Neues vom Wirtschaftskrieg (120): EU plant noch mehr Sanktionen

Der Wirtschaftskrieg gegen Russland zieht immer weitere Kreise. Kommissionschefin von der Leyen fordert noch mehr Sanktionen. Ungarns Orban will das Gegenteil – ein Auslaufen der Strafmaßnahmen. Derweil streiten die EU-Staaten weiter über Maßnahmen gegen die Energiekrise.

  • EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen rechnet angesichts der jüngsten Eskalation des russischen Präsidenten Wladimir Putin im Ukraine-Krieg mit weiteren Sanktionen gegen Moskau. Putin zeige Schwäche, indem er versuche, weniger ausgebildetes, erfahrenes und motiviertes Personal zu mobilisieren und Scheinreferenden auf souveränem Boden der Ukraine zu starten, sagte sie am Mittwoch dem US-Nachrichtensender CNN am Rande der UN-Generalversammlung in New York. “Also denke ich, dass dies wieder nach Sanktionen unsererseits verlangt”, ergänzte von der Leyen. Konkret wurde sie bei diesem Punkt nicht. –Wenn die Sanktionen so gut wirken, wieso kann Putin dann eskalieren – und warum braucht es noch mehr davon? Und wieso muß man ihn strafen, wenn er “Schwäche” zeigt?
  • Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban plädiert für ein Ende der EU-Sanktionen gegen Russland. Orban habe gegenüber seiner Regierungspartei Fidesz auf einer Klausurtagung gesagt, dass er für ein Auslaufen der Sanktionen wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine sei, bestätigte Regierungssprecher Zoltan Kovacs gegenüber Reuters. Die ungarische Zeitung “Magyar Nemzet” zitierte Orban mit den Worten, die EU-Sanktionen hätten die Gaspreise und die Inflation in die Höhe getrieben. Würden diese Maßnahmen aufgehoben, würden die Gaspreise sofort um 50 Prozent sinken und die Inflation würde ebenfalls zurückgehen. – Orbans Haltung ist bekannt. Wenn er insitiert, kann dies zum Problem für die offenbar geplante nächste Sanktionsrunde der EU werden. Für einen Beschluß braucht es nämlich Einstimmigkeit.
  • In der Diskussion über das EU-Notfallprogramm gegen die hohen Energiepreise verlangen die Mitgliedstaaten mehr Spielraum für nationale Lösungen. Das Paket müsse die »spezifischen Bedingungen« der EU-Länder sowie ihre »bestehenden Maßnahmen« berücksichtigen, heißt es in einem Entwurf der tschechischen Ratspräsidentschaft, der dem SPIEGEL vorliegt. Das Papier fasst die Beratungen der Mitgliedstaaten zusammen, nachdem vergangene Woche die EU-Kommission ihren Vorschlag vorgelegt hatte. Er sah Einsparungen beim Stromverbrauch sowie einen sogenannten Solidaritätsmechanismus vor: Übermäßige Gewinne von Stromproduzenten sollen an belastete Unternehmen und Verbraucher weitergeleitet werden. – Auch diese Meldung deutet auf große Uneinigkeit unter den 27 EU-Staaten hin. Die Krisensitzung der Energieminister am 30. September wird kritisch.

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