Neues vom Wirtschaftskrieg (184): Hardliner fordern 10. Sanktionspaket
Der Linken-Politiker Klaus Ernst fordert ein Ende der Energiesanktionen gegen Russland. Der Iran exportiert trotz Sanktionen der USA Öl in neuen Höchstmengen. Und Hardliner fordern 10. Sanktionspaket bis zum 24. Februar, dem Jahrestag des Kriegsbeginns in der Ukraine.
- Hardliner fordern 10. Sanktionspaket bis zum 24. Februar. Poland, Lithuania and Ukraine are calling for the European Union to pass its 10th sanctions package against Russia in February, including hitting Belarus with tougher punitive measures and Russia’s nuclear sector, EU diplomats said Friday. President Vladimir Putin ordered the invasion of Ukraine on February 24 last year, and the EU has hit back by imposing a slew of sanctions aimed at hobbling his ability to prosecute his war of aggression. That anniversary should be a deadline for tightening the screw on Moscow even further, according to one of the diplomats. “It’s very important that we manage to agree on the 10th package — in my mind — before the anniversary of the start of the war,” the diplomat told reporters. (Politico)
- Der Iran exportiert trotz Sanktionen der USA Öl in neuen Höchstmengen. Das geht aus von Reuters veröffentlichten Branchen-Daten hervor. Im vergangenen Dezember exportierte die Islamische Republik nach Angaben des Energieberatungsunternehmen SVB International durchschnittlich 1,14 Millionen Barrel (à 159 Liter) pro Tag, soviel wie in keinem anderen Monat des abgelaufenen Jahres. Auch im Januar zeichnet sich demnach ein neues Ausfuhr-Hoch ab. Die USA hatten unter dem damaligen Präsidenten Donald Trump 2018 einseitig das internationale Atomabkommen mit dem Iran von 2015 aufgekündigt und Restriktionen erlassen, die den Ölsektor des Landes treffen sollten. (Reuters)
- Der Linken-Politiker Klaus Ernst fordert ein Ende der Energiesanktionen gegen Russland und kritisiert in dem Punkt seine eigene Partei. Mit Russland trotz des Angriffskriegs gegen die Ukraine weiter Handel zu treiben, sei “moralisch ein Problem”, räumte Ernst ein. Doch seien Alternativen wie Kuweit oder die Vereinigten Arabischen Emirate auch nicht viel besser. Dass kein Gas und kein Öl mehr aus Russland importiert werde, “das sind Sanktionen, die in der Folge sich gegen die eigene Bevölkerung richten durch die hohen Energiepreise und die gestiegene Inflation. Leider haben wir da nicht immer dieselbe Einschätzung in der Fraktion.” (dpa)
Mehr zum Wirtschaftskrieg hier (der Live-Blog ist zurück!) Siehe auch Ausblick 2022: Der Wohlstand schwindet, EUropa wird abgehängt
KK
16. Januar 2023 @ 23:34
@ MarMo:
“Zum Vad-Interview in der Emma: Zuvor haben Spiegel, ZEIT und WELT oder die ör-Medien sich nicht interessiert gezeigt, schreiben die Nachdenkseiten.”
Wie auch – passt nicht in deren bellizistische Agenda: Der Interviewte trommelt ja nicht für den Krieg, im Gegenteil!
Im vegetarischen Restaurant bekommen Sie ja auch kein Steak!
MarMo
16. Januar 2023 @ 22:16
Diesen lesenswerten Artikel zur Sanktionspolitik hat Antje Vollmer im Juli 2022 geschrieben: https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/zweifel-an-der-sanktionspolitik-gegen-russland-wo-sind-die-realos-geblieben-li.246202
Zum Vad-Interview in der Emma: Zuvor haben Spiegel, ZEIT und WELT oder die ör-Medien sich nicht interessiert gezeigt, schreiben die Nachdenkseiten.
european
16. Januar 2023 @ 20:26
Ein sehr klares und deutliches Interview mit Erich Vad, Merkel’s früherem Militärberater. Solche Stimmen hört man selten. Ich habe auch den Eindruck, dass seine Auftritte in den ör Medien seltener geworden sind. Man will es nicht hören.
https://www.emma.de/artikel/erich-vad-was-sind-die-kriegsziele-340045
ebo
16. Januar 2023 @ 20:30
Wichtiges Interview. Vad fragt nach den Kriegszielen – und trifft damit den wunden Punkt. Denn wenn die nicht klar begrenzt und festgezurrt werden, sind wir auf der schiefen Ebene zum Krieg!
CC
16. Januar 2023 @ 16:14
Zur Frage, ob man Ernst ernst nehmen kann: ich sehe das ähnlich wie meine Co-Foristin european aus Schottland (herzliche Grüße an Sie): Politik sollte sich zwar klar an der Realität orientieren (Lassalle/Luxemburg: Es ist die revolutionärste Tat, das zu sagen, was ist”), aber in Zeiten, in denen der ganze große Brei aus Medien und Politik die selbe Meinung vertritt, die den Menschen in D schadet und einen gefährlichen Krieg wahrscheinlicher macht, muss man auch mal das (derzeit) Unmögliche fordern.
Angesichts auch der Erosion der stattfindenden Massenverarmung und des Vertrauens der Menschen in Deutschland in die Politik (https://www.n-tv.de/politik/Bundespolitik-verliert-stark-an-Vertrauen-article23819526.html) , ist es mMn sogar die Pflicht der Opposition, eine wirklich grundlegende andere Politik zu vertreten. Das ist z.B. auch in der Hamburger Landesverfassung niedergeschrieben: Die Opposition ist “wesentlicher Bestandteil der parlamentarischen Demokratie.
(2) Sie hat die ständige Aufgabe, die Kritik am Regierungsprogramm im Grundsatz (!)
und im Einzelfall öffentlich zu vertreten. Sie ist die politische Alternative zur
Regierungsmehrheit.”
Trotz fast einem Jahr Dauerpropaganda denke ich, dass große Teile der Bevölkerung dafür sind oder sein würden, wieder Energie aus Russland zu beziehen. Vor allem, wenn sie verstanden haben, dass die Alternative heisst, dauerhaft mindestens doppelt so hohe Energiekosten (und damit auch höhere Lebenshaltungskosten) zu haben, dass man – wenn man aus Russland Gas und Öl importiert – damit eben kein schlechter Mensch ist und dass es erheblich klimafreundlicher ist als LNG (vor allem aus den USA) .
In einer funktionierenden Demokratie könnten diese Vor- und Nachteile einer Sanktionspolitik auch sachlich diskutiert werden – doch die öffentliche Debatte funktioniert nicht mehr.
Arthur Dent
16. Januar 2023 @ 15:23
Man kann auch sagen: Betonköpfe und Apparatschicks fordern immer mehr vom selben, auch wenn es nicht hilft.
KK
16. Januar 2023 @ 15:15
@ european:
“Es sind mehr oder weniger rhetorische Forderungen, denn es wird nichts passieren.
Richtig sind sie trotzdem, auch wenn niemand darauf hoeren wird.”
Nur, wenn die ersten anfangen, sie zu äussern, werden sich mit der Zeit mehr trauen, dies auch zu tun. Spätestens vor Wahlen kann kein Politiker die Interessen der Wähler mehr so schamlos ignorieren, wie Baerbock meint, dies tun zu können.
european
16. Januar 2023 @ 12:40
Ernst hat doch Recht.
USA/NATO fuehren Angriffskriege wie es ihnen passt und die EU vertieft gerade die Beziehungen. Aber das sind wohl die guten Kriege, denn wir sind immer die Guten 😉
Die Armenier haben neben Aserbaidschan auch kein gutes Leben und vom Jemen-Desaster spricht auch kaum noch jemand.
Nach wie vor muss man diese Krieg im Kontext sehen. Er begann nicht mit der ersten Bombe und der Westen kann sich noch so oft die Haende in Unschuld waschen. Da halte ich es mit Heinz Erhardt:
“Doch hilft das Waschen nicht und Reiben:
Die Flecke bleiben!”
ebo
16. Januar 2023 @ 13:51
Ich kann Ernst in dieser Frage nicht ganz ernst nehmen. Derzeit wird die EU garantiert keine Energiesanktionen zurücknehmen. Das ist politisch nicht durchsetzbar, auch wenn es wünschenswert wäre…
Man sollte den EU-Granden lieber ihre verheerende Bilanz vorhalten: Russland kassiert mehr (statt weniger) aus Öl und Gas, gleichzeitig verarmen Millionen EU-Bürger – und Deutschland verliert seine Wettbewerbsfähigkeit.
european
16. Januar 2023 @ 14:36
Damit haben Sie bestimmt Recht. Es sind mehr oder weniger rhetorische Forderungen, denn es wird nichts passieren.
Richtig sind sie trotzdem, auch wenn niemand darauf hoeren wird.
european
16. Januar 2023 @ 14:20
Um das noch zu untermauern, moechte ich hier auf zwei aktuelle Studien verweisen.
1. Congressional Research Service
Instances of Use of United States Armed Forces Abroad, 1798-2022https://bit.ly/3w4HlbZ
Diese Liste ist absolut sehenswert. Interessanterweise werden im Text 2 Begruendungen fuer diese Interventionen angefuehrt, der Schutz amerikanischer Staatsbuerger ausserhalb der USA und die Sicherung amerikanischer Interessen.
2. Military Intervention Projects – Studie der Tufts University in Massachusets
https://sites.tufts.edu/css/mip-research/
„According to our data, the US has undertaken over 500 international military interventions since 1776, with nearly 60% undertaken between 1950 and 2017. What’s more, over one-third of these missions occurred after 1999.[2] With the end of the Cold War era, we would expect the US to decrease its military interventions abroad, assuming lower threats and interests at stake. But these patterns reveal the opposite – the US has increased its military involvements abroad.“