Neues vom Wirtschaftskrieg (100): In der EU gilt nun der Gas-Notfall
Der Wirtschaftskrieg gegen Russland zieht immer weitere Kreise. Am Dienstag tritt der Notfallplan gegen die Gaskrise in Kraft – doch viele EU-Staaten ziehen nicht mit. Die EU treibt die Preise für Flüssiggas und verdrängt damit Schwellenländer vom Markt – dort gehen jetzt die Lichter aus. Und: Berlin diskutiert über Sanktionen gegen China – nach dem “Modell” Russland.
- Der europäische Gas-Notfallplan zur Vorbereitung auf einen möglichen Stopp russischer Gaslieferungen tritt in Kraft. Am 8. August wurde das neue Gesetz im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Der Plan sieht vor, dass alle EU-Länder ihren Gasverbrauch von Anfang August bis März nächsten Jahres freiwillig um 15 Prozent senken, verglichen mit dem Durchschnittsverbrauch der letzten fünf Jahre in diesem Zeitraum. Vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine hat Russland seine Lieferungen an die EU bereits drastisch reduziert. – Der Plan sieht allerdings nur eine freiwillige Drosselung beim Gasverbrauch vor. Belgien und einige andere EU-Staaten haben bereits angekündigt, dass sie nicht mitmachen. Polen geht noch weiter und warnt vor möglichen Zwangsmaßnahmen der EU-Kommission: „Niemand wird unser Gas zu fassen kriegen“. Mehr zum Notplan der EU hier
- Die EU schnappt Schwellenländern das Gas weg. Der Grund dafür sind vor allem die riesigen LNG-Tanker, die über die Weltmeere kreuzen. Mit rund 150.000 Kubikmeter Fassungsvermögen, verteilt auf bis zu sechs Tanks, machten sich jene Schiffe, die nun Europa ansteuern, zuvor auf nach Pakistan, Bangladesch, Myanmar und Indien, Schwellenländer, die bei der Energieversorgung oft leer ausgehen. „Die wirklich brutale und harte Realität ist, dass Europa große Teile der Schwellenländer auspreist. Langfristig ist das nicht tragbar“, sagt Henning Gloystein, Direktor für Energie und Klima bei der Eurasia Group. – Aber wir sind die Guten… In Wahrheit treibt die EU durch ihre kopflose Flucht aus dem russischen Gas die Preise hoch – und verdrängt Länder vom Markt, die schon viel früher auf LNG gesetzt haben.
- Die Bundesregierung bringt Sanktionen gegen China ins Gespräch. Nach Außenministerin Baerbock (Grüne) hat sich nun auch FDP-Generalsekretär für Zwangsmaßnahmen ausgesprochen, falls es zum Krieg um Taiwan kommen sollte. “Ein militärischer Angriff Chinas auf Taiwan wäre eine verheerende Eskalation des Status Quo”, sagte Djir-Sarai dem “Handelsblatt”. “In diesem Falle wäre es wichtig, dass der Westen unmittelbar mit personenbezogenen und wirtschaftlichen Sanktionen gegen China reagiert.” Die wirtschaftlichen Sanktionen müssten sich an denen orientieren, die Europa gegen Russland verhängt hat. – Da haben wir es: Russland wird zum “Modell” für Strafmaßnahmen gegen China. Allerdings ist Deutschland von China noch stärker abhängig als von Russland, wie der FDP-Mann selbst einräumt. Der Kollateralschaden wäre also noch größer… – Mehr hier
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Arthur Dent
9. August 2022 @ 15:37
Bin mal gespannt, wann der Kohle-Notfall eintritt. Ab morgen will man ja auch keine russische Kohle mehr. Ersatz hat man auch nicht – keine Frachtschiffe. Und die Deutsche Bahn hat große Schwierigkeiten mit der Verteilung im Inland, da viele Strecken repariert werden müssen.
Alexander
9. August 2022 @ 15:22
Es gibt heftige Explosionen auf der Krim. Hier ein Video, das einen Eindruck vermittelt:
https://t.me/intelslava/35146
Ich habe geschaut, wo die getroffene Stadt liegt. Es dürften da Raketen mit einer Reichweite von 100km+ zum Einsatz gekommen sein.
Russland hatte die Ukraine gewarnt, die Krim anzugreifen …
Alexander
9. August 2022 @ 12:52
Wie genau ist eigentlich die Lage beim Öl?
“Ukraine stellt Transit von russischem Erdöl an die EU ein”
“Die Ukraine verlangt für den Transit russischen Erdöls in Richtung mehrerer EU-Staaten Vorauszahlungen aus Moskau. Jedoch kann Russland die Zahlungen aufgrund von EU-Sanktionen nicht leisten. Daher stellte Kiew den Transit ein.”
Quelle: RTde
Sollte die Ukraine das Kernkraftwerk, das sie seit Tagen immer wieder beschießt, ernsthaft treffen, dann ist die Ölzufuhr allerdings nur noch ein vergleichsweise kleines Problem …
ebo
9. August 2022 @ 14:35
Jetzt auch auf Politico https://www.politico.eu/article/russia-halts-oil-flows-through-ukrainian-pipeline/
european
9. August 2022 @ 11:21
“Die EU schnappt Schwellenländern das Gas weg.”
Das kann man gar nicht laut genug sagen. Erst betreiben wir verantwortungslose Politik und dann lassen wir andere Laender dafuer bluten, die nichts damit zu tun haben.
Arthur Dent
9. August 2022 @ 10:12
Falls ich richtig informiert bin, verstromt Deutschland nicht nur Gas um das europäische Strom-Verbundnetz zu stützen (Frankreich “schwächelt” momentan), sondern beliefert über Spanien auch Marokko. Wenn das stimmt, ist es schon erstaunlich, wer alles noch Gas aus Europa bezieht – wo es doch angeblich in Deutschland am allerdringendsten gebraucht wird.
ebo
9. August 2022 @ 11:20
Ja, Sie sind richtig informiert. https://www.wiwo.de/unternehmen/energie/europaeische-gaskrise-verschaerft-sich-rwe-liefert-gas-nach-marokko-darf-das-sein/28547170.html
Es stimmt auch, dass Gas aus bzw. über Deutschland nach Polen geliefert wird. https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/gasspeicher-polen-deutschland-lieferung-russland-100.html
Folgt man dem ZDF, so ist das völlig in Ordnung – schließlich werde Gas “auf dem freien Markt der EU” gehandelt.
Doch wenn wir einen “freien Markt” haben – warum braucht man dann einen Notfallplan und Zwangsmaßnahmen – bzw. warum wird der Markt nicht vernünftig reguliert, so dass er auch in Notlagen funktioniert?
Ich werde nach der Sommerpause mal versuchen, dass hier in Brüssel zu recherchieren.