Neues vom Wirtschaftskrieg (205): G-7 erwägen Verbot aller Exporte nach Russland
Der Gewinn der russischen Tochter der Deutschen Bank hat stark zugenommen. Die EU-Kommission bekräftigt Forderungen, Russland für die Kriegsschäden in der Ukraine zur Rechenschaft zu ziehen. Und die G-7 erwägen ein Verbot aller Exporte nach Russland.
- Die G-7 erwägen ein Verbot aller Exporte nach Russland. Ukraine’s key allies, including the US, are considering upping the ante on banning exports to Russia, in a move that could potentially lead to a significant tightening of economic pressure on President Vladimir Putin over his war. The proposal, which is still being debated and could change, would see the existing sanctions flipped around: banning all exports unless exempted, we’ve been told. If Group of Seven leaders endorse the move, exactly what would be excluded would then have to be agreed, with medicines and agricultural products including food very likely to stay exempted. But to enter into force in the EU, the new criteria would need to be adopted by all members, which — with some companies’ remaining ties to Russia and concerns over Putin’s retaliation — is not a given. (Bloomberg) – Ein totales Exportverbot wäre ein Novum in der langen Geschichte des Wirtschaftskrieges. Offenbar versuchen die USA und einige EU-Länder auf diesem Wege, den anhaltenden Widerstand gegen Embargos auf russische Diamanten oder die Atomindustrie zu brechen…
- Die EU-Kommission bekräftigt Forderungen, Russland für die Kriegsschäden in der Ukraine zur Rechenschaft zu ziehen. “Russland als Aggressorstaat ist völkerrechtlich zu Reparationszahlungen an die Ukraine verpflichtet”, sagt Kommissionsvize Valdis Dombrovskis dem “Handelsblatt”. Die Kommission lasse daher juristisch prüfen, inwiefern es möglich sei, eingefrorenes russisches Vermögen einzuziehen – “einschließlich der Zentralbankreserven”. Zugleich kritisiert Dombrovskis, dass die EU-Staaten bei der Sanktionierung des russischen Energiesektors 2022 zu zögerlich vorgegangen seien und andernfalls schon jetzt stärkere Auswirkungen zu sehen gewesen wären. Dennoch gibt er sich zuversichtlich, dass die Strafmaßnahmen Wirkung zeigten. “Mit jedem Monat wird sich die finanzielle Situation Russlands verschlechtern. Das wird die Fähigkeit des Kremls, Krieg zu führen, verringern.” (Reuters)
- Der Gewinn der russischen Tochter der Deutschen Bank hat trotz einer rückläufigen Bilanzsumme im vergangenen Jahr stark zugenommen. Die Profite des Russlandgeschäfts des größten deutschen Geldhauses stiegen laut einem unabhängigen Wirtschaftsprüfungsbericht um 480 Prozent auf 5,4 Milliarden Rubel (rund 60 Millionen Euro). Die Bilanzsumme der russischen Tochter schrumpfte allerdings um 36,3 Prozent auf 81,6 Milliarden Rubel, die Deutsche Bank kommentierte die Ergebnisse der Wirtschaftsprüfer nicht. Die stark gestiegenen Zinseinnahmen von über sieben Milliarden Rubel kurbelten den Gewinn laut dem Bericht an. Nach dem Angriff auf die Ukraine erhöhte Russland den Leitzins zeitweise auf 20 Prozent – jetzt liegt das Zinsniveau der russischen Zentralbank bei 7,5 Prozent. (Der Spiegel)
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KK
22. April 2023 @ 18:57
@ european:
“Aber beim Zustand unserer Truppe mache ich mir wenig Sorgen…”
Nun, das Zitat stammt ja auch aus dem Sommer 1933 – da ist auch erstmal nirgends einmarschiert worden; zuerst einmal ist den Gegnern im Innern das Lachen vergangen worden…
Annette Hauschild
22. April 2023 @ 18:52
Ich denke, dass die Chinesen bei Sekundärsanktionen auch irgendwann einknicken können, die Inder ebenfalls und Brasilien und Südafrika sowieso. Es kommt auf die Stärke, den Umfang, die Dauer und den Gegenstand der Sekundärsanktionen an. Das hier ist ein Nervenkrieg. Ich finde es gut, dass die Hybris des Westens endlich einmal Widerstand erfährt, aber ich bleibe skeptisch.
KK
22. April 2023 @ 16:09
@ Annette Hauschild:
„Die haben, wie auch Indien, Brasilien, auch Interesse an guten Wirtschaftsbeziehungen mit den USA und der EU.“
Wenn die G7 die angedrohten Sekundärsanktionen gegen die, die weiter mit Russland (und demnächst vielleicht auch China) Handel treiben wollen, wahrmachen werden, nehmen sich damit USA und EU ja quasi selbst aus dem Spiel.
@ european:
„Die Welt lacht über Baerbock ebenso wie über von der Leyen oder Scholz.“
Manch deutsche Politiker mochten es nicht, wenn man über sie lachte; ich hab dann immer ganz schnell ein Zitat im Ohr:
„Am 30. Januar sind in Deutschland die Würfel gefallen. Und ich glaube nicht, dass die Gegner, die damals noch gelacht haben, heute auch noch lachen.“
Ahnen Sie, von wem das stammt?
european
22. April 2023 @ 18:21
Natürlich.
Aber beim Zustand unserer Truppe mache ich mir wenig Sorgen, dass wir irgendwo einmarschieren. 😉 Da bekommt doch jeder Gegner Mitleid.
Die Konstellationen sind heute glücklicherweise anders.
Helmut Höft
22. April 2023 @ 15:55
Hier noch einen Nachlieferung zu den Exportverboten an “alle andersdenkenden”, den “glanzvollen” Auftritt von Annalena aus Borbeck in China:
Vernichtende Kritik nach dem China-Besuch von Baerbock Der Auftritt Annalena Baerbocks in China war Ausdruck deutsch-europäischer Großfrausucht. Dabei hat sie Fortschritte gemacht: Sie hat keinen Krieg erklärt. *hüstel_hüstel*
european
22. April 2023 @ 17:10
So ist es. Nur scheint das in Deutschland niemand wahrzunehmen oder wahrnehmen zu wollen.
Die Chinesen haben auch ihre eigene Antwort darauf gegeben. Hier der Link zum Original des chinesischen Bloggers Alex Lo. https://www.scmp.com/comment/opinion/article/3217122/top-german-wolf-warrior-wants-china-end-war-west-sponsors
Auf der Seite der Weltwoche findet man die deutsche Übersetzung dazu. Der beißende Ton ist selbst dort nicht zu überhören.
https://weltwoche.ch/daily/oberste-deutsche-wolfskriegerin-will-dass-china-den-vom-westen-gesponserten-krieg-beendet-die-chinesische-sicht-zum-baerbock-besuch-in-peking/
Sehr schön auch die Antwort ihres indischen Amtskollegen bei ihrem letzten Besuch in Indien. Phoenix hat ihre Ausführungen über die wertegeleitete Wirtschafts-Außen-Kriegspolitik gesendet und danach abgebrochen. Der Clip geht aber noch weiter und die Weltwoche zeigt auch die Antwort des indischen Kollegen, der mit sehr eleganten Worten mehr oder weniger mit einem F*ck You reagiert hat. Das hat die deutsche Zuschauerschaft nun nicht mehr gesehen. Er hat sie schlicht auflaufen lassen.
https://weltwoche.ch/daily/die-deutsche-aussenministerin-erklaert-ihrem-indischen-kollegen-warum-russland-eben-nicht-werte-partner-ist-mit-seiner-antwort-hat-sie-wohl-nicht-gerechnet/
Wer immer noch glaubt, Baerbock mache einen guten Job, der sollte sich im Netz nach den vollständigen Clips ihrer Besuche umsehen. Die Welt lacht über Baerbock ebenso wie über von der Leyen oder Scholz.
Annette Hauschild
22. April 2023 @ 14:17
Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben. Bei so viel Enthusiasmus über die Abfuhr des Dollarsystems, und das weitere Bestehen der SWIFT-Alternative, über das angebliche Fehlschlagen der Sanktionen etc, der hier geäußert wird, Ich wäre vorsichtig mit solchem Optimismus. Die Sanktionen können den Krieg durchaus überdauern, indem sie umgewidmet werden, z.B. mit der Auflage, dass Russland Reparationen bezahlt.
Der brasilianische Präsident Lula strickt schon lange an den BRICS als Alternative zum Dasein im US-Hinterhof, aber in der Zeit, als er nicht Präsident war, hat Bolsonaro Lulas Herzensprojekt auf Eis gelegt. Es braucht dafür nur eine Wahl, um wichtige Akteure in dieser Allianz zwar nicht zu kippen aber wieder für US-Einfluss zu öffnen. Wie, wenn in Südafrika der ANC mal nicht mehr regieren sollte? Oder der Hindu-Nationalist Modi nicht mehr Präsident wird? Oder Lula…
Und noch eines fällt mir ein. Das, was die Russen vorantreiben, ist gar keine neue Idee. nur die jetzige Form ist weitaus differenzierter. Es gab einmal, in grauer Vorzeit, ein internationales Wirtschaftssystem der Staaten der Warschauer Vertragsorganisation. Das nannte sich RGW, Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe, seine Gegner im Westen nannten es Comecon. Un den 60er bis 80er Jahren traten viele nicht-europäische Staaten dem RGW bei. https://de.wikipedia.org/wiki/Rat_f%C3%BCr_gegenseitige_Wirtschaftshilfe
Das System funktionierte zwar anders, viel mit Naturalien und Umrubeln, und sollte die wirtschaftlichen Ungleichheiten zwischen den einzelnen Staaten ausgleichen. aber könnte durchaus als ein Vorläufer der jetzigen russischen Eurasienunion-Idee gelten.
Ich glaube, dass die Chinesen kein Interesse haben, ausschließlich zu dem Eurasienpakt oder den BRICS zu gehören, wie es Wladimir Putin vorzuschweben scheint. Also keine neue Blockbildung, sondern eher ein Geflecht oder Netzwerk von Verbindungen aufbauen. Die haben, wie auch Indien, Brasilien, auch Interesse an guten Wirtschaftsbeziehungen mit den USA und der EU. Der BRICS-Pakt wird nucht nur die Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Mitgliedern stärken, sondern für die einzelnen Mitgliedsstaaten auch die Funktion haben, sie in ihren Beziehungen mit den USA zu stärken, dass sie eine stärkere Verhandlungsposition bekommen und vielleicht auch mehr umworben und gelockt werden. Und das kann einer der Ansatzpunkte sein, an denen die USA und die EU anknüpfen um zu versuchen, das Ganze aufzubrechen.
Franz
22. April 2023 @ 08:44
Wetten, dass die heilige Atomindustrie weiterhin von allem ausgenommen bleibt?!
Arthur Dent
21. April 2023 @ 23:17
“Mit jedem Monat wird sich die finanzielle Situation Russlands verschlechtern. Das wird die Fähigkeit des Kremls, Krieg zu führen, verringern.” (Reuters) – Sind die in der EU so doof oder tun die nur so? Mal abgesehen davon, dass die noch gar nicht wissen, wo die Reserven angelegt sind – Russland hat eine eigene Währung und eine eigene Zentralbank. Die brauchen keine Devisen um ihr Militär zu finanzieren, und Russland importiert nur sehr wenige Rüstungsgüter – Russland ist selbst die zweitgrößte Waffenschmiede der Welt.
Hinzu kommt, dass rund 90 Prozent deutscher Firemn in Russland geblieben sind.
KK
21. April 2023 @ 22:22
Die G7 verteidigen mit aller Macht ihre beiden Hotels auf Parkstrasse und Schlossallee, während sie alle anderen Strassen und Gebäude sowie den Rest auf dem Spielplan sukzessive an die Mitspieler verlieren…
Helmut Höft
22. April 2023 @ 10:08
Sehr gelungener Vergleich, lieber KK, Kompliment!
Die Refeudalisierung – mit allem was dazu gehört, Verlust von Kultur, Zivilisation und Menschlichkeit – beschleunigt sich atemberaubend!
Michael Hudson hat in seinem neuen Buch “Der Zusammenbruch der Antike: Griechenland und Rom als oligarchischer Wendepunkt der Zivilisation” ebenfalls treffende Analogien gefunden, Zitat:
“Die Fed sagte: Wir wollen die Aktienkurse stützen, indem wir die Unternehmen profitabler machen, und das tun wir, indem wir eine Depression erzeugen. Wenn wir also 2 Millionen Amerikaner arbeitslos machen können, dann werden die Menschen um Arbeitsplätze kämpfen, und es wird für die Arbeitgeber leichter sein, einen Anstieg der Löhne zu verhindern.
Die Aufgabe der Fed ist nicht die Förderung der Beschäftigung, sondern die Förderung der Arbeitslosigkeit. Verzweiflung unter den Arbeitnehmern zu erzeugen, so dass sie ihre Löhne nicht mehr mit dem Lebensstandard mithalten können.
Und wir befinden uns in der gleichen Art von langsamem Absturz wie in Griechenland und Rom und wie in fast jeder finanzialisierten Wirtschaft, wo der gesamte Reichtum nach oben gesaugt wird und es einen Transfer gibt, nicht nur von Einkommen, sondern auch von Eigentum – von Immobilien, von Aktien und Anleihen, von Unternehmen – an die Gläubiger-klasse. Und genau das erleben wir heute.”
Passend: Marriner S. Eccles “As mass production …” (1951) und hier The power Elite (1956)!
Btw.: Mills hat hier die Vorlage für Eisenhowers Warnung (Abschiedsrede 1961) vor dem “militärisch-industriellen Komplex” geliefert.
Hekla
21. April 2023 @ 20:17
@european: bei alldem verstehe ich nur eines nicht: die Wirtschaft schweigt! Die Ökonomen schweigen oder flüstern gerade mal. Kaum eine Stimme (ausser vielleicht Hans-Werner Sinn), die sich dagegen erhebt.
Feigheit, als ” unsolidarisch” gebrandmarkt zu werden? Oder sind die europäischen Volkswirtschaften schon stillschweigend als Loser aufgegeben worden und die Karawane zieht einfach weiter?
european
21. April 2023 @ 21:57
Sie haben Recht. Es ist unheimlich. Ich vermute, dass sie schweigen, weil sie sonst ihre Positionen gefährden. Es gibt ja nur wenige unabhängige Ökonomen, die zudem nicht nur deutsch, sondern europäisch bzw. global denken können. Flassbeck ist so jemand. Alle anderen haben Abhängigkeitsverhältnisse und werden sich durchwurschteln so gut es geht.
KK
22. April 2023 @ 01:22
Die haben alle in den USA investiert, die fallen selbst weich.
european
21. April 2023 @ 17:25
„Die G-7 planen ein Verbot aller Exporte nach Russland.“
Glauben die tatsaechlich, dass das noch einen Unterschied macht und wissen sie, dass Exporte nach Russland Einnahmen fuer heimische Betriebe sind? Man ist sich ja mittlerweile nicht mehr so sicher, ob die das wissen, nachdem Habeck mal die Geschichte von Betrieben erzaehlte, die nur aufhoeren zu produzieren und nicht dabei pleite gehen.
Meanwhile in Russia. Hinter dem neuen eisernen Vorhang tut sich so viel und in einer Geschwindigkeit, dass einem schwindelig werden kann. Interessanterweise sind in diesen neuen Handelsvertraegen die Finanzen mit eingebunden. Gemeinsame Plattformen, eigene Waehrungen, gemeinsame Banken, Mir-System uvm. Es wird gleich abgesichert, dass man alles ausser Dollar verwenden wird. Es gibt eine SWIFT Alternative, das SPFS System und Crypto ist auch kein Tabu.https://www.russia-briefing.com/news/category/business/economy/
Auch diese Zahlen sollte man sich ansehen:https://www.china-briefing.com/news/china-russia-trade-turnover-grew-38-7-in-q1-2023/
Die G7 scheinen noch nicht begriffen zu haben, dass sie dieses Spiel nicht mehr gewinnen koennen. Man darf gespannt sein, wann der erste wieder abspringt.
pitiplatsch
22. April 2023 @ 09:46
Der Westen hat schon verloren und schlägt um sich. Geostrategische Umbrüche sind die gefährlichsten Zeiten – hat ein Friedensforscher mal geschrieben. Und wir verhalten uns wie der Raucher, der den Lungenkrebs braucht, um die aufgedruckte Warnung zu verstehen.
european
22. April 2023 @ 11:18
Ein sehr plastischer Vergleich und so einleuchtend.