Amalgam vermischt. Man kann den Grünen hier zwar zugute halten, dass wir in 16 Jahren Merkel im Wesentlichen Stillstand an allen relevanten Baustellen hatten. Aber eine Rosskur kommt einer industriellen Volkswirtschaft von der Größe Deutschlands nicht gut, dazu sind die Strukturen zu komplex, die Wechselwirkungen zu unvorhersehbar und die Systeme zu träge.
Die Ironie ist, dass im Zuge dieser unheiligen Allianz zwischen Transatlantikern und Klimafundmentalisten die letztgenannten im Zweifel den Kürzeren ziehen. Dadurch werden z.B. Widersprüche wie der grüne Boom zu dreckigem LNG aus den USA erklärbar.