Neues vom Wirtschaftskrieg (215): Russisches Gas kommt über Belgien
Spanien und Belgien verdoppeln ihre LNG-Importe aus Russland. Französische Ermittler haben den russischen Oligarchen Alexej Kusmitschow in Gewahrsam genommen. Und der vom Bund gestützte Energiekonzern Uniper meldet einen Milliardengewinn.
- Spanien und Belgien verdoppeln LNG-Importe aus Russland. Europe imported about the same amount of Russian liquified natural gas (LNG) from January to September 2023 as it did during the same period last year — but some countries experienced notable increases. Spain and Belgium doubled imports of LNG from Russia during this period, year-on-year, while France saw Russian LNG imports rise by 40 percent, a report revealed. (…) LNG imports from the US have jumped since 2022 — making the US the EU’s top supplier, accounting for 46 percent of the bloc’s total supply. But Russia comes second, providing 12 percent of LNG supply for the whole EU. Among the EU member states, Spain is the largest importer of Russian LNG, followed closely by France and Belgium. (EU Observer). Das meiste Flüssiggas aus Belgien geht nach Deutschland!
- Uniper macht Milliardengewinn. Fast ein Jahr nach der Rettung durch den Staat fährt der Energiekonzern Uniper Rekordgewinne ein. In den ersten neun Monaten sei das Konzernergebnis auf 9,8 Milliarden Euro gestiegen, teilte das Unternehmen mit. Im Vorjahreszeitraum hatte der Konzern einen Verlust von 40,3 Milliarden Euro hinnehmen müssen. Grund hierfür war, dass Uniper nach dem russischen Gaslieferstopp teure Ersatzmengen einkaufen musste. Das brachte den ganzen Konzern an den Rand der Insolvenz. Doch inzwischen profitiert Uniper von deutlich gesunkenen Preisen für die Absicherung von Lieferverpflichtungen und kann Rückstellungen auflösen. (…) Der Staat hatte den Versorger im vergangenen Jahr mit Hilfen von 20 Milliarden Euro vor einer Pleite bewahrt und hält nun 99 Prozent der Anteile an dem Unternehmen mit Sitz in Düsseldorf. (Reuters) Verluste sozialisieren, Gewinne privatisieren – oder was? Wir dürfen gespannt sein, wie Wirtschaftsminister Habeck mit diesem Ergebnis umgeht…
- Französische Ermittler haben den russischen Oligarchen Alexej Kusmitschow in Gewahrsam genommen. Im Rahmen einer Vorermittlung unter anderem wegen Geldwäsche, Steuerbetrug und der Verletzung internationaler Sanktionen habe es an mehreren Orten Hausdurchsuchungen gegeben, bestätigte die Finanzstaatsanwaltschaft in Paris. Durchsuchungen gab es demnach in Südfrankreich und in der Pariser Wohnung von Kusmitschow. Der Oligarch befinde sich weiterhin in Gewahrsam. Kusmitschow gilt als prominentes Mitglied der russischen Finanzelite und ist mit der Alfa Gruppe verbunden, einem der größten Finanz- und Industriekonzerne in Russland. (…) Angesichts der gegen ihn verhängten Sanktionen hätte Kusmitschow sich eigentlich nicht mehr in der EU aufhalten dürfen. (dpa)
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Arthur Dent
1. November 2023 @ 23:08
Ach so – hatte ich noch vergessen zu erwähnen: Kleber, Farben, Lacke, Autoreifen, Dämmmaterial, PVC, Kunststoffe aller Art – nahezu die gesamte moderne Zivilisation basiert auf Erdöl. Ohne Kohle, Öl und Gas gäbe es die gar nicht. Das hört auch nicht auf, nur weil man sich das wünscht. Wer aus den Fossilen aussteigen will, sollte viel Geduld mitbringen. Kann schon noch 100 – 150 Jahre dauern.
KK
2. November 2023 @ 17:55
Wenn die Kriegstreiber das Ende der Zivilisation weiter so vorantreiben, dauert das nicht annähernd mehr 100 bis 150 Jahre, das geht dann sehr viel schneller.
Arthur Dent
1. November 2023 @ 22:52
Uniper hatte schon im Dezember 2021 zur Absicherung seiner spekulativen Termingeschäfte seine Kreditlinie von 13 Mrd Euro bei den Banken ausgeschöpft. Der Konzern geriet in Schwierigkeiten, weil er vermutlich keine langfristigen Gas-Lieferverträge hatte. Hätte seine russischen Vertragspartner ja verklagen können. Deutschland hat mit Steuerzahlergeld die Aktien eines finnischen Konzerns übernommen, es muss die allerdings in den kommenden Jahren wieder abstoßen.
Deutschland schaltet seine AKW ab und importiert französischen Atomstrom. Witzig. Strom wird wohl auch im nächsten Jahr teurer werden – trotz Strompreisbremse. Natürlich weniger teuer als ohne 🙂
Die Show geht trotzdem weiter. Faeser fliegt nach Marokko um binnen Tagen ein Rückführungsabkommen abzuschließen – dabei hat Deutschland schon seit 25 Jahren eines. Auch die EU hat im Jahr 2000 begonnen, ein Abkommen auszuhandeln. Der Kanzler geht gerade wieder in Afrika Klinken putzen … Hauptsache, man tut was.
Ach ja, die EU braucht wieder mehr Geld. Die Regierungschefs sind sich allerdings noch uneins, wie sie es verbraten wollen.
Stef
1. November 2023 @ 10:05
Tatsächlich gibt es keinen ökonomischen Grund, teures und schmutziges LNG über Umwege aus Russland oder aus den USA zu beziehen und den letzten intakten Strang der Nordstream-Pipeline ungenutzt auf dem Meeresgrund versauern zu lassen. Das ist eine Achillesferse der Ampel-Politik, die sich gewaschen hat. Denn wir weigern uns ja nicht, Gas aus Russland zu beziehen. Wir weigern uns nur, dies zu wirtschaftlich und ökonolisch besseren Konditionen zu tun. Mit Abhängigkeit hat das jedenfalls nichts zu tun.
Zu bedenken ist auch, dass wir den Atomausstieg durchgezogen haben, den Kohleausstieg demnächst vorhaben und in der Republik derzeit etliche Gaskraftwerke mangels wirtschaftlicher Basis quasi leerlaufen. Die Energiewirtschaft war m.E. bisher noch gnädig gegenüber der Bundesregierung, würden hier mal alle unangenehmen Fakten auf den Tisch gelegt, die uns die Ampel gebracht hat, dann wäre die Stimmung schnell noch schlechter für die Regierung Scholz.
Eigentlich ein Thema, das für Proteste wie geschaffen ist, falls die Energie im Winter wieder teurer wird.
Thomas Damrau
1. November 2023 @ 09:15
The show must go on!
Erst haben sich alle das Büßerhemd über gezogen und bekannt „Wir sind sündige Junkies, die sich jahrzehntelang das günstige russische Erdgas reingezogen haben.“ Dann haben sich alle gegenseitig versichert „Ego te absolvo a peccatis tuis in nomine Wallstreet et Rüstungsindustrie et Scheinheiligkeit.“
Bußfertigkeit bedeutet aber nicht, dass der Büßer sein sündiges Handeln beendet. Nach wie vor ist niemand bereit, unsere Energie-verschwendende Lebensweise in Frage zu stellen: Wir brauchen halt neue Dealer – auch wenn die den Stoff vom alten Dealer beziehen.
Man muss sich nur die geistigen Ergüsse von Christian Dürr anhören: https://www.deutschlandfunk.de/interview-mit-christian-duerr-fdp-fraktionschef-zu-haushaltsdisziplin-dlf-8bca410e-100.html
Helmut Höft
1. November 2023 @ 10:14
@Thomas Damrau
Ego te absolvo … *pruusr* Betreffend Herrn Dürr (heute morgen zur Bundeswehr auf dlf: https://www.deutschlandfunk.de/interview-mit-christian-duerr-fdp-fraktionschef-zu-haushaltsdisziplin-dlf-8bca410e-100.html) ein leider exzellentes Beispiel für politisches Blabla an allen Fronten: Bei Lanz, im dlf, vor jedem Mikrophon, im Bundestag. Hier ein Beispiel https://www.youtube.com/watch?v=jv0MmpfgNsM mit einem schönen Überblick über die Rest der … (Achtung: der Staatsanwalt droht 😉 )
Bogie
1. November 2023 @ 08:10
Herrlich! Da lassen wir uns von unseren „Freunden“ die Pipeline kaputt machen und verzichten schon zuvor weitgehend auf preiswertes Gas aus Russland.
Dann stellen wir ganz überrascht fest, dass es ohne das Gas aus Russland nicht geht. Wir lassen das Zeug mit großem (fossilen) Energieaufwand verflüssigen und in Tanker füllen und lassen diese um halb Europa herum kutschieren um es dann via Belgien viel teurer zu kaufen.
Verschwörungstheoretiker würden jetzt sagen, dass das ökonomischer und ökologischer Unsinn (um das Wort Katastrophe zu vermeiden) ist.
Den gleichen Scheiss fabrizieren wir mit russischem Öl, nur eben über Indien und/oder Saudi-Arabien.
Dann nennen wir das Ganze Sanktionen gegen Russland, erklären jeden, der das für unsinnig hält, zum Putinfreund und fühlen uns der übrigen Welt gegenüber moralisch überlegen.
Jetzt muss mir nur noch einer sagen, wie man daran nicht verzweifeln soll.
KK
1. November 2023 @ 14:44
” Jetzt muss mir nur noch einer sagen, wie man daran nicht verzweifeln soll.”
Die Rettung naht – in Gestalt eines dritten, nuklearen und finalen Weltkriegs, und damit einer Chance für die Evolution, es noch einmal mit wirklich INTELLIGENTEM Leben zu versuchen!
european
1. November 2023 @ 08:00
„Das meiste Flüssiggas aus Belgien geht nach Deutschland!“
Und was wird Sahra Wagenknecht dafür gescholten, dass sie statt dessen vorschlägt, umweltfreundlicheres Erdgas direkt durch die Pipeline aus Russland zu beziehen. Da tobt die grüne Moralistenfront, die statt dessen umwelt- und klimaschädliches Frackinggas aus USA beziehen will – auf Jahrzehnte.
Dazu gibt es übrigens interessante Erkenntnisse, die gerade in einer Zusammenstellung mit dem Titel: „Compendium of Scientific, Medical, and Media Findings Demonstrating Risks and Harms of Fracking and Associated Gas and Oil Infrastructure“ herausgebracht wurde.
https://concernedhealthny.org/compendium/
Der Bundesstaat Pennsylvania ist davon ganz besonders betroffen, wie StateImpact Pennsylvania in diesem Artikel berichtet und auch auf die genannte Studie verweist, die man sich herunterladen kann:
https://stateimpact.npr.org/pennsylvania/2023/10/31/a-new-report-compiles-years-of-data-about-the-health-risks-associated-with-fracking/
“Our examination uncovered no evidence that fracking can be practiced in a manner that does not threaten human health directly or without imperiling climate stability upon which human health depends,” said the report authors.“
Kurz gesagt, es gibt keine einzige Möglichkeit, zu fracken, ohne die Gesundheit oder Klima zu schädigen. Schwangere z.B. Neugeborene sind kleiner als üblich, es gibt höhere Zahlen an Fehlgeburten, bestimmte Krebsraten sind höher, Leukämie z.B. Kinder, die im Umfeld von Frackinggasfeldern leben, haben ein 5-9fach höheres Risiko, an Lymphdrüsenkrebs zu erkranken usw. usw.
Interessanter Lesestoff. Wir fracken ja nicht auf eigenem Boden. Deswegen lesen wir sowas auch nicht.
Helmut Höft
1. November 2023 @ 09:44
@european
Heilix Blechle, 637 Seiten! Danke dafür, dass Du das Wesentliche herausgestell hast. Alle Probleme und Risiken um Fracking sind seit ~ 30 Jahren bekannt … und werden totgeschwiegen.
Zum Totschweigen hier ein “schönes” Beispiel: https://makroskop.eu/33-2023/die-vergessene-entdeckerin-des-treibhausgases/ Zitat:
Ihre Entdeckung war bahnbrechend: 1856 identifizierte die Forscherin Eunice Foote als erstes die Eigenschaften, die CO2 zu einem ergiebigen Treibhausgas machen.
Bahnbrechende Entdeckung 1856!! Kann man damit kein Geld verdienen? Dann bloß weg damit, vergesst es!